Protocol of the Session on January 23, 2014

(Beifall)

Dies wird auch durch die aktuellen Ermittlungen gegen einen Rechtsextremisten verdeutlicht, der im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2013 insgesamt sieben Sachbeschädigungen an Parteibüros in Pattensen begangen haben soll.

Meine Damen und Herren, aus all dem wird deutlich: Das Gewaltmonopol des Staates, das wir mindestens seit Max Weber kennen, ist nicht teilbar, und niemand hat das Recht, seine politischen Ansichten, mögen sie - wie auch immer - noch so nachvollziehbar, sympathisch oder auch absto

ßend sein, mit Gewalt zu vertreten, weder mit Gewalt gegen Personen noch mit Gewalt gegen Sachen oder Institutionen.

(Lebhafter Beifall)

Da das Gewaltmonopol des Staates nicht teilbar ist, kann es auch keine Differenzierung in „gute“ oder „schlechte“ Gewalt oder „guten“ oder „schlechten“ Extremismus geben. Nichts davon kann gegen das andere ausgespielt werden. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und dort muss es bleiben. Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen Grundrechte und Bürgerrechte wendet, der muss mit dem energischen und konsequenten Einschreiten der Sicherheitsbehörden rechnen, ganz gleich, von welcher Seite er kommt.

(Lebhafter Beifall - Jens Nacke [CDU]: Sehr gut!)

Da wir uns alle über die Rolle des Gewaltmonopols und über die klare Abgrenzung gegenüber Extremisten und Gewalttätern aller politischen oder sonstigen - auch religiös motivierten - Couleur einig sind, muss auch klar sein, dass wir uns in der Frage, wie wir Extremismus, Terrorismus und Gewalt beurteilen, von dem Prinzip der sorgfältigen Differenzierung und davon leiten lassen, dass man Gleiches gleich und Ungleiches unterschiedlich betrachten muss.

Das gilt dann auch für die Fragen, wie menschenverachtend eine Ideologie, wie menschenverachtend das Vorgehen und wie systematisch es gegenüber Menschen ist, weil sie unterschiedlicher Herkunft sind.

All das sind Fragen, die im Linksterrorismus oder Linksextremismus anders gesehen werden als im Rechtsterrorismus oder Rechtsextremismus. Deswegen gilt es, wie ich finde, sehr wohl auch parlamentarisch und politisch über die Parteigrenzen hinweg - wenn ich das einmal so sagen darf - immer wieder die Reihen zu schließen gegen alle, die, aus welcher Motivation auch immer, unsere Grundordnung und unsere Werte, für die wir gemeinsam einstehen, angreifen.

(Lebhafter Beifall)

Das ist der Auftrag. Das ist die Verpflichtung, der wir uns jeden Tag stellen müssen. Mein Wunsch wäre es, dass wir in den nächsten Jahren abseits dieser Frage, in der wir uns alle einig sind, auch versuchen, uns im Hinblick darauf näher zu kommen, dass wir damit aufhören sollten, das eine

gegen das andere aufzuwiegen oder in Stellung zu bringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Björn Thümler [CDU] und Christian Dürr [FDP])

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Wie bereits in den Vorbemerkungen ausgeführt, geht auf Grund der niedrigen Hemmschwelle zur Gewaltanwendung von Linksextremisten ein gewisses Gewaltpotenzial aus. Bei den Zahlen der linksmotivierten Gewaltdelikte für das Jahr 2013 ist im Vergleich zum Vorjahr mit einem Anstieg zu rechnen. Qualitätsgesicherte Zahlen liegen allerdings noch nicht vor. Gleichzeitig geht die Anzahl der Personen, die der linksextremistischen Szene zugerechnet werden, zurück. Während das linksextremistische Personenpotenzial in Niedersachsen in den Jahren 2011 und 2012 etwa 940 Personen umfasste, gehören diesem derzeit noch knapp 900 Personen an. Im langfristigen Vergleich bleiben sowohl die Anzahl der Straftaten als auch das linksextremistische Personenpotenzial in einer ernstzunehmenden Größenordnung erhalten.

Zu 2 und 3: Sowohl die Polizei als auch der Verfassungsschutz betreiben aktiv eine Reihe von präventiven Maßnahmen gegenüber linksextremistischer Gewalt. So wird der niedersächsische Verfassungsschutz auf Anfrage von Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie der interessierten Öffentlichkeit in Form von Vorträgen über die Entwicklung im Linksextremismus und dessen Bedrohungen informieren.

(Jens Nacke [CDU]: Sehr gut!)

Anders als in den vorherigen Jahren bedarf die Prävention des Verfassungsschutzes im Bereich Linksextremismus einer neuen konzeptionellen Planung. Diese soll künftig schwerpunktmäßig Angebote beinhalten, die auf den ganz speziellen Adressatenkreis in den bekannten Autonomen Zentren in Niedersachsen ausgerichtet sind. So sollen u. a. künftig mit Hilfe von Symposien und Workshops spezielle Aspekte des Linksextremismus einer genaueren differenzierten Betrachtung unterzogen werden.

