Protocol of the Session on December 10, 2013

Es steht also eine Grundsatzentscheidung zwischen zwei „Extrempositionen“ an: einerseits völlige Verstaatlichung der Sozialhilfeverwaltung, andererseits vollständige Kommunalisierung.

Diese sehr wichtige Entscheidung kann nicht in dem Hauruckverfahren getroffen werden, das sich jetzt abzeichnet. Bis März kommenden Jahres ein fertiges Konzept vorlegen? Gut Ding will Weile haben!

Die Landesregierung kann hier auch nicht darauf verweisen, dass eine Arbeitsgruppe aus Land und Kommunen bereits einen Abschlussbericht zu dem Thema „Entlastung der Kommunen bei der Sozialhilfe“ vorgelegt hat. Dieser sehr gute Abschlussbericht enthält überhaupt keine Maßgaben, wie das Ganze politisch-inhaltlich ablaufen soll. Das muss erarbeitet werden. Hier wird zwar zutreffend analysiert, was verbessert werden muss; wir brauchen die Einzelfallsteuerung mit Personenzentrierung der Leistungen und eine Weiterentwicklung des Quotalen Systems. Aber das muss in Ruhe erarbeitet werden - mit den Kommunen, mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege. Wir brauchen also Zeit.

Dann muss die Möglichkeit genutzt werden, die kommunale Verantwortung und Trägerschaft zu stärken. Denn die Kommunen sind unmittelbar am Menschen dran. Daher fordert unser Entschließungsantrag eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit von Land und Kommunen bei der anstehenden Herkulesaufgabe. Im Moment ist die Enttäuschung auf kommunaler Seite darüber, wie das ganze Verfahren abläuft, noch groß.

Jetzt im Vorgriff auf das, was auf uns zukommt, noch eine Bemerkung: Für das künftige Miteinander in Niedersachsen bei der Arbeit für Menschen mit Behinderungen ist, wie Uwe Schwarz schon sagte, sehr wichtig, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eingliederungshilfe nicht unter den

kommenden Diskussionen leidet und dass sie nicht finanztaktischen Überlegungen geopfert wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Heute wird die CDU-Fraktion den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften ablehnen, weil er der erste Schritt in die falsche Richtung ist.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Matthiesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf schon in diesem frühen Stadium der Sitzungswoche darum bitten, die Geräuschkulisse herunterzufahren. Es ist kaum möglich, hier ungestört zu reden respektive ungestört zuzuhören.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratungen fort. Für die Fraktion der SPD hat sich der Abgeordnete Uwe Schwarz gemeldet. Herr Schwarz, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Dr. Matthiesen schon die Revolution vor uns sieht, komme ich jetzt auf den eigentlichen Tagesordnungspunkt zurück. Es geht in der Tat im Wesentlichen um die Durchleitung der Mittel für die Grundsicherung im Alter. Frau Staudte hat schon sehr deutlich darauf hingewiesen.

Warum geht es? - Im Rahmen des Fiskalpaktes zwischen Bund und Ländern hat man sich darauf verständigt, dass der Bund in drei Stufen ab 2012 die Kosten der Grundsicherung übernimmt. 2012 waren es 45 % - für Niedersachsen: 207 Millionen Euro -, 2013 sind es 75 % - für Niedersachsen: 370 Millionen Euro -, und 2014 werden es 100 % sein - Anteil Niedersachsens: 560 Millionen Euro. Diese Gelder werden nach der Vereinbarung an die Kommunen weitergeleitet.

In zehn Bundesländern werden die Gelder komplett weitergeleitet, da es dort keine Unterteilung zwischen örtlichen und überörtlichen Trägern gibt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ganz ge- nau! Das ist der Unterschied!)

Das heißt, dort beteiligen sich die Länder nicht an diesen Ausgaben.

Anders, meine Damen und Herren, in Niedersachsen: Hier werden die Kosten im sogenannten Quotalen System getragen. An diesen Ausgaben ist unser Bundesland gegenwärtig mit 20 % beteiligt. Bei Einführung der Quote betrug das Verhältnis übrigens 50 : 50; jetzt ist es 20 : 80.

Würde das Land 2014 alle Beträge weiterleiten, käme es auch nach unserer Auffassung zu einer Überkompensation. Insofern ist es logisch und folgerichtig, dass an die Kommunen derjenige Anteil weitergeleitet wird, den sie tatsächlich aufgebracht haben. Das heißt, von den 560 Millionen Euro gehen 453 Millionen an die Kommunen; 107 Millionen verbleiben beim Land.

In ihrer Stellungnahme, die wir für die Ausschussberatungen bekommen haben, beklagen die Kommunen diesen Zustand in Wirklichkeit überhaupt nicht, sondern weisen darauf hin, dass es weitere Verwerfungen gibt, weil der Altenplafond nicht ausreichend finanziert ist und weil darüber hinaus die Inklusionskosten in den letzten Jahren nicht ausreichend finanziert wurden. Hier werden also drei Themen verknüpft.

Lieber Max Matthiesen, wenn man sich darüber aufregt, dann muss man auch zur Kenntnis nehmen, wer die Verantwortung für die Probleme beim Altenplafond und bei den Inklusionskosten trägt. Das war garantiert nicht Rot-Grün. Die Probleme sind in Ihrer Amtszeit entstanden, meine Damen und Herren.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Beim Alten- plafond ganz sicher nicht!)

