Protocol of the Session on October 30, 2013

Man muss sich aber auch noch eine weitere Frage stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wer hat bei diesen Fragen eigentlich das Sagen im Bundesumweltministerium? - Die Atomkraftbefürworter im BMU beherrschen das gesamte Szenario. Das reicht übrigens hoch bis zum Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Gerhard Hennenhöfer. Er ist ein Spitzenfunktionär der Atomindustrie gewesen, und der

damalige Umweltminister Röttgen hat ihn wieder ins Ministerium geholt.

(Ulf Thiele [CDU]: Jetzt kommt wieder die Verschwörungstheorie!)

Das ist schon ein Skandal, den man nicht einmal in einem Politthriller liefern könnte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Gerade wir in Niedersachsen müssen in dieser Frage wachsam sein. Wie kann man denn einen Mann, der von 2004 bis 2009 auch in der Anwaltskanzlei Redecker tätig war und dort u. a. das Helmholtz Zentrum München, das bis zum Jahr 2008 das Atomlager Asse II betrieb, zu seinen Mandanten zählte, dorthin setzen? - Hennenhöfer soll nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau dem Asse-Betreiber zu einer zurückhaltenden Informationsstrategie gegenüber der Öffentlichkeit geraten haben, als dieser wegen Wassereinbrüchen in das Atomlager in die Kritik geriet. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich nach der Frankfurter Rundschau einen Vermerk aus Hennenhöfers Feder zitieren: „Es ist überhaupt nichts davon zu halten, die ‚Asse-Begleitgruppe’ fortlaufend zu unterrichten.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer bereits vor einigen Jahren mit gezinkten Karten gespielt hat, ist doch in der Situation, die vor uns steht, völlig fehl am Platz.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

All diese Punkte - machen wir uns nichts vor! - gehen über den Schreibtisch von Gerald Hennenhöfer.

Peter Altmaier spricht von Klarheit und Transparenz. Das scheint aber bei Herrn Hennenhöfer noch nicht angekommen zu sein. Oder wackelt möglicherweise in diesem Haus der Schwanz mit dem Hund?

Ein Personalwechsel ist letzten Endes unumgänglich, und der Einspruch des BMU ist unverzüglich zurückzuziehen. Nur so kann Peter Altmaier wieder Vertrauen herstellen. Im Sinne Niedersachsens und vor allem mit Blick auf die Energiewende gibt es letzten Endes keinen Zweifel mehr daran, dass wir ein Energieministerium brauchen. Dort muss auch die bundesweite Atommüllendlagersuche vernünftig koordiniert werden. Denn das wird eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Bosse. - Herr Umweltminister Wenzel, bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

(Jens Nacke [CDU]: Jetzt aber nicht noch eine Verschwörungstheorie!)

- Herr Nacke!

(Björn Thümler [CDU]: Guten Morgen, Herr Wenzel!)

Sehr geehrter Herr Bäumer, vor gerade drei Monaten haben sich der Bund und die Länder mit dem Standortauswahlgesetz auf eine historische Einigung verständigen können, die in § 29 Abs. 2 Satz 1 ihre gesetzliche Bestimmung gefunden hat. Ich zitiere: „Die bergmännische Erkundung des Salzstocks Gorleben wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet.“

Eine solche Regelung bedarf eigentlich keiner Interpretation oder Auslegung. Sie ist ihrem Inhalt nach selbstvollziehend.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat jüngst in einem einvernehmlich beendeten Klageverfahren die Zulassung des Rahmenbetriebsplans zur Erkundung von Gorleben für gegenstandslos erklärt. Es hat damit den Behörden für das weitere Verwaltungshandeln eine Richtschnur gegeben.

