Protocol of the Session on March 13, 2013

Wenn das Votum in Ihrer Rede bedeuten sollte, dass Sie unserem Antrag zustimmen und wir uns also schon darüber einig sind, dann könnten wir das Thema im Grunde genommen schnell abhaken, weil es eine breite Zustimmung dazu im Plenum gibt. Ich gehe aber davon aus, dass sich möglicherweise eine Ausschussberatung anschließen wird. Insofern versuche ich noch, ein paar Worte zu diesem Thema zu formulieren.

Trinkwasser ist wichtig. Es ist eines der kostbarsten Güter der Welt. Nicht umsonst haben die Vereinten Nationen Wasser zum Menschenrecht erklärt. Ich glaube, wir sollten uns immer wieder klar machen, dass Wasser ein bedeutendes Gut ist. Die Bedeutung des Wassers ist sogar so groß, dass bei jedem Rütteln an der Wasserversorgung hochemotional reagiert wird. Das haben wir ja im Zusammenhang mit der EU-Richtlinie erlebt.

Diese Diskussion hat so viele Leute aufgeschreckt, dass in kürzester Zeit über 1 Million Unterschriften bei der Aktion „right2water“ zusammengekommen sind. Wenn man sich die Überschriften der Pressemeldungen anschaut, dann stellt man fest, dass es dort schon viel Aufregung gab.

Ich möchte aber einen Blick auf den eigentlichen Aufreger werfen, den Verursacher der Diskussion, und zwar die EU-Konzessionsvergaberichtlinie; um die geht es ja.

Das Ziel der Konzessionsvergaberichtlinie der EU ist gar nicht so schlimm, und darin steht auch nicht, dass es um Privatisierung geht. Mit dieser Richtlinie sollen Qualitätsstandards für die Vergabe von Konzessionen gesetzt, Transparenz geschaffen und Korruption bekämpft werden. Es sollen europaweit einheitliche Kriterien und Verfahren der Konzessionsvergabe etabliert werden. Leider gehört zu den Nebenwirkungen dieser Richtlinie - auch in ihrer schon abgemilderten Form -, dass sie in bestimmten Fällen womöglich doch noch zu einer Liberalisierung der Wasserversorgung führt. Und nur darum geht es im Grunde genommen bei dieser ganzen hoch aufgeregten Diskussion.

Diese mögliche Liberalisierung gilt für teilprivatisierte Stadtwerke, die mehr als 20 % ihrer Geschäfte außerhalb der eigenen Stadt betreiben. Diese unterliegen dann bei zukünftigen Verträgen einer Ausschreibungspflicht. Für wie viele Stadtwerke das gelten könnte, ist in den Unterlagen, die ich gefunden habe, nicht ganz klar beziffert. Die Zahlen variieren von 5 bis 400. Wenn es 400 wären, wäre es schon dramatisch, wenn es nur 5 wären, wäre das vielleicht leichter zu regeln.

Für den Wasserbereich gilt, dass ein freier Wettbewerb für die Verbraucher keinen Vorteil hätte. Zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung Warentest. Sie stellt fest, dass die deutsche Wasserversorgung gut und preiswert ist und ein freier Wettbewerb keinen Mehrwert brächte.

Gewinnorientierung verhindert oft Investition in Qualitätssicherung. Das kann so nicht sein, und das wollen wir nicht. Ein Beispiel dafür ist London; der Kollege Bajus hat es genannt. Dort wurde die Wasserversorgung privatisiert. In der Folge stiegen die Preise, das Leitungsnetz wurde nicht gepflegt, Wasser versickerte im Boden. - So geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Beispiel ist Berlin. Dort wurden 49,9 % der Anteile an der Wasserversorgung verkauft. Die Wasserpreise, die die Berliner zahlen mussten, stiegen in gewaltige Höhen. Die Firmen, die das gekauft haben, sollen Milliarden kassiert haben. - Das, meine Damen und Herren, wollen wir auch nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es sind sicherlich diese Negativbeispiele, die zu dem allgemeinen Aufschrei gegenüber der

EU-Richtlinie geführt haben. Bürger empfinden ein tiefes Misstrauen gegenüber jedweder Privatisierungsbestrebung - und ich finde, das ist auch sehr vernünftig von ihnen.

