Protocol of the Session on February 26, 2014

Allein die Tatsache, dass die Pläne bezüglich der Anstalt in Aurich so schnell geändert werden mussten, zeigt, wie wenig die praktischen Erfahrungen einbezogen worden sind. Bezüglich der Anstalt in Salinenmoor wird übersehen, dass dem Amtsgericht Celle die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Lüneburg angegliedert ist. Wie wird das neu organisiert? - Zudem gibt es in Salinenmoor eine qualifizierte Suchtberatung, die es nicht in jeder JVA gibt. Wie werden die davon betroffenen Gefangenen wohn

ortnah anders verteilt? - Ende 2012 - auch das wurde eben schon angesprochen - wollte sich der Landtagsabgeordnete der SPD, Herr Brunotte, noch für die Zukunftsperspektiven dieser JVA einsetzen. Wo ist dieser Einsatz heute?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was ist mit den bereits getätigten Investitionen in der JVA Braunschweig? Wieso sind überhaupt diese drei Standorte ausgewählt worden? - Schließlich gehen die Gefangenenzahlen in allen Einrichtungen zurück. Wurde die Möglichkeit geprüft, nur einzelne Hafthäuser zu schließen? Wie wird mit der Tatsache umgegangen, dass sich Gefangenenzahlen zyklisch entwickeln? Will die Justizministerin nur noch Vollzugszentren haben? Wie ist eigentlich das Verhältnis der Haftplätze zu den Hafträumen zu bewerten?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aufgrund der vielen völlig ungeklärten Fragen sollte dieser Reformversuch eingestellt und zunächst ein Dialog mit den Praktikern vor Ort geführt werden, um eine von allen Seiten akzeptierte Lösung zu finden. Insofern drängt auch die Zeit. Daher wird sich die FDP-Fraktion dem Antrag, sofort abzustimmen, selbstverständlich anschließen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir danken Ihnen, Herr Dr. Genthe, auch für Ihre Rede. - Für die SPD-Fraktion hat sich als Nächstes der Kollege Marco Brunotte zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Legislaturperiode von 2008 bis 2013 hat die damalige schwarz-gelbe Landesregierung 13 Anstalten bzw. Abteilungen geschlossen. Wir haben zwei große Neuordnungen der Vollzugslandkarte erlebt. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle - das werde ich im weiteren Verlauf der Rede darstellen - ein Beispiel dafür bekommen haben

(Zuruf: Organisiert!)

- organisiert war das, glaube ich, in den wenigsten Fällen -, wie man mit Beschäftigten gerade nicht kommunizieren sollte.

Am 30. November 2013 gab es in Niedersachsen 6 583 Haftplätze, von denen 4 989 mit Inhaftierten belegt waren. Die Zahl der durchschnittlich beleg

ten Haftplätze im niedersächsischen Vollzug hat sich von 6 275 im Jahr 2008 auf 4 934 im Jahr 2013 reduziert. Die Entscheidung für den Bau der JVA Bremervörde ist im Jahr 2009 abschließend getroffen worden. Man hätte hier also noch ausreichend Möglichkeit gehabt. Ich denke, dass Herr Busemann derjenige ist, der es am besten von uns allen weiß: Man hatte ein Zeitfenster, in dem man durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, sich gegen den Bau dieser Anstalt zu entscheiden und den Privatisierungsirrweg abzusagen. Aber: Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung ist diesen Weg gegangen.

Angesichts der aktuellen Situation möchte ich aus der Braunschweiger Zeitung vom 14. Januar 2014 den Vorsitzenden des VNSB, Uwe Oelkers, zitieren. Der sagte, es gebe einen Leerstand, der Geld koste. Es sei ein Stand erreicht, angesichts dessen gehandelt werden müsse. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir handeln. Wir handeln, indem wir die Chancen, die sich durch die zurückgehende Zahl von Inhaftierten ergeben, nutzen, um den Vollzug grundsätzlich zu optimieren, und - auch das will ich deutlich sagen - indem wir dem Sanierungsstau von 50 Millionen Euro begegnen, der in Niedersachsen vorhanden ist.

Wir haben mit dem Haushalt für dieses Jahr deutlich gemacht, dass wir einen ersten großen Akzent bei der JVA Wolfenbüttel und bei der JA Hameln setzen, in die wir in den nächsten Jahren Millionenbeträge investieren werden.

(Ulrich Watermann [SPD]: Das ist auch gut so!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss schauen, wie viele Finger auf ihn selbst zeigen. In den letzten Jahren unter der schwarz-gelben Landesregierung hat kein Dialog mit den Beschäftigten stattgefunden. Das Parlament wurde über Pressemitteilungen informiert, wenn Schließungen vorgenommen wurden. Ich möchte an die Schließung der JVA in der Gerichtsstraße in Oldenburg erinnern, wo selbst die Bediensteten erst aus der Presse erfahren haben, dass ihre Anstalt geschlossen wird.