So überlegen wir - diese Überlegungen sind aber noch nicht abgeschlossen -, noch in diesem Jahr ein Symposium zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, in dem die Wahrnehmung der DDR-Geschichte im Linksextremismus reflektiert

werden soll, sowie ein Symposium zu dem Thema „Antisemitismus im Extremismus“ durchzuführen.

(Jens Nacke [CDU]: Ein vernünftiger Gedanke! - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Eine Broschüre zum aktionsorientierten Linksextremismus befindet sich in Vorbereitung.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit wird durch die Polizei seit Jahren über die Gefahren des Extremismus sensibilisiert und aufgeklärt. Sie wirkt u. a. punktuell durch Prävention an Schulen, durch Mitwirkung an Lehrer- und Pädagogenfortbildungen sowie durch Vortragsveranstaltungen zur politischen Bildung auf die Verhinderung linksextremistischer Straftaten hin. Das LKA Niedersachsen beteiligt sich an bundesweiten Gremien und Arbeitsgruppen zur Erstellung und Umsetzung von Konzepten gegen politisch motivierte Kriminalität, die auch Präventionsprogramme beinhalten. Weiterhin werden durch die Polizei im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten fortlaufend Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt sowie Lagebilder- und Gefährdungsanalysen erstellt.

Sofern die Gefährdungsanalysen bestimmte Gefährdungsstufen erreichen, werden für gefährdete „Objekte“ anlassbezogen auch Schutzmaßnahmen durchgeführt. Hierbei kann es sich auch um Parteibüros, deren Landesgeschäftsstellen sowie Burschenschaftsgebäude handeln. Durch die zuständigen Polizeidienststellen werden anlassbezogen mit Verantwortlichen von gefährdeten Objekten sowie mit gefährdeten Personen Sensibilisierungsgespräche durchgeführt.

Neben den beschriebenen Maßnahmen kommt dem Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden eine zentrale Rolle zu. Nur auf Grundlage eines umfassenden Lagebildes sind die Sicherheitsbehörden wirklich in der Lage, umfangreiche präventive und repressive Maßnahmen zur Verhinderung von Angriffen auf die beschriebenen Einrichtungen und Organisationen durchzuführen.

Daher ist Niedersachsen sowohl durch die Polizei als auch den Verfassungsschutz in dem „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum zur Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität links“ - GETZ-L - des Bundes und der Länder vertreten. Eine entsprechende Kooperation findet in Niedersachsen im „Gemeinsamen Infor

mations- und Analysezentrum Niedersachsen“ - im GIAZ - statt.

Meine Damen und Herren, damit ist die Anfrage durch die Landesregierung beantwortet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Zu einer ersten Zusatzfrage hat sich die Abgeordnete Jahns gemeldet. Bitte sehr!

(Johanne Modder [SPD]: Eigentlich ist alles beantwortet!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass in einem Einsatzbericht zu den Krawallen vom 21. Dezember um die „Rote Flora“ der Vorsitzende der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei, Kevin Komolka, als Augenzeuge auf den Internetseiten der GdP Niedersachsen berichtet:

„Ich habe noch nie solche Zustände gesehen. Kollegen, die körperlich und psychisch am Ende waren, teilweise nur knapp schwersten Verletzungen und Schlimmerem entkommen sind, Angst um ihr Leben haben mussten, die mir schilderten, wie übel es ihnen in den vergangenen Stunden ergangen war. Diese Berichte haben mich zutiefst bewegt und ich hoffe, dass sie diese Erlebnisse schnell verarbeiten können.“,

frage ich die Landesregierung, wie sie diese Aussagen bewertet.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Herr Innenminister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jahns, ich glaube, in der Bewertung dieser Aussagen kann es unter Demokraten nicht wirklich verschiedene Meinungen geben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Sehr richtig!)

Das, was in Hamburg in dieser Art und Weise geschehen ist, ist schlicht nicht in Worte zu fassen. Es war ein Ausbruch sinnloser Gewalt, aus welcher Motivation für die Demonstration heraus auch immer geboren. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keine Entschuldigung. Die Landesregierung und auch ich verurteilen das aufs Schärfste.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Pistorius. - Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich der Kollege Thomas Adasch gemeldet. Herr Adasch, bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir als Einleitung zu meiner Frage einen kleinen Hinweis?

(Zurufe: Nein!)

Bitte fragen!

(Björn Thümler [CDU]: „Vor dem Hin- tergrund“!)

„Vor dem Hintergrund“ kann ich auch sagen.

(Heiterkeit)

Schon besser.

Vor dem Hintergrund, dass der Begriff „Linksextremismus“ nicht von der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, sondern vom Präsidenten des Hamburger Verfassungsschutzes - in Klammern: SPD - stammt, frage ich die Landesregierung: Was gedenkt die Landesregierung gegen die ständige Gewalt von Links in Göttingen konkret zu unternehmen?