Aber, meine Damen und Herren, drei Dinge laufen gut.

Erstens. Wir haben hier einen wichtigen und guten Antrag vorgelegt. Wir kümmern uns um eine qualitativ gute und sichere Wasserversorgung. Und wenn Sie da mitmachen, umso besser.

Zweitens. Wir haben eine Landesregierung, die in diesem Sinne alles richtig gemacht hat. Bei allen anderen Themen auch, aber jetzt reden wir ja über das Wasser.

Drittens. Wir haben einen breiten Konsens, dass die gewachsenen guten Strukturen der Wasserversorgung nicht gefährdet werden dürfen.

Ich will dies noch einmal kurz erläutern:

Punkt 1 haben Sie ja schon gesehen, als Sie den Antrag gelesen haben.

Punkt 2 erschließt sich, wenn man in die Bundesratsprotokolle blickt. Ich möchte einen Satz zitieren, der in dem Protokoll der Sitzung vom 1. März 2013 steht:

„Der Bundesrat wiederholt daher seine Forderung aus dem Beschluss vom 30. März 2012, in der Konzessionsvergaberichtlinie ein eindeutiges Signal zu setzen und die Trinkwasserversorgung aus deren Anwendungsbereich auszunehmen.“

Genau das, meine Damen und Herren, sollte nämlich unser Ziel sein: Wir müssen die Wasserversorgung aus der Konzessionsrichtlinie herausnehmen. Der Bundesrat hat das in seiner Sitzung sehr gut gemacht, und dafür können wir den Vertretern im Bundesrat nur unseren herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei dem breiten Konsens, den ich unter Punkt 3 formuliert habe, habe ich die Fraktionen aus dem Landtag gemeint. Ich wollte auch, wie der Kollege Bajus es schon getan hat, den Satz aus dem Parteitagsbeschluss der CDU nennen. Es spricht uns ja aus der Seele, wenn Sie im Interesse der Menschen in Deutschland nicht zulassen wollen, dass die Wasserversorgung hier liberalisiert wird, und dass Sie die Bundesregierung auffordern wollen, das Vorhaben

zu stoppen oder weite Bereichsausnahmen zu erwirken.

Das ist genau das, was wir auch wollen. Es wäre wunderbar, wenn Sie in diesem Sinne alle miteinander zustimmen würden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Sorge ist nur, dass Ihr Gedächtnis dann doch nicht so weit reicht. Diese Sorge ist darin begründet, dass Sie im Bundestag, als das Thema diskutiert wurde, plötzlich doch alles vergessen und die Anträge der Grünen und der SPD einfach abgelehnt haben. Da hätten Sie auch schon einsteigen können, sodass wir bei dem Thema miteinander weitergekommen wären.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wer sitzt denn von uns im Bundestag?)

- Ich nehme an, es wird parteiweit so gesehen und nicht nur von Ihnen hier. Zumindest habe ich das unterstellt.

Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Sie können ja nun hier Farbe bekennen. Sie können hier darlegen, was Ihnen im Interesse der Menschen in Deutschland wirklich wichtig ist. Ich nehme einmal an, wenn man die Rettungsdienste und die Kreditbeschaffung aus der Richtlinie herausnimmt, dann müsste das bei der Wasserversorgung für uns alle möglich sein.

Vielleicht gelingt uns ja das, was in NordrheinWestfalen auch schon der Fall war, nämlich ein gemeinsamer Antrag von CDU, von den Grünen, von SPD, und wir nehmen auch die FDP gerne mit, wenn sie sich dazu aufraffen kann.

