Protocol of the Session on October 30, 2013

Bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg waren sich die neue Landesregierung für das beklagte Land und die Kläger einig: Nein, mit dem neuen Standortauswahlgesetz ist der Rahmenbetriebsplan hinfällig; denn jetzt gilt neues Recht, und alle Standorte sollen gleichbehandelt werden, weil mit § 29 Abs. 2 Satz 1 des Standortauswahlgesetzes die Erkundung beendet wird. Damit braucht man den alten Rahmenbetriebsplan nicht mehr. - Diese Einschätzung teilt im Übrigen auch das Gericht.

Umweltminister Stefan Wenzel hat insofern folgerichtig - auch, um mehr Rechtsklarheit zu schaffen - diesen feststellenden Verwaltungsakt erlassen und den Rahmenbetriebsplan mit dem Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes für erledigt erklärt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

- Genau! Herzlichen Dank für diese Klarstellung!

Doch nun klagt der Bund gegen Niedersachsen, gegen das Land, das in den Verhandlungen um die Endlagersuche immer als Premiumpartner behandelt worden ist. Man muss sich tatsächlich fragen: Warum eigentlich? - Die Erkundung ist doch jetzt eingestellt, und man braucht diesen Rahmenbetriebsplan nicht mehr.

Die Antwort ist eigentlich relativ einfach: Sollte nämlich die Suche nach dem Standortauswahlge

setz aus irgendwelchen Gründen scheitern, sollten also keine neuen Standorte benannt werden können, könnte man ohne Weiteres wieder auf den alten Rahmenbetriebsplan von 1983 mit den schon beschriebenen Mängeln zurückgreifen. Und das ist nicht akzeptabel!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Letztendlich zeigt das auch: Bundesumweltminister Altmaier scheint selber nicht so recht an den Erfolg seiner neuen Suche zu glauben, wenn er sich schon jetzt für den Fall des Scheiterns durch die Klage ein Hintertürchen für Gorleben aufrechterhalten möchte. Die Standorte sind nach dem Standortauswahlgesetz gleich, doch für ihn scheint ein Standort gleicher zu sein - im Orwell’schen Sinn sozusagen. Es reicht nicht, dass wir in Gorleben bereits die Infrastruktur - die Pilot-Konditionierungsanlage, die Schächte, die Strecken, aber auch die vorhandenen Castoren - haben, was faktisch zu einer Benachteiligung führt. Nein, tatsächlich soll auch noch eine alte Rechtsgrundlage in petto gehalten werden.

Das gilt aber nicht nur für den Rahmenbetriebsplan, sondern auch für den sogenannten Planfeststellungsantrag von 1977; er ist noch älter. Einen Planfeststellungsantrag reicht man eigentlich ein, wenn man bereits einen Standort gefunden hat. Insofern die Aufforderung: Bundesumweltminister Altmaier muss endlich auch diesen alten Planfeststellungsantrag zurückziehen!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Viele sagen, dass dieser Klage sowieso nicht so große Chancen einzuräumen sind. Was kann also sonst noch der Hintergrund sein? - Eine andere Variante ist, dass der Bundesumweltminister diese Klage eingereicht hat, um in den laufenden Koalitionsverhandlungen noch ein bisschen mehr Verhandlungsmasse zu haben. Gorleben wäre also wieder der Spielball im politischen Kräftemessen. Ich finde, auch das ist alles andere als in Ordnung.

(Glocke des Präsidenten)

Mir klingen - ich komme zum Schluss - immer noch die Worte in den Ohren, künftig solle die Geologie, nicht die Politik über das geeignete Endlager entscheiden. Ich denke, hier brauchen wir jetzt sofort Konsequenzen. Diese Klage muss zurückgezogen werden. Sonst ist wirklich das letzte Fünkchen Vertrauen in diese Endlagersuche zerstört.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Die nächste Wortmeldung kommt von der Fraktion der CDU. Herr Kollege Bäumer, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten von Ihnen werden das Schachspiel kennen. Was in Sachen Gorleben passiert - auch das Thema der heutigen Aktuellen Stunde -, ist dem, was beim Schach passiert, nicht unähnlich.

