(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Frank Oesterhelweg [CDU]: Sagen Sie einmal die Zahlen, bitte!)
Die Skandale, so unterschiedlich sie inhaltlich sein mögen, haben aus meiner Sicht aber auch gemeinsame Ursachen. Es geht um großindustrielle Strukturen, oft über Ländergrenzen hinaus, und den Betrug am Verbraucher aus Gewinnmaximierungsinteressen, egal ob es darum geht, billiges Pferdefleisch aus Rumänien über Zypern, Großbritannien und Frankreich zu verbreiten - und dann wachsen diesen Pferden offenbar Hörner, und sie landen als Rindfleisch in der Lasagne oder in den Mettbällchen in Niedersachsen -, oder ob es darum geht, einfach mehr Hühner einzustallen, als in der jeweiligen Haltungsform erlaubt ist. Es geht um möglichen Betrug sowohl bei der Käfighaltung, der Bodenhaltung, der Freilandhaltung als auch bei der Biohaltung. Das ist nicht in Ordnung. Es geht auch darum, ob man trotz aller Warnungen, die es im letzten Jahr gab, den unzureichend getesteten und hoch belasteten Billigmais aus Serbien als Futtermittel für unsere Tiere importiert.
Jetzt bezahlen wir den Preis für diese eher industriellen statt bäuerlichen Strukturen. Letztere wollen wir als Landesregierung stärken. Jetzt bekommen wir die Auswirkungen von diesen agrarindustriellen Komplexen zu spüren, die weder umwelt- noch ressourcenschonend agieren. Die Leidtragenden sind nicht nur die betrogenen Verbraucher, die etwas anderes gekriegt haben, als sie kaufen wollten, sondern auch die vielen ehrlichen und unschuldigen Landwirte, die wieder einmal Opfer von mangelnden Kontrollen etwa in der Futtermittelindustrie sind.
Diese Entwicklung wird gesellschaftlich und auch vom Bauernverband - darüber freue ich mich - nicht mehr akzeptiert. Der Bauernverband hat auch gefordert, dass wir beim System der Futtermittelkontrollen grundlegend etwas ändern. Wir setzen uns daher für bäuerliche Familienbetriebe und für klare Herkunftskennzeichnungen ein. Ich freue mich, dass auch die Bundesregierung mittlerweile auf den rot-grünen Kurs eingeschwenkt ist, näm
Wir setzen auf regionale Vermarktung und auf regionale Wirtschaftsketten. Natürlich werden wir auch vom Verbraucher gefragt, wieso um die Ställe Mais für Biogasanlagen angebaut wird, aber als Futter billiger Mais aus Serbien importiert wird.
Begünstigt werden die Skandale auch durch den meines Erachtens zu großen Vertrauensvorschuss im Bereich der Eigenkontrollen in manchen Branchen. Nach dem Dioxin-Skandal, wo es auch um ein Versagen von Eigenkontrollen ging, ist viel versprochen worden. Jetzt sind wieder die vielen unschuldigen Landwirte die Dummen, weil sie möglicherweise auf den Kosten sitzen bleiben, wenn die Futtermittelindustrie nicht endlich zu einem Entschädigungs- oder Haftungsfonds bereit ist.
Ich bin es jedenfalls leid, mich auf diese Selbstkontrollen zu verlassen. Immer wieder sind neue Listen über Lieferungen mit belastetem Mais - es waren zum Teil 20 000 Lieferungen in mehrere Tausend Betriebe - nach Ablauf der Frist hereingekommen, was eine mangelnde Kooperation mit der Futtermittelindustrie zeigt. Die Industrie hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Deshalb werden wir eine Neuregelung in diesem Bereich einführen und die staatlichen Kontrollen deutlich verstärken.
Wir werden das Landesamt für Verbraucherschutz optimieren und auf personeller, rechtlicher und finanzieller Ebene stärken. Die Mehrkosten werden wir nicht dem Steuerzahler aufbürden, sondern den Verursachern, der Futtermittelindustrie, durch kostendeckende Gebühren in Rechnung stellen.
