Protocol of the Session on February 26, 2014

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich hoffe, die Technik ist jetzt wieder in Ordnung. Herr Kollege Brunotte, Sie hatten recht. Auf unserem Bildschirm war die Uhr stehen geblieben. Deswegen konnte ich in den letzten Sekunden

nicht mehr verfolgen, ob Sie die 90 Sekunden bereits überschritten hatten, aber annähernd.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Belit Onay das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Adasch, das, was Sie hier als lapidar abgetan haben, möchte ich doch noch einmal als erfreuliche Tatsache unterstreichen. Wir haben in Niedersachsen insgesamt viel weniger inhaftierte Menschen. Das ist schon mal eine erfreuliche Tatsache.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist auch ein Verdienst der dort tätigen Bediensteten; denn gerade in diesem Bereich, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat man gute Arbeit geleistet. Wenn die Inhaftierten nicht zurückkommen, sondern resozialisiert werden, dann führt das eben auch zu den tausend freien Plätzen, die wir vorgefunden haben.

Diese tausend freien Plätze führen natürlich zu Handlungsbedarf. Dem kommt das Justizministerium mit einer Neuordnung der Justizvollzugslandkarte nach. Drei Vorschläge hat es gegeben, die schon mehrfach genannt wurden: Salinenmoor, Braunschweig und Aurich. Ich werde Ihnen Bremervörde nicht ersparen können - gestatten Sie mir einen ganz kurzen Exkurs -, denn bei Salinenmoor haben wir einen Sanierungsstau von 8,5 Millionen Euro und bei Braunschweig von 5,5 Millionen Euro. Hinzu kommen die tausend Haftplätze, die übrig sind.

In Bremervörde war es so, dass schon im Monat der Auftragsvergabe eine Überkapazität an Haftplätzen bestand. Die Entwicklung ging bis heute weiter. Gleichzeitig sind über 25 Jahre 12 Millionen Euro jährlich gebunden. Stellen Sie das einmal ins Verhältnis zum Sanierungsstau. Dann wissen Sie, wo der Schuh drückt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das haben wir Schwarz-Gelb, der letzten Landesregierung, zu verdanken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dann noch einmal zum Dialog. Im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen hatten wir die Information erhalten - dort wurde noch einmal ganz deutlich darauf abgestellt -, dass jetzt ein Dialog beginnen soll. Wir wurden zeitgleich mit den Per

sonalräten informiert. Dass das keine Akzeptanzbeschaffungsmaßnahme und kein leeres Versprechen seitens des Justizministeriums war, wird in Aurich deutlich. Ich bedanke mich bei den lokalen und regionalen Abgeordneten noch einmal ganz herzlich für ihre konstruktive Einbringung. Dort hat man die Kritik und die Anregungen aufgenommen und hat die Entscheidung bis zum Sommer verschoben. Das zeigt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dort ein Dialog stattgefunden hat, der auch ernst gemeint war.

Gleichzeitig hat das Ministerium in den Ausschusssitzungen ausdrücklich betont, dass ein ureigenes Interesse daran besteht, die Stellen nicht abzubauen und keinen Personalabbau zu betreiben, sowohl mit Blick auf die Qualität des Vollzugs als auch mit Blick auf die Qualität der Arbeit, die die Bediensteten dort leisten müssen. Gleichzeitig wurde im Ausschuss deutlich, dass eine Deckungslücke zwischen dem Personalbedarf und dem vorhandenen Personal von knapp 5 % besteht. Das dürfte auch Ihnen nicht entgangen sein. Ich glaube, wir haben heute das entsprechende Protokoll auf den Tisch bekommen.

Dazu werden vor Ort gerade Einzelgespräche geführt - auch das wurde im Ausschuss deutlich gesagt -, um eine wunschgemäße bzw. eine wohnortnahe Verwendung zu ermöglichen, um auch Fortbildungen zu ermöglichen. Es gab Gesprächsbedarf, der entstanden ist. In der letzten Woche war auch der Staatssekretär höchstpersönlich noch einmal dort, um dort mit dem Oberbürgermeister und mit verschiedenen Personen zu sprechen.

(Thomas Adasch [CDU]: Wo war die Ministerin?)

Jeder Gesprächsbedarf, der entstanden war, wurde erfüllt und befriedigt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Jetzt kommen Sie mit eben diesem Antrag und torpedieren den verantwortungsvollen Umgang des Justizministeriums mit den Bediensteten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie schüren bewusst Ängste und erzeugen Sorgen bei den Bediensteten vor Ort. Das werden wir natürlich nicht mitmachen. Wir werden diesen Antrag

ablehnen, sehr gerne auch heute bei sofortiger Abstimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Justizministerin NiewischLennartz das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitglieder der CDU-Fraktion, fordern Sie doch jetzt bitte nicht von der Landesregierung einen Dialog über die Anpassung von Haftplatzkapazitäten, den Sie in Ihrer Regierungszeit niemals zu führen bereit waren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist keine zwei Jahre her, dass der Anstaltsleiter von der Schließung der Abteilung Gerichtsstraße in Oldenburg durch eine Pressenachfrage erfuhr. Personalräte und Gewerkschaften haben erst aus den Medien von den Plänen erfahren. Selbst die Fachabteilung des Justizministeriums wurde vom Zeitpunkt der Entscheidung über die Schließung überrascht. 20 Anwärterinnen und Anwärter konnten ihren Dienst nicht wie geplant in Oldenburg antreten, sondern mussten nach Göttingen umziehen, um in der JVA Rosdorf tätig sein zu können. Und Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, Frau Ross-Luttmann, Herr Adasch, haben nicht protestiert, sind nicht zu Solidaritätsbekundungen in die Abteilung Gerichtsstraße gefahren.

