Gleichwohl war ich überrascht, als ich den Antrag gelesen habe, war er doch relativ knapp und substanzlos, auch in der Begründung. Sie haben das jetzt ein bisschen angefettet, wie ich umgangssprachlich einmal sagen will, sodass etwas klarer geworden ist - so auch durch die Pressekampagne der letzten Tage -, worum es geht.
Am Anfang dachte ich, das ist schon wieder eine einfach und schnell formulierte Resolution, wie wir sie auch aus anderen Zusammenhängen kennen. Auf den zweiten Blick wird aber klar, dass es um ein für die Menschen in unserem Land sehr wichtiges Thema geht. Es geht nämlich um den freien Antennenempfang von Fernsehprogrammen, um das sogenannte Jedermannfernsehen oder Überallfernsehen, wie es manchmal auch genannt wird.
Ausgelöst wurde die Diskussion - Herr Nacke hat es geschildert - durch die Ankündigung der RTLGruppe, ab dem 1. Januar 2015 aus dem System DVB-T auszusteigen. Diese Ankündigung war auch Grund dafür, dass schon vielfach politisch Stellung genommen worden ist. Von der damaligen Landesregierung - das ist im Januar passiert, Herr Nacke; Sie waren noch im Amt, wenn ich
mich recht entsinne - kam allerdings kein Wort, keine Stellungnahme. Aber sei’s drum! Wir wollen hier nicht unbedingt Streit erzeugen. Aber es ist schon verwunderlich, dass Sie sich zwei Monate lang Zeit gelassen haben, um dieses Thema hier vorzubringen.
Aber keine Angst, wir werden zu einer vernünftigen Lösung kommen. Rheinland-Pfalz, Bremen und Hessen haben schon Stellung bezogen, zum Teil auch im Landtag. Insoweit bin ich auch bei uns guter Hoffnung.
Meine Damen und Herren, die DVB-T-Technik ist vor ungefähr zehn Jahren eingeführt worden, 2007 endgültig hier in Niedersachsen, gerade auch um eine kostengünstige und verbraucherfreundliche Übertragungstechnik vorzuhalten. Weite Teile in unserem Land haben die Möglichkeit dazu. Insbesondere in den Ballungsräumen wird diese Technik vielfach genutzt, ohne dass für den Verbraucher besondere Gebühren entstehen. Wichtig ist hier vor allen Dingen, dass der Zugang über DVB-T kostenfrei und unverschlüsselt ist.
Die Nutzerzahlen schwanken. Da gibt es die unterschiedlichsten Zahlen. RTL spricht von nur 4,2 %, aber RTL verfolgt natürlich bestimmte Interessen und hat auch nur sein Marktsegment betrachtet. Wir wissen aus verschiedenen Bundesländern, dass die Nutzerzahlen zwischen 12,5 % und 30 % in den Ballungsräumen liegen. In Niedersachsen schwanken sie zwischen 10 % und 12,5 %. Das sind jeweils die Zahlen der Landesmedienanstalten. Diese Nutzerzahlen sind schon Grund genug, dass wir uns hier mit diesem Thema befassen.
Die große Gefahr besteht in der Tat darin - auch dies wurde schon geschildert -, dass nach dem Rückzug der RTL-Gruppe die ProSiebenSat.1Gruppe die Prüfung ihres Engagements angekündigt hat. Es wäre fatal, wenn die Attraktivität von DVB-T durch den Rückzug weiterer Sender aus diesem System leiden würde.
Die Folge wäre, dass die Nutzungskosten für die verbleibenden Sender, insbesondere für die öffentlich-rechtlichen, steigen. Viele Teile der Fernsehnutzer, insbesondere auch viele ältere, die eben nicht per Internet fernsehen, hätten ein immer beschränkteres Angebot oder wären gezwungen, teure Anschlüsse für Kabelfernsehen oder eine eigene Satellitenschüssel anzuschaffen, wobei selbst das nicht jedermann möglich wäre, weil es im Mietwohnungsbau durchaus Beschränkungen gibt, was man überhaupt nutzen darf und nutzen kann.
Also: Es gibt viele Gründe für uns, ernsthaft über dieses Thema zu diskutieren. Wir sollten es vielleicht auch in die Rundfunkkommissionen der Länder bringen, mit dem Ziel, die Weiterentwicklung zu DVB-T2 zu ermöglichen, wie es ja auch Absicht der Länder war, und gleichzeitig an die RTLGruppe appellieren, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.
Meine Damen und Herren, meines Erachtens ist diese unternehmerische Entscheidung - auf die die Politik aber leider nicht sehr viel Einfluss nehmen kann - stark zu kritisieren. Sie wendet sich gegen eine Zukunft für die gebührenfreie terrestrische Ausstrahlung, indem sie die Fortentwicklung hin zu DVB-T2 verhindert. Sie richtet sich gegen die von allen gewollte Meinungsvielfalt im frei verfügbaren Fernsehen. Sie richtet sich gegen die Verbraucher, die seinerzeit entsprechende Geräte angeschafft haben, die 10 bis 50 Euro gekostet haben. Wenn diese weiterhin die Sendervielfalt haben wollen, dann müssen sie auf Satellit oder Kabel umsteigen.