- Ganz sicher schon!

Wie handhaben das die anderen Länder, in denen es eine ähnliche Quotierung wie in Niedersachsen gibt, nämlich Rheinland-Pfalz und das Saarland? - Dort wird genau der gleiche Mechanismus angewandt wie in Niedersachsen. Vielleicht können Sie sich einmal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen im Saarland darüber unterhalten, warum dort das richtig ist, was in Niedersachsen falsch sein soll.

Ich teile Ihre Ansicht, Herr Dr. Matthiesen: Wenn es zu Veränderungen in der Eingliederungshilfe kommt, dann werden das in der Tat deutliche Veränderungen sein. Ich bin mit Ihnen absolut einer Meinung: Diese dürfen nicht zulasten der Betroffenen gehen. - Das ist nämlich die größte Angst, die bei den Betroffenen besteht. Das wäre kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Ich glaube, darin ist sich dieses Haus absolut einig.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Was sagen Sie zur Weiterleitung der Mittel?)

Meine Damen und Herren, die Übernahme der Grundsicherung durch den Bund verändert natürlich auch die Berechnungsgrundlagen für den kommunalen Finanzausgleich. Damit hier keine Nachteile entstehen, hat - wenn ich richtig informiert bin - der Innenausschuss im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden beschlossen, die Veränderungen so auf drei Jahre zu strecken, dass eine entsprechende Abfederung erfolgt. Ich finde, das ist ein fairer Kompromiss und eine faire Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen.

Lassen Sie mich nun noch einmal auf das eingehen, was Frau Staudte gefragt hat.

Ich habe zwischenzeitlich in den Änderungsantrag zum Haushaltsplan geguckt. Es ist schon eine merkwürdige Argumentation, einen Entschließungsantrag einzubringen, der vorsieht, Transferleistungen zu erhöhen, das aber im Haushalt nicht abzusichern. Das ist alles andere als glaubwürdig. Wenn Sie hier schon einen Entschließungsantrag einbringen und zeitgleich Ihren Haushaltsänderungsantrag auf den Tisch legen, Herr Dr. Matthiesen, dann wäre es doch wohl die logische Konsequenz, auch die 107 Millionen Euro abzubilden. Das haben Sie aber nicht getan.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insofern, Herr Dr. Matthiesen, komme ich auf Ihre Formulierung mit den „klebrigen Fingern“ zurück. Vielleicht ist dieser Passus an Ihren klebrigen Fingern hängen geblieben, als Sie Ihren Antrag aufsetzten. Jedenfalls steht er da nicht drin. Ich finde, Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

Wir haben die Mittel hier konsequent entsprechend den Ausgaben aufgeteilt. Das mag nicht schön sein, ist aber folgerichtig. Wenn Sie etwas anderes wollen, dann bilden Sie die 107 Millionen Euro ab!

Sie machen viel Rauch und geben Signale, machen aber im Kern nichts anderes als wir. Das ist natürlich eine tolle Botschaft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Jetzt folgt eine Kurzintervention von Herrn Hilbers, und dann

hat Herr Oetjen das Wort. Bitte sehr, Herr Hilbers! Sie haben 90 Sekunden, wie bekannt.

Herr Kollege Schwarz, Sie sollten den Antrag vernünftig lesen.

Was haben wir in dem Antrag gefordert? - Wir haben gefordert, dass es einen fairen Kompromiss geben muss, also einen Dialog mit den Kommunen darüber, wie das in Niedersachsen ausgestaltet wird.

Natürlich haben wir die Besonderheit des Quotalen Systems, wonach teilweise das Land und teilweise die Kommunen für die Menschen, die von der Grundsicherung betroffen sind, zuständig sind. Aber das ist ja eben der Punkt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ganz genau!)

Sie haben vorher immer etwas ganz anderes erzählt. Ich kann mich noch an die Reden erinnern. Ich kann mich daran erinnern, was in Ihrem Wahlprogramm und in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Da haben Sie doch ständig behauptet, die 107 Millionen Euro müssten weitergeleitet werden. Das haben Sie jetzt definitiv nicht getan, sondern Sie haben das Gegenteil gemacht!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hören Sie doch auf, abzulenken! Gehen Sie doch darauf ein, und sagen Sie, wie Sie es zukünftig machen wollen! Sagen Sie doch, wenn Sie es anders machen wollen!

Sie haben überhaupt nicht geliefert. Wir haben gesagt, wir wollen dort einen Kompromiss finden.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE]: Der nichts kostet!)

Wenn man einen Kompromiss finden will, der irgendwo in der Mitte liegt, kann man dazu nichts veranschlagungsreif abbilden. Das ist völlig klar. Aber das werden wir schon hinkriegen.

(Zurufe von der SPD: Guter Mann!)

Im Übrigen dreht Ihr Finanzminister bei einem der nächsten Tagungsordnungspunkte eine halbe Milliarde Euro aus dem jetzigen Haushalt heraus. Da werden Sie ja wohl in der Lage sein, so etwas im Rahmen des Sozialtitels darzustellen. Sie brauchen das Quotale System nicht zu erhöhen. Sie haben 116 Millionen Euro herausgenommen bei Ihrem Haushaltsentwurf. Sie sollten den Menschen

auch mal sagen, dass da auch etwas ganz anderes möglich ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)