Herr Landesvorsitzender der SPD, diese Positionierung ist völlig unglaubwürdig. Wir werfen Ihnen vor,
dass Sie mit Ihrem Verhalten des Abwartens, des Wegduckens und des Lamentierens für die SPD in Niedersachsen in dieser schwierigen Diskussion einen großen moralischen Schaden angerichtet haben. Und wissen Sie was?
Ja, letzter Satz. - Wissen Sie was? Das Problem ist, dass dieser Fall Edathy eine so große politische Tragweite hat, dass man von Ihnen als SPDLandesvorsitzendem und Ministerpräsidenten erwarten muss, dass Sie persönlich und politisch endlich die Verantwortung dafür übernehmen und anfangen, diesen Fall aufzuklären und dafür zu sorgen, dass herauskommt, wer der Informant ist, den Herrn Bartling genannt hat, dass herauskommt, wer von Ihnen wann mit wem gesprochen hat und wann Sie tatsächlich selber informiert worden sind.
Zu Wort gemeldet hat sich jetzt für die SPD-Fraktion Grant Hendrik Tonne. Sie haben das Wort, Herr Tonne.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Thiele, ich will einmal mit dem beginnen, was Sie am Anfang Ihrer Rede ausgeführt haben, nämlich mit der Frage: Wer hat sich eigentlich wie positioniert? Ich halte fest, dass sich am 16. Februar 2014 der für Herrn Sebastian Edathy zuständige Unterbezirk geäußert hat, und zwar wie folgt. Es kommen zwei Absätze vorweg, und dann ist bekannt gegeben worden:
„Neben der strafrechtlichen Betrachtung ist der Vorgang jedoch auch politisch zu bewerten. Für die SPD ist die Achtung der Men
schenwürde eines jeden Einzelnen Grundlage des politischen Handelns. Das Herstellen, Vertreiben und Ankaufen von Nacktbildern mit Minderjährigen ist nicht akzeptabel. Keiner von uns möchte sich vorstellen, seine eigenen Kinder auf derartigen Fotos verkauft zu sehen. Keinem Kind oder Jugendlichen darf so etwas angetan werden.“
Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als ein unmögliches Verhalten, dass erneut versucht wird, ein solches Handeln von Herrn Edathy, das politisch nicht akzeptabel ist,
dazu zu benutzen, um der Landesregierung einen vermeintlichen Skandal in der Frage anzuhängen: Wer hat mit wem kommuniziert? - Sie beschädigen durch dieses Verhalten den eben gerade noch so hoch gehaltenen Rechtsstaat, meine Damen und Herren.
Herr Thümler, ich habe mir noch einmal angeschaut, mit welcher Äußerung Sie auch im Focus vom Montag wiedergegeben werden. Ich hatte bis eben gerade eigentlich noch die Hoffnung, dass Sie einfach falsch wiedergegeben worden sind. Denn auch dort unterstellen Sie, Herr Ministerpräsident Weil interessiere sich durch fehlende Distanzierung nicht für das Schicksal der missbrauchten Kinder.
Damit wird implizit auch behauptet, er billige ein solches Verhalten. Das ist eine ungeheuerliche Entgleisung, wie ich sie schon lange nicht mehr gelesen habe. Ein bisschen mehr Anstand hätte selbst Ihnen gut zu Gesicht gestanden. Sie sind meilenweit weg von Stil und Größe.
Von gleicher Art und Güte sind auch die Anschuldigungen an die Justiz. Wie man sich hier allen Ernstes hinstellen und von einer Justizposse reden kann, obwohl man vom konkreten Vorgang wenig bis keine Ahnung hat - wie übrigens alle anderen
Parlamentarier in diesem Hause auch -, das wird wohl Ihr Geheimnis bleiben. Ihre Kritik an der Staatsanwaltschaft lässt - wie so häufig - jede Sachkunde vermissen. Sie reden von fehlender notwendiger Gründlichkeit und Schnelligkeit. Können Sie uns mal sagen, woher Sie diese Erkenntnisse eigentlich nehmen?
Auf der einen Seite wird nach Auskünften der Staatsanwaltschaft gerufen. Auf der anderen Seite wird die Öffentlichkeitsarbeit kritisiert. Auf der einen Seite wird öffentlich gefragt: Wie kann man ermitteln? Auf der anderen Seite wird ein Entschließungsantrag eingereicht, der schon jetzt alle Konsequenzen ziehen möchte. Wer so handelt, der will verunglimpfen, und der versagt in der Sacharbeit.
Von daher wäre es eigentlich auch angebracht, hier ans Mikrofon zu treten und sich bei der Staatsanwaltschaft zu entschuldigen.
Den vorläufigen Höhepunkt haben Sie jedoch mit der Forderung nach Einsicht in die Ermittlungsakte abgegeben. Ich finde, man muss sich einmal in aller Ruhe und Deutlichkeit klarmachen: Was bedeutet das eigentlich? Sie wollen als Parlamentarier in ein Ermittlungsverfahren hineinfummeln. Das ist eine völlig inakzeptable Vermischung von legislativer und justizieller Arbeit.
