Protocol of the Session on February 26, 2014

Ein Anfangsverdacht ist Bedingung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Diese Schwelle schützt die Bürgerinnen und Bürger vor Strafverfolgungsmaßnahmen, die nur auf Vermutungen beruhen. Sie ist in unserem Rechtsstaat deswegen

ein wichtiges Gut, und jede Staatsanwältin und jeder Staatsanwalt tut gut daran, diese Schwelle nicht leichtfertig zu überschreiten.

Nachdem 15 weitere Verfahren auf Drängen der Staatsanwaltschaft Hannover dort eingegangen waren - das war am 20. Dezember 2013 -, wurden auch diese Vorgänge überprüft. Das war am 28. Januar 2014 abgeschlossen, und die Staatsanwaltschaft Hannover hat an diesem Tag beschlossen, gegen Herrn Edathy und in den Parallelverfahren Ermittlungsverfahren wegen des Erwerbs und Besitzes von kinderpornografischen Schriften einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft bejahte einen Anfangsverdacht und folgte damit der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main.

Einen Tag später, am 29. Januar 2014, berichtete der Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig erstmals mündlich dem Justizministerium. Am selben Tag erreichte auch mich diese Information.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Kenntnis von der Niederlegung des Bundestagsmandats durch Herrn Edathy erlangt hatte, beantragte sie am Montag, den 10. Februar, mit Erfolg einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und veranlasste am selben Tag die Durchsuchung diverser Räume von Herrn Edathy. An diesem Tag - am 10. Februar 2014 - berichtete mir die Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals schriftlich, und ich veranlasste daraufhin die Information des Ministerpräsidenten. Derzeit werden die Ermittlungen gegen Herrn Edathy weitergeführt. Das sichergestellte Beweismaterial wird ausgewertet. Das Ergebnis ist offen.

Es ist die Aufgabe der Niedersächsischen Landesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die Staatsanwaltschaft Hannover diese wichtige Aufgabe zügig abschließen kann.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass es noch weitere Fragen zu dem Themenkomplex gibt, und ich habe einen großen Respekt vor den Informationsrechten des Niedersächsischen Landtags. Indessen weist die StPO das Informationsrecht aus laufenden Verfahren ausschließlich der ermittelnden Staatsanwaltschaft zu. Ich weiß Sie sicher an meiner Seite, wenn ich sage: Ich respektiere diese rechtsstaatliche Vorgabe, die Voraussetzung für eine wirksame Strafverfolgung ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich lasse mir fortlaufend durch die Generalstaatsanwaltschaft in Celle, die die fachliche Aufsicht

über die Staatsanwaltschaft in Hannover führt, über die Ermittlungen berichten. Diese Ermittlungen geben keinen Anlass einzuschreiten. Ein solches Einschreiten ist die Ultima Ratio für den Fall, dass die Dinge so aus dem Ruder laufen, dass sie auch im Angesicht der Verfassung nicht zu akzeptieren sind. Für ein solches Eingreifen gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte, insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, der Staatsanwaltschaft dieses Verfahren zu entziehen. Völlig zu Recht hat der Deutsche Richterbund das scharf kritisiert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Was wir allerdings brauchen, meine Damen und Herren, ist, dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen kann. Sie hat nämlich nicht nur das Verfahren Edathy, sie hat auch eine Menge anderer Verfahren zum Schutz von Kindern zur Aufgabe. Lassen Sie sie bitte diese Arbeit in Ruhe tun.

Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass die Besprechung zu 2 c damit abgeschlossen ist.

Ich komme aber gleich zu einer Wortmeldung gemäß § 76 unserer Geschäftsordnung. Es ist nach zusätzlicher Redezeit gefragt worden. Dazu stelle ich fest, dass die Geschäftsordnung dies nicht zulässt und nach der geübten Praxis des Hauses und auch nach Vereinbarung im Präsidium in der Aktuellen Stunde zusätzliche Redezeit nur erteilt wird, wenn die Landesregierung ihre Redezeit überzogen hat. Frau Ministerin hat sich sogar unterhalb der fünf Minuten, die ihr zustehen, gehalten. Deswegen gibt es zu diesem Block 2 c keine zusätzliche Redezeit. Das ist Geschäftsordnungsregelung und geübte Praxis des Hauses.

Zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung zum Verlauf der Besprechung im Rahmen der Aktuellen Stunde unter 2 c hat sich der Kollege Grant Hendrik Tonne gemeldet. Das war vorhin der Versprecher. Deswegen bitte ich Herrn Tonne jetzt, das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, da - wir

haben für die Diskussion im Ältestenrat einen kurzen Auszug aus dem Protokoll bekommen - gegen mich persönlich seitens Herrn Thümler der Vorwurf erhoben wird, ich hätte im Rahmen meines Redebeitrages kein Wort des Bedauerns gesagt. Ich möchte hierzu feststellen, dass ich ausgeführt habe, dass nach meiner Einschätzung eine klare Differenzierung strafrechtlich und politisch vorzunehmen ist, dass ich mich selber klar politisch aufgestellt sehe. Ich habe weiter ausgeführt, dass das Verhalten von dem Kollegen Edathy völlig inakzeptabel ist.

