Ich möchte betonen: Diese Projekte, die wir heute unterstützen wollen, sind natürlich nur ein Baustein im Gesamtkonzept gegen sexuellen Missbrauch von Kindern. Aber ich glaube, es sind sehr wichtige. Ich freue mich, dass letztendlich auch eine Initiative aus der vorletzten Wahlperiode von unserem sehr geschätzten, leider inzwischen verstorbenen Kollegen Ralf Briese hier aufgegriffen worden ist. Er hat damals schon mit einer Anfrage versucht, dieses Projekt, das ursprünglich aus Berlin kommt, hier in Niedersachsen zu installieren.
Vielleicht noch rückblickend - im Prinzip ist schon sehr viel gesagt worden -: Wir haben hierbei diese zwei Felder, einmal die Arbeit mit dem Dunkelfeld und dann auch die mit dem Hellfeld. Ich denke, gerade die Angebote für die Dunkelfeldpersonen sind ausgesprochen wichtig.
Klar, wir wollen, dass die Krankenkassen die Finanzierung übernehmen, Herr Meyer. Aber das Kernanliegen ist natürlich die Anonymität. Wir hätten diese großen Zahlen derer, die sich freiwillig melden, natürlich nicht, wenn man Gefahr laufen müsste, über die Bekanntgabe des Namens bei der Krankenkasse diese Anonymität irgendwie zu verlieren.
Wir hatten allein bei dem Projekt der MHH in einem Jahr - die Zahlen sind von Dezember 2013 - 596 Kontakte, 317 von Personen aus dem Dunkelfeld, 100 Diagnosen wurden gestellt, und 62 Personen wurde eine Therapie angeboten. Das sind enorme Zahlen. Denn ich glaube, wenn man auf der Straße herumfragen würde, würden die meisten denken: Na ja, wie viele Pädophile gibt es in Niedersachsen? Das kann man vielleicht an zwei Händen abzählen. - Die Schätzungen gehen aber in eine ganz andere Richtung: 1 bis 2 %. Es sind also Tausende, die diese Neigung haben.
Das heißt überhaupt nicht, dass sie alle straffällig werden. Aber der Ansatz zu sagen „Du bist nicht schuld an deiner Neigung, aber du trägst die Verantwortung für dein Verhalten“, ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Ansatz.
Es ist gut, dass die Menschen jetzt einen Ansprechpartner haben, ein Therapieangebot annehmen können, ob medikamentös oder psychiatrisch, und dass der Aspekt der Kinderpornografie - das ist schon angesprochen worden - wirklich in
tensiv bearbeitet wird. Denn die Rückmeldung ist ja ganz häufig: Da kommen Menschen und sagen: Ja, ich habe diese Neigung, ich konsumiere auch Kinderpornografie, aber das ist ja wohl nicht so schlimm, ich werde ja selber nicht straffällig! - Da muss ein Problembewusstsein erweckt und gesagt werden: Nein, mit einer Nachfrage sorgst du für das Angebot, dafür, dass diese Bilder oder Filme entstehen. Das ist nicht in Ordnung, auch daran musst du arbeiten!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Ich habe den Vorrednern nichts hinzuzufügen. Es ist deutlich geworden, weshalb wir es gut finden, dass das Projekt weitergeführt wird.
Ich würde gerne anregen - ich habe jetzt gelernt, dass ich das nicht anregen kann -, dass der Antragsteller den Antrag zur sofortigen Abstimmung stellt.
Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass die antragstellenden Fraktionen mir signalisiert haben, dass sie der Anregung des Kollegen Volker Meyer zustimmen. Das kann ich als Grundlage des jetzt anzuwendenden Verfahrens heranziehen.
Ich stelle erst einmal fest, dass mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und damit die Aussprache in erster Beratung beendet ist.
Wir kommen jetzt - Sie kennen das Prozedere - zu den Klärungen nach § 39 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung, der die Möglichkeit der sofortigen Abstimmung beinhaltet. Ich sage noch einmal - das war eben übereinstimmend festzustellen-, dass alle Fraktionen offensichtlich bereit sind, dem Wunsch auf sofortige Abstimmung zu folgen. Ich muss aber der guten Ordnung halber fragen, ob es trotzdem einen Antrag auf Ausschussüberweisung gibt, der nach § 27 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung von mindestens 30 Mitgliedern unterstützt wird. Wer das so machen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
- Niemand im Haus möchte die Ausschussüberweisung. Herr Kollege Schremmer wollte sich nur am Kopf kratzen; alles klar.
Wer den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 1116 annehmen möchte, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das nicht der Fall. Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag einstimmig direkt beschlossen worden. Herzlichen Dank dafür.
