Ich will Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aus einem Brief vorlesen, der in der Mitgliederzeitschrift des Landesverbandes Niedersachsen der Deutschen Steuergewerkschaft abgedruckt ist. Er richtet sich an die Frau Kollegin Geuter:
ich bin aufs Äußerste verärgert und enttäuscht. Ich empfinde es als einen Schlag ins Gesicht und einen Mangel an Wertschätzung, dass gerade die Beamten, die dafür sorgen, dass Sie überhaupt Steuern verteilen können, für Ihre ‚Sparexzesse’ herhalten müssen - und das bei gleichzeitig gestiegenen Steuereinnahmen.“
Meine Damen und Herren, das ist erneut nicht sozial gerecht, wie Sie mit den Beamten des Landes umgehen.
Was erwartet man als Bürger von einer Landesregierung? - Dass sie dafür sorgt, dass es den Menschen besser geht, dass sie das Land im besten Sinne des Wortes voranbringt. Das Problem bei
Ihnen ist: Sie bringen nicht das Land voran. Das einzige, was Sie voranbringen, sind die eigenen Genossen in der Landesverwaltung; denn die kommen im Besoldungssystem voran, meine Damen und Herren!
Es gibt bei Ihnen genau zwei Maßeinheiten für das Vorankommen: Besoldungs-Euro und Autobahnkilometer.
Sie bringen einige Leute voran, z. B. Ihre Regionalbeamten; sie bekommen B6 und werden demnächst Tausende Kilometer quer durch Niedersachsen zurücklegen. Da muss dann ein Göttinger Koordinator pendeln, um die Regionalbeamten in Braunschweig und Hildesheim, die auch noch eine Außenstelle in Hannover bekommen sollen, zu koordinieren. Aber zeigen Sie uns doch mal den Niedersachsen, der nicht Regionalbeamter ist, den das voranbringt, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn der Kollege Gerald Heere am 17. Oktober twittert, „Regionalförderung wird grün in Niedersachsen“, dann muss man doch mal fragen: Was hat eine Mutter mit zwei Kindern in Goslar oder Lüchow davon, dass da jetzt was grün wird?
Sie hat ein Interesse daran, dass die Wirtschaftsförderung sinnvoll und unbürokratisch bei ihr vor Ort neue Chancen eröffnet. Sie will ganz bestimmt nicht, dass Sie mit dem Geld Parteispielchen machen und Ihre Genossen versorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auch beim Thema Infrastruktur: Da fahren rotgrüne Abgeordnete auch noch mit „A20 - nein danke!“-Aufklebern durch die Gegend. Da ist doch auch von Zusammenhalt keine Spur! Das ist ja auch klar; denn - ganz ehrlich! - was interessiert die Städter von den Grünen, warum auf dem Land eine Autobahn gebraucht wird, solange die Üstra hier in Hannover am vom Land geförderten Hochbahnsteig hält und einen ins warme Verwaltungsbüro bringt? - Sie haben keine Ahnung von den Bedürfnissen der Menschen im ländlichen Raum!
Dass dort Infrastruktur gebraucht wird, nicht nur, um voranzukommen, sondern auch, um dort Arbeitsplätze hinzubekommen, ist Ihnen völlig fremd! Dieses Land wird regiert von einem Oberbürgermeister, der nur bis zur Endhaltestelle der Üstra denkt, und von seinen grünen Stadteliten. Wo wollen die das Land hinbringen, meine sehr verehrten Damen und Herren?
Was Sie hier machen, das ist doch keine Erneuerung. Das ist ein Rückfall in alte Zeiten, SPDZeiten in den 90ern, als die Sozialdemokratie wie Mehltau über dem Land lag.
Es ist wie damals, frei nach Willy Brandt: Sie wollen nur mehr Bürokratie wagen. Ich sage Ihnen: Es gibt kein Beispiel in der Geschichte dafür, dass mehr Bürokratie zu mehr sozialem Zusammenhalt oder sogar zu Erneuerung geführt hat. Das komplette Gegenteil ist der Fall, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Wer hat Ih- nen denn das aufgeschrieben?)
Sie streichen mit diesem Landeshaushalt allen Lehrern die Altersermäßigung. Allen Gymnasiallehrern drücken Sie Mehrarbeit auf. Sie verweigern allen Landesbeamten eine faire Tarifanpassung. Sie machen 100 Millionen Euro mehr Schulden, als notwendig wären, und stecken das Geld in zusätzliche Stellen. Mit Erneuerung und Zusammenhalt hat all das nichts zu tun; denn, Herr Ministerpräsident, Sie sagen ja selbst, dass bis heute nicht klar ist, was die Regionalbeamten eigentlich machen sollen. Es bleibt nur, dass sie Ihnen die Kommunen vom Hals halten sollen.