Den Anwurf, ich hätte kein Bedauern gegenüber den Opfern geäußert, empfinde ich persönlich als eine ungeheuerliche Beleidigung. Ich bin selber vierfacher Familienvater, und ich lasse mir den Vorwurf, ich würde den Missbrauch von Kindern nicht verurteilen, nicht vorhalten. Ich weise diese infame Unterstellung zurück.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen dann im Rahmen der Aktuellen Stunde zu

d) Und sie haben es alle gewusst! Wird die Affäre Edathy zur Affäre der Niedersächsischen Landesregierung? - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1234

Für die antragstellende Fraktion hat der Abgeordnete Ulf Thiele für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank, Herr Tonne. Ich bin froh, dass Sie gerade etwas deutlicher geworden sind. Ich kann Ihnen aber auch erklären, warum dieses große Fragezeichen von unserer Seite formuliert wird.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Das liegt daran, dass seit Wochen weder aus der SPD-Landtagsfraktion noch vonseiten der SPD Niedersachsen folgender Satz unmissverständlich und klar gesagt wurde, der nach meiner Auffassung hätte heißen müssen: Wir distanzieren uns auf das Schärfste vom moralisch-verwerflichen Verhalten unseres Mitglieds Sebastian Edathy,

und wir fühlen mit den Opfern. - Diesen Satz erwarten wir seit Wochen von Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und er kommt nicht.

Was wir aber gehört und gelesen haben, Herr Ministerpräsident: Sie sind ja auch Vorsitzender der SPD in Niedersachsen. Wir haben schon zur Kenntnis genommen, dass Sie am 17. Februar - zehn Tage nach dem Rücktritt Edathys und drei Tage nach dem Rücktritt von Bundesminister Friedrichs -, als Ihr Freund und SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Thomas Oppermann, im Sperrfeuer der Kritik stand, Herrn Edathy für seine politische Arbeit gelobt und in Ihrer persönlichen Kolumne erklärt haben: Jawohl, er hat gute politische Arbeit geleistet. - Außerdem sind Sie zu dem Vorwurf, es seien geheime Informationen „durchgestochen“ worden, wie folgt zitiert worden: Nach allem, was ich weiß, ist in Niedersachsen alles korrekt behandelt worden.

Herr Ministerpräsident, wir fragen uns, woher Sie das alles wissen wollten, weil vollkommen klar war, dass Sie es gar nicht wissen konnten. Und wenn Sie es nicht wissen konnten, warum haben Sie dann diesen Unsinn in Ihre Kolumne geschrieben?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Am 18. Februar wird der SPD-Landesvorsitzende Weil in Welt-Online mit dem Satz zitiert, er rate allen Beteiligten -Zitat -, die Sache erst einmal sacken zu lassen. - Keine übereilten Schlüsse und auch kein Parteiausschlussverfahren.

Auch in diesem Kontext: Kein einziges Wort der Distanzierung von Herrn Edathy

(Johanne Modder (SPD): Was wollen Sie uns damit sagen?)

und kein Wort des Bedauerns gegenüber den Opfern dieser schlimmen Verbrecher, mit denen Herr Edathy Geschäfte gemacht hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nicht nur wir, sondern auch die Öffentlichkeit, nehmen seit Wochen eine gespaltene SPD wahr. Da ist auf der einen Seite die Bundespartei, die sich distanziert, die ein Parteiausschlussverfahren einleitet, die ganz klare Abgrenzung zu Herrn Edathy sucht, und auf der anderen Seite haben wir eine schweigende und sich wegduckende LandesSPD,

(Zuruf von der SPD. Das ist ja unge- heuerlich!)

die ganz dünnsilbig mit diesem Thema umgeht.

Herr Ministerpräsident, Sie als SPD-Landesvorsitzender haben ein paar Dinge zu erklären.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Der SPD-Landesvorsitzende muss zu dieser Frage endlich einmal Stellung nehmen: Erstens gibt es - Sie müssen einmal die Medien studieren - drei verschiedene Daten, zu denen er angeblich informiert worden sein will.

Zweitens ist es doch die Wahrheit, dass er mitten in den Koalitionsverhandlungen, während sowohl Herr Oppermann als auch Herr Gabriel, als auch Herr Steinmeier und auch ganz viele Ihrer Kollegen hier vor Ort informiert gewesen sein wollen, die Landesbehörden informiert gewesen sein sollen, von diesem Sturm nichts gemerkt und gehört haben will.

Spätestens an einem Punkt ist das völlig unglaubwürdig, und das ist der Punkt,

(Johanne Modder [SPD]: Merkwür- dig!)

an dem man feststellen soll, dass ein SPDLandesvorsitzender sich nicht mit Herrn Oppermann, mit Herrn Gabriel und Herrn Steinmeier im Detail darüber unterhalten haben soll, wer für die Niedersachsen-SPD in den Verhandlungsgruppen sitzt, wer für die Niedersachsen-SPD in Ausschüsse, in Positionen in der Fraktion, in Positionen in der Regierung aufrücken soll? Und das soll einer glauben, dass dieser SPD-Landesvorsitzende in dieser Situation, als es um die Frage ging, ob sein Hoffnungsträger, den er noch mitten im Skandal für seine politische Arbeit gelobt hat, keine Position in Berlin innerhalb dieses ganzen Pakets bekommen soll, nicht die Frage gestellt haben soll: Warum behandelt ihr den eigentlich so schäbig?

(Glocke des Präsidenten)

Warum lasst ihr den fallen? Warum ist Sebastian Edathy bei euch eine Persona non grata?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)