Wie eben schon durch Zwischenruf angekündigt, kommen wir jetzt zum letzten Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den
Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Jugendarbeitslosigkeit in Europa gemeinsam entschlossen bekämpfen! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1117
Zur Einbringung hat sich aus der SPD-Fraktion der Kollege Mustafa Erkan zu Wort gemeldet, dem ich das Wort erteile.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich meine Rede mit einigen Zahlen beginnen - Zahlen, die Ihnen deutlich machen sollen, wie erdrückend das Problem Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist, Zahlen, die Ihnen deutlich machen sollen, wie dringend wir gegen Jugendarbeitslosigkeit kämpfen müssen in ganz Europa, für ganz Europa.
In Europa sind mehr als 6 Millionen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren arbeitslos. 65 % aller griechischen, 57 % aller spanischen Jugendlichen sind ohne Job. In manchen Regionen Griechenlands liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei fast 80 %, in Kroatien bei 52 %, Zypern 43 %, Italien 41 %, Portugal 36 %, Slowakei 31 %.
In Niedersachsen sind wir von solchen Zahlen zum Glück weit entfernt. Im Vergleich zu Griechenland müssen wir das Komma sogar um eine Stelle nach links verschieben: 6,5 % betrug die Quote am Jahresende 2013. Das ist im Vergleich wenig. Aber 13 000 arbeitslose Jugendliche sind 13 000 arbeitslose Jugendliche zu viel.
Jeder arbeitslose Jugendliche ist einer zu viel. Wer Jugendarbeitslosigkeit wirksam bekämpfen will, der muss an folgende Maßnahmen denken: verbesserte Berufsorientierung, Ausbau der Kooperation von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, besondere Angebote für Jugendliche in schwierigen Lebenslagen. Wir in Niedersachsen haben viele Maßnahmen erfolgreich auf den Weg gebracht. Wir werden in unseren Anstrengungen nicht nachlassen.
Auf europäischer Ebene reden wir in anderen Dimensionen. Eine ganze Generation in Krisenländern wie Griechenland, Spanien, Italien und Portugal gilt inzwischen als verloren. Viele junge Menschen sind bestens qualifiziert und stehen trotzdem auf der Straße. Einst waren sie die Hoffnung, die Zukunft ihres Landes. Jetzt haben sie null Hoffnung, null Zukunft. In Spanien werden jugendliche Arbeitslose „Generation Zero“ genannt. Hunderttausende Zeros haben studiert, Fremdsprachen gelernt, sie wollen etwas leisten für ihr Land und für sich, aber sie können und dürfen nicht. Sie sind die sogenannten Kollateralschäden der großen Krise.
Die Wirtschaftskrise hat ganze Regionen in das letzte Jahrhundert zurückkatapultiert. Wenn man als junger Mensch keinen Job findet, werden Zukunftsperspektiven vernichtet. Millionen junger Menschen sind ohne Aussicht, ohne Chance, ohne Mut. Dabei sind die persönlichen Schicksale Betroffener nur ein Teil des Problems. Verpasste Chancen für Jugendliche sind auch verpasste Chancen für ganze Volkswirtschaften.
Eine Studie der Europa-Universität Viadrina hat errechnet, dass die hohe Jugendarbeitslosigkeit die Volkswirtschaften pro Jahr etwa 75 Milliarden Euro kostet. Gleichzeitig führt sie zu Wohlstandsverlusten von fast 227 Milliarden Euro. Deshalb ist die Jugendgarantie eine gute Idee. Sie ist die richtige Idee. Sie muss jetzt nur verbindlich umgesetzt und mit Leben gefüllt werden.
Was ist die Jugendgarantie? - Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren soll garantiert werden, dass sie binnen vier Monaten nach Schulabgang oder Arbeitsplatzverlust eine Beschäftigung oder Ausbildung erhalten. Das ist ein guter Weg, der aber angemessen finanziert werden muss.
Schaut man sich die obigen Zahlen an, muten die 6 Milliarden Euro, die von der EU-Kommission bislang für die Jugendgarantie eingeplant worden sind, wie Realsatire an. Wir haben den Eindruck, dass manche Politiker, vor allem die aus dem sogenannten bürgerlichen Lager, also auch Ihre Parteifreunde in Brüssel, Herr McAllister, den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben.
Ich hoffe, dass sich das nach der Europawahl mit Ihnen ändern wird. Bringen Sie Ihre Parteifreunde endlich auf Spur, Herr Spitzenkandidat!
Herr McAllister, sind Sie eigentlich da? - Ich bin hoffnungsvoll, dass Sie in Brüssel und Straßburg regelmäßiger anwesend sein werden als hier bei uns. Dennoch mag ich mich nicht auf Sie verlassen. Unsere Sozialdemokraten im Europaparlament werden sich bei dieser wichtigen Aufgabe an die Spitze der Bewegung setzen.
Von Niedersachsen aus könnte und müsste der nötige Antrieb kommen, um die Ewiggestrigen, die Neoliberalen und wirtschaftsverliebten Europapolitiker auf Kurs zu bringen.
Man kann dem Markt nicht alles überlassen. Was der Markt regeln kann und will, zeigten die Arbeitslosenzahl vom Beginn meiner Rede.