Aber es geht nicht nur um die Gerichtsstraße in Oldenburg. 2009: Die Landesregierung schließt die Abteilungen Königslutter, Holzminden, Gifhorn, Peine und Alfeld. 2010: Das Haus 2 der JVA Hannover mit 137 Haftplätzen wird stillgelegt. 2011: Die Abteilung Bückeburg wird geschlossen. 2012: Die Abteilungen Cuxhaven, Achim und Bad Gandersheim werden geschlossen.

(Ulf Thiele [CDU]: Mit Ortstermin!)

Die Bediensteten aus Cuxhaven werden in der 67 km entfernten JVA Bremervörde eingesetzt. 2013: Die CDU-Landesregierung schließt die Abteilung Stade.

Ihren Entscheidungen gingen keine Beratungen in den Ausschüssen, keine Debatten im Landtag, keine Beteiligung der Bediensteten vor Ort und

auch kein Dialog mit den Personalräten und Gewerkschaften voraus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Ulf Thiele [CDU]: Auch Ministerinnen dürfen hier nicht die Unwahrheit sagen, Frau Ministerin!)

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich halte Schließungen in Anbetracht der Entwicklung der Gefangenenzahlen für richtig und als Fundament für eine Reform des Justizvollzuges mit weiteren notwendigen Qualitätsverbesserungen für unabdingbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich begrüße ausdrücklich, dass wir weniger Strafgefangene haben. Das zeigt, dass wir einen guten Strafvollzug haben, auf den wir stolz sein können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Wem haben wir das zu ver- danken?)

Es zeigt, dass der Strafvollzug wirkt und dass die Maßnahmen zur Haftvermeidung greifen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ja! Aber es sind nicht Ihre!)

Im Gegensatz zu Ihnen stehe ich zu dieser Entscheidung. Das sind sehr schwierige Entscheidungen. Ich bin mir der Auswirkungen gerade für die Bediensteten dort sehr wohl bewusst. Und gerade weil ich mir ihrer engagierten Arbeit in den Abteilungen, die jetzt zur Schließung anstehen, sehr wohl bewusst bin,

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Woher wissen Sie das? Sie waren nicht mal da!)

haben wir neben den Anstaltsleitern zuallererst die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und selbstverständlich auch die Personalvertretungen über die Planungen und nicht erst über die Entscheidungen informiert. Wir befragten die Beschäftigten zu ihren Verwendungswünschen nach der Schließung, und wir werden diesen Wünschen, soweit es geht, Rechnung tragen.

Sehr bewusst enthält Ihr Entschließungsantrag keinen Hinweis auf Ihre Verantwortung in der letzten Legislaturperiode für die JVA Bremervörde. Ich muss das doch noch einmal ansprechen. Die Entscheidung im Oktober 2010, diese Anstalt tatsäch

lich zu bauen, war fahrlässig. Zu diesem Zeitpunkt, meine Damen und Herren, war längst absehbar, dass die Gefangenenzahlen über eine längere Zeit kontinuierlich zurückgingen. Im Monat der Auftragsvergabe waren die 7 104 Haftplätze durchschnittlich mit 5 555 Gefangenen belegt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aha!)

Selbst ohne den Bau der JVA Bremervörde und nach allen eben von mir aufgezählten Schließungen, nach dem Abbau von Zellen mit Dreier- und Viererbelegungen und nach dem Ausbau der Einzelunterbringung - eine großzügige 10-prozentige Differenzierungsreserve auch noch abgezogen - wären noch 200 freie Haftplätze verblieben. Der Bau einer neuen JVA in dieser Zeit ist nicht mit einem seriösen und sparsamen Umgang mit Steuergeldern in Einklang zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jedes Jahr, meine Damen und Herren, zahlt das Land dem Betreiber eine Art Leasingrate in Höhe von 12 Millionen Euro, und das 25 Jahre lang. Mit diesem Geld hätten wir die gesamte Justiz sanieren können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe mich gerade in der vorletzten Woche mit allen Anstaltsleitern getroffen - so viel zum Thema Kontakt mit Praktikern. Alle Anstaltsleiter tragen diese Entscheidung mit. Bei der Bereisung der JVA Celle, die in einigen Monaten ansteht, werde ich selbstverständlich auch die Abteilung Salinenmoor besuchen.

(Thomas Adasch [CDU]: Warum sind Sie nicht vorher hingegangen? Das ist Dialog, nach der Entscheidung!)

Meine Damen und Herren, ich schließe mit der Bitte, Oppositionspolitik nicht auf dem Rücken von Bediensteten auszutragen.