Ich bin sehr froh, dass Ihre Bundesagrarministerin Aigner in Interviews gesagt hat: Niedersachsen ist auf dem richtigen Weg. So muss man das mit den gebührenfinanzierten Kontrollen machen.
Auch Herr Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern will diesen Weg gehen. Ich glaube, dass auch die Opposition diesen Paradigmenwechsel hin zu mehr Verbraucherschutz unterstützen sollte.
Neben dieser Verbesserung im Verbraucherschutz wollen wir auch die bäuerliche Landwirtschaft stärken, die über 40 000 bäuerlichen Familienbetriebe, und nicht den Kurs des Wachsens oder Weichens, des Höfesterbens und des Arbeitsplatzverlustes der Vorgängerregierung fortsetzen. Auch eine Politik, die auf den weiteren Zubau großer Massentierhaltungsanlagen setzt, wird abgelehnt. Wir wollen Qualität und Nachhaltigkeit sowohl im ökologischen als auch im konventionellen Bereich stärken, weil wir meinen, dass damit ein besserer Schutz der Verbraucher vor diesen Skandalen gewährleistet wird.
Sie haben es mitbekommen: Wir haben gestern den Ökolandbau bei der Förderung vom Schlusslicht zum Spitzenreiter gemacht, und wir werden auch für konventionelle Betriebe die Anreize, nachhaltiger zu produzieren, deutlich erhöhen.
Ich würde mich freuen, wenn das gesamte Haus diese sanfte Agrarwende, die die Landesregierung für mehr Akzeptanz und Vertrauen der Verbraucher für die aus Niedersachsen hergestellten Lebensmittel einleitet, unterstützen und konstruktiv begleiten würde.
c) Normalität statt „schrille Minderheit“ - Ehe auch für Homosexuelle - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/44
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor etwas mehr als elf Jahren, am 1. August 2001, trat unter der rot-grünen Bundesregierung das Gesetz über gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in Kraft. Damals war das ein großer Fortschritt, den SPD und Grüne gegen den teils erbitterten Widerstand der Konservativen
in diesem Land, der CDU, aber, meine Damen und Herren, auch gegen den Widerstand der FDP erkämpfen mussten.
Im Anschluss an die Verabschiedung des Gesetzes marschierten die unionsregierten Länder Sachsen, Thüringen und Bayern nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht - und scheiterten. Das war die erste Niederlage bei dem Versuch der Konservativen, den gesellschaftlichen und rechtlichen Fortschritt, die Gleichberechtigung unterschiedlicher geschlechtlicher Identitäten, aufzuhalten.
Nach ein paar Jahren, 2009, ging es mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur betrieblichen Hinterbliebenenrente weiter. Dem folgten bis zum heutigen Tage nicht weniger als vier weitere Beschlüsse und Urteile des höchsten deutschen Gerichts, die allesamt in eine Richtung weisen: Wer Ehe und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft unterschiedlich behandeln will, der braucht dafür einen guten Grund.
Diesen Grund, meine Damen und Herren, gab es in den vorliegenden Fällen nicht. Jeder, der auch nur ein bisschen von Verfassungsrechtsprechung versteht, kann absehen, dass es einen solchen Grund auch beim Ehegattensplitting nicht gibt und dass damit im Sommer zum sechsten Mal den Konservativen bescheinigt werden wird, dass ihre Haltung und Auffassung nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar sind.
Die gegenwärtige Rechtslage ist in Bezug auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften höchst widersprüchlich. Beim Arbeitslosengeld II werden sie zu gegenseitigem Beistand und Unterhalt herangezogen; ein entsprechender Vorteil beim Ehegattensplitting wird ihnen hingegen verwehrt. Sukzessiv- und Stiefkindadoptionen sind zulässig, die Volladoption bleibt verboten.