Viele dieser Neuordnungen der Vollzugslandkarte sind dem Parlament bzw. dem Unterausschuss erst im Nachgang mitgeteilt worden. Man hat sich erst recht nicht darum bemüht, den Beschäftigten vorab zu vermitteln, was hier stattfindet.

Aufgrund dieser Erfahrungen der letzten Jahre sind die rot-grüne Landesregierung und damit

auch die Justizministerin anders vorgegangen. Wir sind absolut davon überzeugt, dass dieser Weg richtig ist. Ja, es war ein anderer Weg.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ja, es war ein anderer Weg! Es war ein Überraschungsangriff!)

Hier ist über Personalversammlungen informiert worden. Frau Ross-Luttmann, fragen Sie doch einmal Ihren Fraktionskollegen, der dafür gesorgt hat, dass die Presse über die beabsichtigte Schließung der JVA Salinenmoor informiert wurde! Das ist doch von Ihnen in die Presse getragen worden, um hier die Kolleginnen und Kollegen weiter zu verunsichern.

(Beifall bei der SPD - Zuruf: Was?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Wochen ein großes Augenmerk darauf legen, dass die Diskussion über betriebliche Übergänge vernünftig verläuft, dass die Gespräche, die vor Ort in den Anstalten stattfinden, mit einer hohen Sensibilität geführt werden, dass betriebliche Übergänge für Funktionsstellen, Personalentwicklung und Qualifizierung organisiert werden und dass für alle Beschäftigten - sowohl für Beamte als auch für Angestellte und vor allem für Anwärter - vernünftige sozialverträgliche Lösungen gefunden werden. Darauf werden wir sehr achten, und wir vertrauen auch voll darauf, dass das Ministerium an dieser Stelle genau das macht, was im Unterausschuss und im Rechtsausschuss vorgestellt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur JVA Bremervörde möchte ich nicht mehr viel sagen, das ist ausgetauscht. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass wir uns hier in einer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehen, dass wir die Kolleginnen und Kollegen, die eine wertvolle Arbeit leisten, wertschätzen und die Angstmacherei, die CDU und FDP mit ihrem Antrag betreiben, nicht mitmachen. Es wird keinen Personalabbau, wie Sie ihn in Ihrem Antrag suggerieren, geben. Sie spielen hier mit den Ängsten der Beschäftigten im Vollzug, obwohl das Thema durch die Ministerin und den Staatssekretär in der Öffentlichkeit völlig anders dargestellt und abgeräumt wurde.

Wir sehen in der aktuellen Situation eine Chance für den Vollzug. Wir wollen einen dezentralen Vollzug in Niedersachsen erhalten, der qualitative Erweiterungen möglich macht, der die Einzelbele

gung weiter forciert, der aber auch in den Behandlungsangeboten die Chancen nutzt und der auch eine nachhaltige Resozialisierung darstellen kann. Deswegen ist für uns klar, dass die Maßnahmen so, wie sie angekündigt worden sind, vollzogen werden. Das heißt: Die Abteilungen Celle-Salinenmoor und Braunschweig werden geschlossen. Der Zeitplan für die JVA Aurich ist in der Diskussion.

Ich habe an dieser Stelle überhaupt kein Verständnis dafür, dass Sie, die Sie sich die Interessen der Kolleginnen und Kollegen auf die Fahnen schreiben, die Abteilung, die von einer Schließung am ehesten betroffen ist, nämlich die Abteilung Langenhagen, in Ihrem Antrag mit keiner Silbe erwähnen. Die Abteilung Langenhagen ist nämlich im Haushalt mit kw-Vermerken versehen. Deswegen haben wir ein sehr großes Interesse daran, dass für die Abteilung Langenhagen der JVA Hannover eine vernünftige Lösung gefunden wird und dass für die Beschäftigten und für die Kolleginnen und Kollegen gekämpft wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU)

- Das zeigt, dass Sie den Vollzug in Niedersachsen scheinbar nicht ganz so verinnerlicht haben.

Ich will an der Stelle loben, dass sich die Kolleginnen und Kollegen für ihre Standorte eingesetzt haben. Wir haben in der Koalition intensive Diskussionen geführt, aber zum Schluss gilt an der Stelle das große Ganze. Und ich denke, dass wir hier richtig aufgestellt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fühlen uns in dem Informationsfluss, den das Ministerium stattfinden lässt, gut aufgehoben. Wir finden, dass dies ein wichtiges Signal an die Kolleginnen und Kollegen ist. Wir hätten auch damit leben können, den Antrag in den Ausschüssen und in zweiter Lesung im Parlament zu beraten. Wenn es aber Wunsch der Oppositionsfraktionen ist, diesen Antrag schon heute zur Abstimmung zu stellen, dann werden wir dem nachkommen. Sie können sich sicher sein: Unsere Mehrheit steht, weil die Maßnahme richtig ist.

Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Brunotte. - Auf Ihre Rede hin gibt es eine Wortmeldung des Kollegen Adasch von der CDU-Fraktion zu einer Kurzintervention. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brunotte, zu Ihrer Rede drei Punkte. - Ich bin einigermaßen verwundert. Den Standort Aurich haben Sie in Ihrer Rede meines Wissens überhaupt nicht angesprochen, wenn ich es richtig verfolgt habe.

(Johanne Modder [SPD]:Doch! Ein- fach zuhören! - Zuruf von Wiard Sie- bels [SPD])

Dann danken Sie Ihren eigenen Kollegen von der SPD-Fraktion, wenn sie sich für ihre Standorte einsetzen, kritisieren aber die Opposition, wenn sie sich für die Standorte einsetzt. Das müssen Sie einmal erklären.

Zum anderen weise ich ganz entschieden Ihre Behauptung zurück, die Oppositionsfraktionen würden bei den Betroffenen Ängste schüren. Sie müssen sich einmal mit den Betroffenen vor Ort unterhalten, was es bedeutet, wenn man mit A 8 den Berufsstandort wechseln, jeden Tag fahren und unter Umständen Riesenentfernungen absolvieren muss. Diese Ängste sind ja wohl nicht ganz unberechtigt.

Ein Wort noch zum Thema Berichterstattung. Das Ministerium hat die Unruhe geschaffen, indem Tage vorher Personalversammlungen angeordnet wurden, an denen alle teilnehmen mussten. Dass das auch in die Öffentlichkeit gelangt, ist doch wohl ganz selbstverständlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Adasch. - Der Kollege Brunotte möchte von der Möglichkeit der Antwort Gebrauch machen. Sie haben die Gelegenheit für 90 Sekunden. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer in seinen Antrag schreibt, ein Personalabbau widerspreche diesen Zielen, der unterstellt uns, dass wir Personal abbauen wollen. Das widerspricht an dieser Stelle aber komplett aller Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben deutlich gemacht, dass wir diese Maßnahmen nicht für einen Personalabbau nutzen wollen. Wir wollen diese Maßnahmen nutzen, um eine qualitative Steigerung herbeizuführen. Von

daher, Herr Kollege, ist das ein bewusstes Spielen mit Ängsten.

Ich will Ihnen etwas zur Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen im Vollzug sagen. Die ist bei uns sehr hoch angesiedelt. Wir lassen uns nicht von denen leiten, die den Kolleginnen und Kollegen im Vollzug gezeigt haben, was sie von ihnen halten, indem sie ihnen eine teilprivatisierte Anstalt vor die Nase gesetzt und gesagt haben: Wir lassen einen großen Teil dessen, was im Vollzug stattfindet, in Zukunft durch Private und nicht durch Landesbedienstete machen. - Das ist Ihre Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen, die Sie damit deutlich dokumentiert haben.

Wir zeigen: Wir wollen einen Vollzug in staatlicher Hand, wir wollen an den Rahmenbedingungen etwas verändern, und wir wollen vernünftige Übergänge organisieren. Wir vertrauen voll auf die Gespräche, die das Ministerium in den Anstalten auf der Grundlage all dessen führt, was in den Sitzungen des Rechtsausschusses und des Unterausschusses angekündigt wurde.

Zu den Standorten: Ich glaube, ich war mittlerweile in fast allen Anstalten in Niedersachsen. Wir haben viele Gespräche geführt. Ich war mit den Kollegen vor Ort in den Anstalten. Ich finde es richtig, dass man sich erst einmal für seine Wahlkreise engagiert und hier auch die Stimme erhebt. Aber zum Schluss gilt: Es wird gemeinschaftlich gehandelt, und das vollziehen wir hier. Sie brechen ein System auf, das wir bisher nicht hatten. Ich hätte einmal sehen wollen, wie Sie sich in der letzten Legislaturperiode verhalten hätten, wenn wir das Parlament über jede einzelne Schließung einer Abteilung oder einer JVA hätten abstimmen lassen wollen oder wenn jeweils die Heimatanstalten zur Disposition gestanden hätten.

Wir ziehen hier eine klare Kante. Wir haben ein klares Konzept für den Vollzug in Niedersachsen, und das werden wir in den nächsten Monaten auch umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)