Diese Entscheidung entwertet weiterhin den einzigen Verbreitungsweg, der sich bezüglich der Frequenzen vollständig in der deutschen Regulierung befindet. Alles andere ist europäisch geregelt.
Die Entscheidung hätte - auch darauf will ich ganz vorsichtig hinweisen - möglicherweise selbst für die Kommunen finanzielle Folgen - jedenfalls gibt es kritische Stimmen, die das anmerken -, nämlich dann, wenn bei der Grundversorgung die KdUKosten unter Umständen Folgewirkungen erzeugen.
All das sollten wir gemeinschaftlich im Ausschuss diskutieren. Ich kann mir gut vorstellen - das ist heute ja fast ein Softie-Nachmittag -, dass wir im Interesse der Verbraucher in Niedersachsen zu gemeinsamen Beschlüssen kommen, um das befürchtete Aus für DVB-T zu verhindern und den Weg zu DVB-T2 zu ermöglichen.
Ein deutlicher gemeinsamer Appell, eine deutliche vom ganzen Haus getragene Entschließung am Ende der Beratung im Ausschuss wäre ein gutes Signal und würde in der Medienpolitik erneut ein gutes Zeichen setzen.
Vielen Dank, Herr Kollege Haase. - Für die FDPFraktion erteile ich ihrem Vorsitzenden, dem Kollegen Dürr, das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dann versuche auch ich einmal die Softie-Variante.
(Gerd Ludwig Will [SPD]: Das fällt Ih- nen aber schwer! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Wir sind wirklich ge- spannt!)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will, weil zu Recht gesagt wurde, dass es um das Überallfernsehen und um eine möglichst breite Versorgung geht, zumindest ganz kurz von zu Hause berichten. Ich erinnere mich an heitere Gymnastikabende mit meiner Ehefrau,
als wir versucht haben, die Zimmerantenne so auszurichten, dass wir am Sonntagabend auch den „Tatort“ gucken konnten. Das war nicht zu jedem Zeitpunkt einfach, das will ich deutlich sagen.
Von daher hat es, zumindest was die Verbreitung des Signals betrifft, in unserem Hause schon die eine oder andere Schwierigkeit gegeben.
Der Kollege Nacke hat zu Recht gesagt, dass DVB-T für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein kostengünstiges Medium ist. Gleichwohl ist auch richtig, dass DVB-T nicht unbedingt ein kostengünstiger Übertragungsweg ist. Die ARD gibt im Jahr allein für sich, für ihre Anstalt 60 Millionen Euro aus, um über DVB-T senden zu können. Die Privaten zahlen dies bekanntermaßen nicht aus den Gebühren, sondern aus ihren eigenen Einnahmen. Die Kosten liegen, wenn man DVB-T mit anderen Übertragungsmöglichkeiten vergleicht, pro Kunde und Jahr bei etwa 37 Euro, während es im Kabelnetz nur 3 Euro sind. Das darf man bei der Debatte nicht ganz vergessen.
Wichtig ist auch die Frage, wie sicher die Frequenzen in Zukunft sind und wie sie sicher genutzt werden können. Zurzeit sind die Frequenzen für DVB-T - das ist das 700-MHz-Band - zwar vorläufig gesichert, aber nicht langfristig. Dies scheint mir ein Grund dafür zu sein, warum u. a. ProSieben
Sat.1 schon frühzeitig gesagt hat und die RTLGruppe jetzt sagt: Wir halten uns da ein wenig zurück; denn wir wollen eben nicht in eine Technik investieren, von der wir nicht genau wissen, ob sie morgen noch auf dieser Frequenz senden kann. - Das ist ein Punkt, auf den man vielleicht auch bundespolitisch einmal ganz genau gucken muss.
Bisher nutzen durchschnittlich 12,5 % DVB-T, interessanterweise vor allen Dingen in den Ballungsräumen. Da ist die Gemeinde Ganderkesee - ich habe ja gerade von der Gymnastikstunde berichtet - schon ein bisschen schwieriger dran. In Ballungsräumen liegt der Anteil insgesamt sogar bei 26 %, wobei hinzuzufügen ist, dass viele das Signal auch über ihre Laptops und privaten Computer nutzen.
Zum Teil ist die Programmvielfalt schon heute eingeschränkt. In Niedersachsen sind wir noch ganz gut dran, weil die beiden großen privaten Gruppen genauso wie die Öffentlich-Rechtlichen einspeisen. In Brandenburg beispielsweise haben private Sender noch nie in DVB-T eingespeist. Von daher hat es, jedenfalls bisher, an der Stelle schon einige Stolpersteine gegeben.