Bei dieser Sachlage ist es nur konsequent, dass das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie seine am 21. September 2010 bis zum 30. September 2020 verlängerte Zulassung des Rahmenbetriebsplans am 20. September 2013 durch Feststellungsverfügung aufgehoben hat. Das war schon aus Gründen der Rechtsklarheit erforderlich

Meine Damen und Herren, damit ist unmissverständlich klar: Es gibt keinen rechtlichen Raum mehr für eine Fortführung des aufgehobenen Rahmenbetriebsplans. Selbst für eine mögliche Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten wäre die alte Zulassung nicht mehr von Nutzen. Gemäß § 29 Abs. 2 des Standortauswahlgesetzes dürfen Maßnahmen, die der Standortauswahl dienen, nur noch nach dem Standortauswahlgesetz und dem

jeweils vorgesehenen Verfahrensschritt des Standortauswahlverfahrens durchgeführt werden. Für die Erkundung nach Bergrecht bleibt da kein Raum mehr.

Der gegenwärtige sogenannte Offenhaltungsbetrieb von Gorleben auf der Grundlage des Bergrechts, seine Art und Durchführung müssen jetzt vom Bund unverzüglich geklärt werden. Ich höre, der neue Hauptbetriebsplan ist im Entwurf auf dem Weg. Die Niedersächsische Landesregierung ist dabei der Auffassung, dass in einem Offenhaltungsbetrieb nur noch diejenigen Maßnahmen zulässig sind, die zur Erhaltung der bergtechnischen Sicherheit unbedingt erforderlich sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch das ist im Standortauswahlgesetz so vorgesehen.

Bereits im Mai dieses Jahres hatte mein Haus beim Bundesumweltministerium angeregt, unter Beteiligung des BfS und der niedersächsischen Bergbehörde nach gemeinsamen Lösungen für das Bergwerk zu suchen, die Offenhaltung eindeutig zu definieren und die fachlichen Fragen, die damit verbunden sind, einvernehmlich zu klären, und das im Geiste und im Sinne des Endlagerkonsenses. Das Bundesumweltministerium hat hier bislang keinen weiteren Gesprächsbedarf gesehen.

Es ist aus meiner Sicht völlig unverständlich, auf welcher Rechtsgrundlage und aus welchen Motiven heraus das BMU nunmehr eine Klage gegen die Entscheidung der Bergbehörde - und sei es auch nur zur Fristwahrung - angestrengt hat. Ein solches Handeln stellt meines Erachtens die gemeinsamen Ziele und Absichten der neuen Endlagersuche, die wir hier und im Bundestag am Ende in Form des Gesetzes zum Neubeginn bei der Standortsuche sehr einvernehmlich auf den Weg gebracht haben, infrage und zerstört Vertrauen.

Dieses Vertrauen - das ist das Problem, das ist die zentrale Herausforderung - brauchen wir für den weiteren Prozess. Wenn wir jetzt darangehen, eine Endlagerkommission zu bilden, dann geht es darum, den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik zu erheben, zu prüfen, was man an technischen Vorkehrungen, an gesellschaftspolitischen Vorkehrungen, an Beteiligungsverfahren braucht, um einen solchen Prozess einzuleiten, und alles zu tun, was man braucht, um einen solchen Prozess einzuleiten und wirklich einen Neubeginn zu starten.

Wir wissen: Gorleben ist nicht aus dem Verfahren ausgeklammert worden. - Herr Bäumer, mancher von uns hätte sich da viel mehr Klarheit und Eindeutigkeit gewünscht. Sie wissen, dass das keine einfache Debatte war. Aber die Offenhaltung ist im Gesetz definiert.

Mich irritiert, dass man hier Rückgriff auf alte Rechtsgrundlagen nimmt, die 1983, vor Inkrafttreten der UVP-Richtlinie der EU, entstanden sind und die z. B. keine Bürgerbeteiligung und keine UVP vorsehen. Alle diese alten Dinge sind mit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes obsolet.

Ich hoffe deshalb, dass der Bundesumweltminister hier wirklich nur zur Fristwahrung eine Klage eingereicht hat und dass wir in den kommenden Wochen zu einem Ergebnis kommen, das sicherstellt, dass es wirklich einen Neubeginn gibt und dass es eine Endlagerkommission gibt, die wirklich substanziell an der Sache arbeitet und dazu beiträgt, dass das Vertrauen in einen Neubeginn wachsen kann. Dieses Vertrauen ist eine ganz zarte Pflanze, die noch viele vertrauensbildende Maßnahmen braucht.

Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Wenzel. - Zu Tagesordnungspunkt 2 a hat sich jetzt auch die FDP gemeldet. Herr Dr. Birkner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser gesamte Vorgang ist in einer gewissen Historie zu betrachten. Im Wahlkampf haben wir einen Spitzenkandidaten der SPD - den heutigen Ministerpräsidenten - erlebt, der versprochen hat, dass es eine Endlagersuche in Niedersachsen und bundesweit nur ohne Gorleben geben werde.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was hat Ihre Partei gemacht?)

- Wir haben immer ausdrücklich eine andere Position vertreten und gut begründet. Wir stehen eben zu unseren Positionen und brechen nicht unsere Wahlversprechen, wie es hier die SPD getan hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

In den Koalitionsverhandlungen gab es dann gar keine klaren Aussagen mehr zu Gorleben. Da war man als Beobachter schon etwas irritiert. Als dann die neue Landesregierung gewählt war, ging es in die Verhandlungen zum Standortauswahlgesetz, und plötzlich kam eine neue Endlagersuche unter Einbeziehung von Gorleben heraus.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Ich halte das für richtig. Wir haben von Anfang an dafür gekämpft und halten das nach wie vor für den richtigen Weg. Aber der Ministerpräsident hat im Wahlkampf das komplette Gegenteil gesagt und damit sein Wahlversprechen eindeutig gebrochen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Sagen Sie einmal etwas zum Thema!)

Meine Damen und Herren, dafür hat der Ministerpräsident dann hier eine Regierungserklärung abgegeben und erklärt, was für ein großer Erfolg das Standortauswahlgesetz ist. In der folgenden Diskussion über einen Entschließungsantrag, den wir eingebracht hatten, ist sehr deutlich geworden - ich finde, das ist auch heute wieder deutlich geworden -, dass die Regierungsfraktionen in dieser Frage nicht einer Meinung sind.

Minister Wenzel macht sich jetzt auf den Weg und stellt den gefundenen Kompromiss wieder infrage. Ich vermute, er versucht vor dem Hintergrund des anstehenden Parteitages deutlich zu machen, dass er weiter auf allen Wegen versucht, Gorleben aus der Betrachtung, aus dem Standortauswahlverfahren zu nehmen.

Der Ministerpräsident hält sich jetzt bei dieser ganzen Thematik auffällig zurück, nachdem er sie anfangs doch sehr stark an sich gerissen hat.

Meine Damen und Herren, das können wir Ihnen so nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn zu all dem, was Sie heute thematisieren, fragt man sich: Warum haben Sie das eigentlich nicht in den Verhandlungen zum Standortauswahlgesetz angesprochen? - Da war das kein Gegenstand, obwohl es natürlich hinlänglich bekannt war. Warum haben Sie das nicht in die Verhandlungen mit aufgenommen, sondern machen es im Nachhinein, nachdem man sich in Berlin in einer sehr, sehr großen und kooperativen Zusammenarbeit gemeinsam auf ein entsprechendes Gesetz verständigt hat?

In diesem Gesetz ist ja auch geregelt, wie es mit Gorleben weitergeht. Herr Kollege Bäumer hat schon auf § 29 Abs. 2 hingewiesen, auf den Sie sich ja auch im Hinblick auf die Frage, nach welchem Recht es denn künftig weitergehen soll, beziehen und argumentieren, das Bergrecht sei nicht mehr das richtige Recht. In Absatz 2 steht auch - und das haben Sie eben verschwiegen - in einem weiteren Satz - ich zitiere -:

„Das Erkundungsbergwerk wird bis zu der Standortentscheidung nach dem Standortauswahlgesetz unter Gewährleistung aller rechtlichen Erfordernisse und der notwendigen Erhaltungsarbeiten offen gehalten, sofern der Salzstock Gorleben nicht nach Absatz 1 aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde.“