Aber, Herr Weil, in Wahrheit nervt Sie doch die tägliche Landespolitik. In Wahrheit nervt Sie doch die Fahrerei übers Land. Und dann noch dieser Landtag. Man sieht ja: Wir stören Sie doch nur beim Aktenlesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle Abgeordneten, auch die von Rot-Grün, sind hierher gekommen und haben sich in den letzten drei Tagen mit viel Herzblut und Engagement eingebracht. Alle Abgeordneten? - Nein. Alle bis auf einen: den Ministerpräsidenten. Und warum sind Sie hier? Weil die Opposition Sie geholt hat. Die HAZ von heute bringt es auf den Punkt: Unfreiwillig im Landtag: Stephan Weil.
Vielen Dank, Herr Dürr. - Meine Damen und Herren, es steht noch die Schlusserklärung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus. Ich erteile der Vorsitzenden, Frau Anja Piel, nunmehr das Wort. Bitte sehr!
Verehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich den Worten meiner Kollegin Hanne Modder anschließen und Ihnen allen für die lebhaften Diskussionen und Auseinandersetzungen der letzten Tage danken. Einen ganz persönlichen Dank möchte ich auch im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal für das Pairing an Sie richten. Ich sende von dieser Stelle aus - ich glaube, in Ihrer aller Namen - gute Wünsche an Julia-Willie Hamburg, die hoffentlich aufgrund dessen, dass sie jetzt Zeit zum Genesen hat, uns im nächsten Jahr wieder bei der Arbeit begleiten wird. Vielen Dank!
Wir hören es wohl, wenn dem einen oder anderen hier im Saal oder auch oben auf der Pressetribüne nach nunmehr fast einem Jahr Rot-Grün schon einmal ein Stoßseufzer entfährt, wie bei Loriot der Satz: „Früher war mehr Lametta.“ Ja, früher war mehr Lametta. Früher war mehr Homestory, mehr Talkshow und mehr Boulevard. Aber - da bin ich ganz ehrlich, und in dieser Frage bin ich tatsächlich bewusst konservativ - ich habe in meinem ersten Jahr hier gelernt, dass ein Landtag, eine
Regierung und eine Opposition dafür gewählt und dafür da sind, Politik für Bürgerinnen und Bürger zu machen, Probleme zu lösen und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger aktiv zu werden.
Ganz ehrlich, ich glaube, das ist Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, in den vergangenen Jahren zuweilen etwas aus dem Blick geraten. Das hat man Ihnen genau deshalb auch mit dem Wahlergebnis im Januar quittiert. Manchmal fragt man sich auch ein bisschen, was aus den Heldinnen und Helden des niedersächsischen Empire geworden ist. Ich denke, es hat mit Ihnen, Herr McAllister - das sage ich auch mit einer Portion Anerkennung -, hier früher wirklich einmal ein anderes Niveau gegeben.
Das wird mit einer der entscheidenden Gründe dafür sein, dass Sie jetzt als Hoffnungsträger Ihr Glück in Europa versuchen wollen. Ich wünsche Ihnen dabei von Herzen viel Erfolg.
In der Tat, es war einmal mehr Lametta. Aber Lametta ist ja vielleicht auch die Politik gewesen, die manchmal für die Vergangenheit gemacht war. Es hat dem Land offenbar mitunter nicht viel genutzt, dass die Studiengebühren und die Blockadehaltung gegen die IGS vielleicht den Eliten geholfen haben, die Sie im Blick hatten, aber dass viele, viele Kinder dabei auf der Strecke geblieben sind.
Glauben Sie wirklich, dass Sie uns, wie Sie in den vergangenen Tagen oft behauptet haben, beibringen müssen, wie man Politik für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes macht? Das kommt mir ein bisschen so vor, als seien Sie mit Ihren Angriffen auf unsere Projekte aus der Zeit gefallen und haben die geänderte Windrichtung einfach nicht bemerkt.
Wie wollen wir in Zukunft in Niedersachsen leben? Wie soll das Land aussehen, das unsere Kinder und Kindeskinder von uns übernehmen?
Das sind die zentralen Fragen, die uns Grüne gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der SPD, in allem leiten, auch bei der Gestaltung dieses Haushalts. Wir haben heute unter Beweis gestellt: Wir stehen auch zu unbequemen Entscheidungen,