Ich danke Ihnen und freue mich auf die Zusammenarbeit im Ausschuss und auf den ganz großen gemeinsamen Antrag, von allen getragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rakow. - Bisher haben alle Rednerinnen und Redner in dieser Debatte, was die Zeit angeht, eine Punktlandung hingelegt. Diese Chance hat jetzt auch Herr Dr. Hocker für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Rakow, zunächst danke ich Ihnen ganz herzlich, dass Sie objektive Ar

gumente in diese Diskussion eingebracht haben. Es geht mitnichten darum, dass hier eine Privatisierung auf den Weg gebracht werden soll, sondern es geht darum, dass bestimmte Standards festgeschrieben werden sollen, nach denen die Kommunen Konzessionen vergeben können. Das ist etwas grundsätzlich anderes.

Ich warne davor, hier mit der Moralkeule der Privatisierung zu kommen. Hier geht es nicht um die Privatisierung, sondern um das Festlegen von Standards.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Auch in Zukunft soll jede Kommune selbst entscheiden können, ob sie die Trinkwasserversorgung selbst sicherstellt oder ob sie dazu ein Unternehmen mit ins Boot nimmt. Das ist richtig so, und so soll es auch in Zukunft bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Aber ich muss Ihnen sagen, dass ich die Angst vor dem Wettbewerb, die aus dem Antrag von SPD und Grünen spricht, auch ein Stück weit entlarvend finde. Wenn es tatsächlich so wäre, dass der Staat alleine besser in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der Bürger zu erkennen und zu befriedigen, dann müssten Sie weite Teile unserer Gesellschaft verstaatlichen. Dann dürfte es z. B. keine private Landwirtschaft mehr geben; denn Sie werden mir zustimmen, dass auch Mehl, Getreide und Brot Grundbedürfnisse befriedigen und von existenzieller Bedeutung sind. Milch, Butter und auch die Mobilität sind Grundbedürfnisse, genau so wie der Hausbau. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte dieses Haus für nicht einig damit, dass man die Befriedigung all dieser Grundbedürfnisse verstaatlichen müsste.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube nicht, dass Wettbewerb ein Prinzip ist, das man nur da anwenden kann, wo es nicht so richtig drauf ankommt, während bei den existenziellen Gütern dann der Staat ran muss. Nein, ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist. Wettbewerb ist das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, das für eine hohe Qualität unserer Produkte und für niedrige Preise sorgt. Das gilt für alle Güter, bei denen es verschiedene potenzielle Anbieter und Nachfrager gibt, und übrigens auch für die Trinkwasserversorgung. Seit mehr als 20 Jahren arbeiten Kommunen und private Dienstleister hier Hand in Hand zusammen. Das ist ein Grund dafür, dass das Trinkwasser in Niedersachsen und in

Deutschland von so einmaliger Qualität ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deswegen ist es richtig, dass die Kommunen auch in Zukunft selbst entscheiden können sollen, ob sie die Trinkwasserversorgung selbst übernehmen oder ob sie private Anbieter mit ins Boot nehmen. Ich kann Sie nur ermutigen: Trauen Sie es Ihren Kommunen doch auch zu, diese Entscheidung weise und richtig zu treffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Für die Landesregierung hat Herr Umweltminister Wenzel das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Winkelmann, am 24. Januar 2013 hat der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments einem Kompromissvorschlag für eine Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen zugestimmt. Sollte es bei diesem Beschluss nach den Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament bleiben, dann müssten die Konzessionsvergaben zukünftig grundsätzlich europaweit ausgeschrieben werden.

Der Wassersektor ist trotz vielfacher Bemühungen ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Der Beschluss sieht zwar vor, dass öffentlich-rechtlich organisierte Betriebe, auch kommunale Eigenbetriebe und Zweckverbände, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind, Betriebe in privater Rechtsform und Kommunalunternehmen jedoch nur, sofern 80 % des Unternehmensumsatzes der vergangenen drei Jahren für den kommunalen Auftraggeber erbracht werden. Das ist bei Verbundunternehmen, die außer mit Wasser auch mit Strom und Gas versorgen, und somit bei typisch organisierten Stadtwerken gerade nicht der Fall. Dies wäre entgegen den Beteuerungen der EU-Kommission, eine nicht hinnehmbare Beschneidung der kommunalen Entscheidungshoheit bei der Wasserversorgung.