Die CDU stellt sich allen Ernstes hier hin und sagt: Was interessiert uns Gewaltenteilung? - Wer so etwas fordert, der will einen anderen Staat, als wir ihn bisher haben. Das muss man auch einmal so deutlich sagen.
Eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakten durch Parlamentarier hat es aus gutem Grund noch nie gegeben. Das Staatswohl nicht zu gefährden, ist Verfassungsauftrag. Eine Einsichtnahme wird es aus meiner Sicht in einem laufenden Verfahren auch nicht geben dürfen.
Die Faktenlage stellt sich bisher wie folgt dar: Wenn jemand über etliche Jahre hinweg Bilder von nackten Kindern, deren rechtliche Bewertung, ob sie strafrechtlich einschlägig sind oder nicht, schwierig und strittig ist, käuflich erwirbt und wenn diese Bilder von einer Firma bezogen werden, die auch harte Kinderpornografie anbietet, und wenn jemand den Kauf offensichtlich auch konspirativ vorbereitet, dann bedeutet das zwar nicht, dass er sich strafbar gemacht hat, aber es genügt, um strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen, ja, es verpflichtet die Staatsanwaltschaft sogar dazu.
Ich sage es Ihnen noch einmal: Wir lassen es nicht zu, das Sie das unakzeptable Verhalten von Sebastian Edathy mit der Niedersächsischen Landesregierung verknüpfen wollen. Sie wollen auf der öffentlichen Aufmerksamkeit bezüglich des Vorgangs Edathy aufsetzen und das eigene kleine Skandalsüppchen quasi als Amtshilfe für Berlin kochen. Das Fazit nach den gehaltenen Reden ist für mich klar: Reden Sie nie wieder von verantwortungsvoller Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes Niedersachsen. Sie haben sich selber disqualifiziert.
Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Helge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen. Herr Limburg, bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einem demokratischen Rechtsstaat gehören die Gewaltenteilung und die demokratische Legitimation aller staatlichen Gewalt. Es gehören Gerichte in ihrer richterlichen Unabhängigkeit dazu, aber auch Staatsanwaltschaften, die zwar organisatorisch in letzter Konsequenz dem Justizministerium unterstehen, die aber nach aller Erfahrung und Praxis am besten unabhängig von politischen Einflüssen arbeiten, so wie hier in Niedersachen unter Rot-Grün.
Zu einem demokratischen Rechtsstaat gehören natürlich auch eine Regierung und ein Parlament, das das alles kontrolliert, und dazu gehört das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in diesen
Rechtsstaat und seine Verfahren. Niedersachsen ist ein demokratischer Rechtsstaat. Umso bedauerlicher ist es, dass in den letzten Wochen sehr viel Vertrauen in die Justiz, aber auch in die Politik verloren gegangen ist, meine Damen und Herren. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, ist nun Aufgabe aller Beteiligten. Die Staatsanwaltschaft Hannover ist gefordert, ihre Ermittlungen auch weiterhin, auch in Zukunft, ohne Ansehen oder Status der betroffenen Personen rein an objektiven Kriterien auszurichten und durchzuführen, meine Damen und Herren.
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle ist gefordert, die Prüfung der Dienstaufsichtsbeschwerden sorgfältig und besonnen durchzuführen. Das Niedersächsische Justizministerium schließlich muss den beiden Behörden möglichst gute Arbeitsbedingungen garantieren, muss eingreifen, falls sich gravierende Fehlentwicklungen zeigen sollten, ist aber ansonsten sehr, sehr gut beraten, sich aus der konkreten Arbeit der Anklagebehörde herauszuhalten. Die Frau Justizministerin hat das vorhin eindrucksvoll ausgeführt. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, diese drei Stellen tun ihr jeweils Möglichstes, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, und ich bin ihnen dankbar dafür.
Befremdlich mutet hingegen das Gebaren der Landtagsopposition, insbesondere der CDU, an. Um das klarzustellen: Selbstverständlich müssen sich Gerichte und auch Staatsanwaltschaften öffentlicher Kritik und demokratischer Kontrolle stellen. Aber das, was Sie hier machen, ist beispiellos. Sie haben Einsicht in Ermittlungsakten gefordert. Sie wissen vermutlich selbst, dass das rechtlich nicht möglich ist; die Justizministerin hat das vorhin ausgeführt. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass die Landesregierung, wie angekündigt, Ihnen diese Akteneinsicht verwehren muss. Für diesen Fall, Herr Thümler, haben Sie wahrscheinlich längst eine Pressemitteilung vorbereitet, in der Sie der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft Vertuschung vorwerfen, weil sie die Akten nicht herausgeben. Das scheint mir die eigentliche Motivation für Ihr Vorgehen zu sein, Herr Kollege.
Schließlich haben Sie, Herr Thümler, allein auf der Grundlage von Presseberichten gefordert, der Fall müsse einer anderen Staatsanwaltschaft zugewie
sen werden. Das Prüfverfahren der Generalstaatsanwaltschaft läuft; Sie aber haben Ihr Urteil schon gefällt.