Im Rahmen der Diskussion zur Endlagerung radioaktiver Abfälle hatten sich die Fraktionen im Deutschen Bundestag mit großer Mehrheit - SPD und Grüne waren mit dabei - darauf verständigt, die Suche neu zu beginnen und mit einer weißen Landkarte zu starten. Der Standort Gorleben - auch das war Teil der Vereinbarung, Frau Kollegin Staudte - sollte dabei mit im Topf bleiben. Und um im Bild zu bleiben: Man hatte gewissermaßen ein neues Spiel auf einem neuen Brett und eine Spielpause auf dem alten Schachbrett vereinbart.

Zu den rechtlichen Fakten - die habe ich vorhin bei Ihnen vermisst -: Zur untertägigen Erkundung dieses Salzstocks Gorleben hatte das zuständige Landesbergamt dem Bundesamt für Strahlenschutz im Jahre 1983 einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan erteilt. Dieser Rahmenbetriebsplan wurde mehrfach verlängert, zuletzt am 21. September 2010 bis zum 30. September 2020.

Mit Beschluss vom 20. September 2013 - das war der erste Zug auf dem alten Schachbrett - hat das Landesbergamt hier in Niedersachsen die Feststellung verfügt, dass der Rahmenbetriebsplan mit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes unwirksam sei, und hat dann seine Zulassung mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.

Gleichzeitig sind aber weitere Züge erkennbar, und die haben Sie vorhin gar nicht erwähnt. Denn die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans hat eine gewisse Relevanz, weil das Land Niedersachsen und diese Landesregierung auch angekündigt haben, die landesplanerische Festsetzung des Erkundungsstandortes Gorleben, es handele sich um ein Vorranggebiet, im Rahmen der anstehenden Fortschreibung des Landes-Raumordnungsprogramms aufzuheben.

Darüber hinaus, Frau Kollegin Staudte, läuft eine Veränderungssperre in Sachen Gorleben im August 2015 aus. Trotz aller Beteuerungen, dass es sich um eine ergebnisoffene Endlagersuche handelt und dass Gorleben im Topf bleiben soll, kann man hier durchaus den Eindruck gewinnen, dass diese Landesregierung abseits ausgehandelter Kompromisse Fakten schaffen möchte, die mit Ergebnisoffenheit überhaupt nichts zu tun haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Haben Sie einen anderen Standort?)

Meine Damen und Herren, nach Auffassung des BMU besagt das Standortauswahlgesetz in § 29 Abs. 2, dass die Erkundung des Salzstocks Gorleben beendet ist und dass das Erkundungsbergwerk bis zur Standortentscheidung unter Gewährleistung aller rechtlichen Erfordernisse und der notwendigen Erhaltungsmaßnahmen offen gehalten werden muss. Deshalb hat das BMU über das BfS - das Bundesamt für Strahlenschutz - seinerseits einen Zug gemacht und gegen den Aufhebungsbescheid des Landesbergamtes Klage erhoben.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist Gleichbehandlung! Sehr interessant!)

Es kann doch niemand etwas dagegen haben, meine Damen und Herren, wenn die rechtliche Auffassung der einen Seite von der anderen Seite gerichtlich überprüft werden soll. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie das kritisieren. Das muss in diesem Rechtsstaat möglich sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich die in diesem Parlament verbreitete Aufregung nicht verstehen. Denn am Ende werden Richter des Verwaltungsgerichts Lüneburg über diesen Sachverhalt urteilen, und dann wird auch Klarheit herrschen.

Ich finde es merkwürdig, Frau Kollegin Staudte, sich hier über den ersten Zug aufzuregen, wenn man in diesem Spiel schon weitere Züge gemacht und angekündigt hat.

Sie auf der linken Seite des Hauses wollen uns mit dieser Aktuellen Stunde suggerieren, dass die Bundesregierung den Neubeginn der Endlagersuche infrage stellt. Schöner kann man sich nach meiner Auffassung nicht ins Knie schießen.