Meine Damen und Herren, auch diese letzten Bastionen konservativer Ausgrenzungspolitik werden fallen. Deshalb ist die logische Konsequenz genau die, die die rot-grün-regierten Länder RheinlandPfalz und Hamburg gezogen haben und im Bundesrat voranbringen werden, nämlich die vollständige Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Ich bin stolz darauf, dass die Niedersächsische Landesregierung unter Stephan
Weil und mit den Ministerinnen Rundt und Niewisch-Lennartz beschlossen hat, sich dieser Initiative zur echten Gleichstellung anzuschließen, meine Damen und Herren.
Noch ein Wort zur Volladoption, weil dieses Thema ja auch den früheren Justizminister und heutigen Landtagspräsidenten sehr umgetrieben hat: Es geht nicht darum, Kinder als Mittel zur Selbstverwirklichung Homosexueller einzusetzen. Es geht nicht darum, Kinder als Hebel zum Abbau von Stigmatisierungen einzusetzen. Das Kindeswohl steht bei Adoptionen im Mittelpunkt, und das wird auch so bleiben.
Aber so, wie es jetzt ist, verhindert die Gesetzeslage eine neutrale Prüfung des Kindeswohls, weil homosexuelle Paare von vornherein und vollständig von der Adoption ausgeschlossen sind - und das, obwohl gleichzeitig viele Tausend Kinder in diesem Land selbstverständlich in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Die konservative Argumentation gegen die Volladoption sagt doch implizit, dass in all diesen Fällen eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Eine größere Diffamierung sowohl der Eltern als auch der Kinder ist kaum denkbar, meine Damen und Herren.
Es geht hier nicht um eine „schrille Minderheit“, wie Alexander Dobrindt die Homosexuellen beleidigt hat, sondern es geht um die Öffnung der Ehe für alle und damit um die Stärkung der Ehe in diesem Land. Homosexualität schadet doch niemandem! Homosexualität ist doch nicht unnormal! Das war sie im Übrigen auch vor 50 oder 100 Jahren nicht, meine Damen und Herren. Ich bin froh, dass das höchste deutsche Gericht diesen gesellschaftlichen Wandel endlich nachvollzogen hat. Jetzt steht allein noch die CDU dagegen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Limburg, ich danke Ihnen sehr, dass Sie diese Debatte, die für uns als CDU, als große christliche Volkspartei, keine einfache ist, in dieser sehr sachlichen Form geführt haben. Ich habe diese Äußerung von Herrn Dobrindt auch aus der Presse erfahren - ich denke, Sie auch. Ich habe mich sehr gefreut, dass sich Herr Seehofer von diesen Äußerungen deutlich distanziert hat
und sehr klar gesagt hat, dass auch die CSU niemanden diskreditiert, sondern jeder Form der Lebensgemeinschaft und des Zusammenlebens von Menschen mit Achtung und Respekt begegnet. Ich denke, diese Worte waren wichtig und richtig.
Aber wird sind hier ja nicht in München, wir sind hier in Hannover. Sie werden sicherlich zugestehen, dass wir diese Debatte, wenn wir sie führen, in respektvollem Umgang und auch mit durchaus unterschiedlichen Positionen führen. Wir als große christliche Volkspartei sind uns in dieser Frage auch nicht einig.
Wir haben einen Beschluss des Bundesparteitages, der die steuerliche Gleichbehandlung ablehnt. Aber Sie alle haben die Diskussionen verfolgt, die auch im Anschluss weitergegangen sind. Daraus ersehen Sie, wie schwierig für uns als große Volkspartei diese Debatte zu führen ist. Das hängt natürlich für uns auch mit dem Familienbegriff, mit dem Begriff der klassischen Ehe zusammen. Für uns ist die klassische Ehe die Verbindung von Mann und Frau, und für uns ist das Verfassungsgebot des Artikels 6 Abs. 1 Grundgesetz ein eminent wichtiges. Denn auch dort ist normiert, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Diesem Verfassungsgebot fühlen wir uns außerordentlich verpflichtet.