Weil der Kollege Nacke und der Kollege Haase das zu Recht angesprochen haben, will ich noch kurz auf die Frage eingehen, wie es dann weitergeht. HD-Fernsehen ist mittlerweile - ich will nicht sagen - Standard; aber zumindest haben die allermeisten Endkunden ein Gerät, das HD-fähig ist. Daher muss man sich Gedanken darüber machen, wie man dann mit DVB-T2 zurande kommt. Aber auch hier darf man nicht vergessen, dass alle Kunden ein neues Endgerät, eine neue Box bräuchten, um die Signale über DVB-T2 in HDQualität empfangen zu können.
Unter dem Strich bleibt: Wir müssen gucken, dass wir bei dem Thema Planungssicherheit hineinkriegen.
Wir müssen aber auch gucken - das Thema Wettbewerb hatten wir gerade schon bei dem Antrag zur Wasserversorgung -, dass bei den Sendernetzbetreibern - zurzeit gibt es das TelekomKonsortium - mehr Wettbewerb hineinkommt.
Denn eine Gefahr - das will ich zum Schluss sagen, Herr Präsident - sehe ich gleichwohl: Es ist ein teurer Übertragungsweg für diejenigen, die einspeisen. Deswegen habe ich ein gewisses Verständnis für die Zurückhaltung der Privaten. Vielleicht sollten wir für mehr Wettbewerb bei den
Vielen Dank, Kollege Dürr. Sie haben sich ja ängstlich umgeguckt, um zu sehen, ob ich wegen der überschrittenen Redezeit eingreife. Aber wir sind ja unendlich großzügig. Da Sie bei den vorherigen Punkten viel eingespart haben, wollte ich Sie nicht unterbrechen.
Es liegt eine weitere Wortmeldung vor, und zwar vom Kollegen Gerald Heere von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Braunschweiger - das vorab - freue ich mich besonders, hier heute über das digitale terrestrische Fernsehen DVB-T sprechen zu dürfen, das ja - wie Sie vielleicht alle wissen - ein niedersächsisches Produkt ist. Es wurde an der TU Braunschweig von Professor Reimers mit entwickelt und wird dort auch weiterentwickelt.
Das digitale Antennenfernsehen hat sich in ganz Deutschland verbreitet und sorgt auf günstigstem Wege für eine einfach zugängliche Medienvielfalt. In Ballungszentren - das wurde eben gesagt - schauen bis zu einem Viertel der Zuschauer über DVB-T fern. In Niedersachsen sind es laut Landesmedienanstalt 500 000 Menschen. DVB-T ist im Vergleich zu Alternativen wie Satellit, Kabel oder - das ist bislang immer vergessen worden - Internetfernsehen, IPTV, das durchaus in wachsendem Umfang genutzt wird, eine der preiswertesten und einfachsten Empfangsmöglichkeiten, über die wir so etwas wie eine mediale Daseinsvorsorge auch in Bezug auf das Fernsehen sicherstellen können.
Als Grüne sind wir für Medienvielfalt, für großflächige Verteilung und einen möglichst barrierearmen und einfachen Zugang. Mit DVB-T wird dies, bezogen auf das Fernsehen, weitgehend erreicht. Insofern ist dessen Erhalt für uns grundsätzlich wünschenswert.
Die Ankündigung der Mediengruppe RTL - die hier mehrfach zitiert wurde -, bis Ende 2014 aus der terrestrischen Verbreitung auszusteigen, ist daher
unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt bedauerlich. Es bleibt zu hoffen, dass dem Beispiel nicht andere folgen - auch dazu wurde einiges gesagt -; denn weitere Austritte können diese Technik mittelfristig infrage stellen.
Die Möglichkeiten für die Politik, hier einzugreifen, sind allerdings beschränkt. Auf ein Privatunternehmen wie RTL und seine unternehmerischen Entscheidungen können und wollen wir keinen Einfluss nehmen. Wir können nur die Technik und die Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks daran sichern. Ob aber DVB-T auch dann noch ausreichend in der Öffentlichkeit akzeptiert wird, wenn da neben den öffentlichen Sendern nur noch Shopping-Sender und Spartenkanäle zu finden sind, ist fraglich.
Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss: Für uns Grüne bleibt es das übergeordnete Ziel, dass Fernsehen auch in der Zukunft kostengünstig, einfach und mit flächendeckender Verbreitung in Niedersachsen empfangen werden kann. Ob dazu auf lange Sicht die Technik DVB-T zu erhalten ist oder im Zeitalter von flächendeckendem Internet nicht schon bald einfachere technische Möglichkeiten entstehen, kann man kaum prognostizieren.
Liebe CDU-Fraktion, wir halten Ihren resolutionsartigen Entschließungsantrag dennoch grundsätzlich für unschädlich. Ob man damit aber wirklich etwas Effektives für die Mediennutzer erreichen kann, bleibt fraglich.
Vielen Dank, Kollege Heere, und Anerkennung dafür, dass Sie am Tag Ihrer ersten Parlamentsrede heute gleich einen Doppelauftritt hingelegt haben.