Heute ist nicht deutlich geworden, dass die Bundesregierung den Neubeginn der Endlagersuche

infrage stellt. Dazu habe ich von Ihnen, Frau Kollegin Staudte, keine belastbaren Fakten gehört. Vielmehr ist deutlich geworden, dass rot-grüne Aussagen über einen Neubeginn der Endlagersuche unter Einbeziehung von Gorleben reine Lippenbekenntnisse sind. Dass das Landesbergamt seine Verfügung zwei Tage vor der Bundestagswahl erlassen hat, spricht Bände.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bäumer. - Ebenfalls zum Punkt 2 a liegt eine Wortmeldung von der Fraktion der SPD, vom Kollege Bosse, vor. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Man traut ja seinen Ohren kaum! Diese hochsensible Frage der Endlagersuche in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Spiel zu vergleichen, sehr geehrter Herr Bäumer, ist doch wohl ein ungeheuerlicher Vorgang an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Zu ungeheuerlichen Vorgän- gen kommen wir nachher noch, Herr Kollege!)

Das niedersächsische Landesbergamt hatte den alten bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan von 1983 vor einigen Wochen aus Gründen der Rechtsklarheit aufgehoben. Nach der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes war der Rahmenbetriebsplan letztlich gegenstandslos geworden. Die Niedersächsische Landesregierung hat hier vernünftig gehandelt und die weitere Erkundung des Salzstockes für nichtig erklärt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war ein Akt der Vernunft, und wir sind Ihnen sehr dankbar dafür, Herr Ministerpräsident Weil und Herr Minister Wenzel.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zuvor hatte im Übrigen - ich bin der Kollegin Staudte sehr dankbar, dass sie das rechtliche Verfahren erläutert hat - das Verwaltungsgericht Lüneburg den alten Rahmenbetriebsplan als gegenstandslos bezeichnet. Mit Ernüchterung muss man nun feststellen: Die Bundesregierung hat am 21. Oktober angekündigt, eine Klage gegen die

Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für das Erkundungsbergwerk einzureichen.

Man fragt sich doch wirklich, meine Damen und Herren: Was soll das? Warum muss unnötig Öl ins Feuer gegossen werden? Warum zertrampelt Peter Altmaier dieses zarte Pflänzchen, das alle Parteien im Bundestag - auch in den Länderkammern - gepflanzt, gehegt und gepflegt haben?

(Björn Thümler [CDU]: Das kann er gar nicht!)

Mit diesem Schritt wird das Vertrauen der Bevölkerung in einen Neubeginn bei der Suche nach einem sicheren Ort für hoch radioaktiven Müll hochgradig gefährdet.

(Björn Thümler [CDU]: Der kann gar nicht trampeln! Der setzt sich drauf! - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

- Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde das gar nicht zum Lachen.

(Björn Thümler [CDU]: Sie haben den Witz nicht verstanden!)

Ich habe überhaupt kein Verständnis für das Vorgehen des Bundesumweltministers. Ein Neubeginn bei der Suche erfordert ein Höchstmaß an Zusammenarbeit, Kooperation und Vertrauen in einen transparenten und vor allen Dingen ergebnisoffenen Prozess. Hier wird doch unnötig Glaubwürdigkeit verspielt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der alte Rahmenbetriebsplan ist durch Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes letzten Endes überflüssig geworden. Diese Bewertung ist auch vom Lüneburger Gericht bestätigt worden.

Was soll bitte schön eine Endlagerkommission, wenn rechtliche Vorentscheidungen Gorleben als Endlagerstandort schon festlegen? - Diese Frage muss man sich stellen.

Man muss sich aber auch noch eine weitere Frage stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wer hat bei diesen Fragen eigentlich das Sagen im Bundesumweltministerium? - Die Atomkraftbefürworter im BMU beherrschen das gesamte Szenario. Das reicht übrigens hoch bis zum Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Gerhard Hennenhöfer. Er ist ein Spitzenfunktionär der Atomindustrie gewesen, und der