Protocol of the Session on September 25, 2013

Ferner behaupten Sie einfach schlicht, die Löschung sei erfolgt, um wahrheitsgemäß zu beantworten. - Ich frage Sie: Wissen Sie mehr als wir? Hat Ihnen das Innenministerium weitergehende Informationen gegeben? - Diese Informationen können Sie heute noch nicht valide behaupten. Das muss aufgeklärt werden. Aber das einfach in den Raum zu stellen, ist unseriös und zeigt, dass Ihnen nicht an der Sache gelegen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das sind Verschwörungstheorien!)

Meine Damen und Herren, Herr Innenminister, die Abläufe sind schon bemerkenswert - auch das bedarf noch einer genaueren Betrachtung und Klärung -: Im März - vielleicht auch erst im April - gibt es erste Erkenntnisse im Verfassungsschutz. - Mir ist noch nicht so richtig schlüssig erklärt wor

den, wie man darauf gekommen ist. - Dann wird einfach die Löschung der Daten veranlasst. Und Mitte September kommt es zu einer dringlichen Unterrichtung des zuständigen Ausschusses. Natürlich ist die Erkenntnis, dass hier ein Auskunftsersuchen falsch beantwortet worden ist, hinzugekommen. Aber qualitativ hat sich der Vorwurf dadurch nicht verschärft; denn der eigentliche Skandal ist doch, dass hier überhaupt Daten rechtswidrig erhoben worden sind. Warum informieren Sie dann eine Woche vor einer Landratswahl, eine Woche vor einer Bundestagswahl? - Das ist sehr durchsichtig und lässt auch bei Ihnen an der Glaubwürdigkeit zweifeln.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Kollege Nacke hat es angesprochen: Es gibt auch einen Skandal in dem Skandal, nämlich die Art und Weise, wie der Verfassungsschutz und die Präsidentin mit diesen Umständen, mit diesen Erkenntnissen umgegangen sind.

(Thomas Adasch [CDU]: So ist es!)

Sie haben die Daten einfach gelöscht und gegenüber der Öffentlichkeit behauptet, dass dies unabdingbar gewesen wäre, dass das automatisch notwendig gewesen wäre. Das aber ist nicht zutreffend. Ein Blick in das Gesetz zeigt, dass genau hierfür eine Vorschrift vorhanden ist. Die Regierungsfraktionen haben sich ja schnell bemüht zu sagen: Wir brauchen eine Rechtsänderung. - Das Gesetz sieht aber genau in einem solchen Fall die Möglichkeit vor, die Daten eben nicht zu löschen, um die Betroffenen, deren Daten erhoben worden sind, in die Lage zu versetzen, sich dagegen zu wehren und überhaupt zu wissen, worum es geht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Thomas Adasch [CDU]: Völlig richtig!)

Sie hätten die Daten sperren können, damit den Betroffenen Rechtsschutz ermöglichen können und eine parlamentarische Kontrolle überhaupt erst ermöglichen können. Das haben Sie hiermit uns und auch den Betroffenen abgeschnitten. - Auch das bedarf der Aufklärung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Zukunft des Verfassungsschutzes sagen.

Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung haben sich entschlossen, ein parteipolitisch besetztes Gremium mit fünf Personen einzusetzen,

bei dem die Präsidentin des Verfassungsschutzes eine herausgehobene Stellung einnimmt. Auch das muss man vor den Entwicklungen hier kritisch hinterfragen.

Wir sagen: Das ist der falsche Weg. Wir wollen die Transparenz einfordern, die Sie uns immer versprechen. Wir wollen auch einen breit getragenen Verfassungsschutz haben und werden deshalb als FDP-Fraktion die Einsetzung einer Enquetekommission vorschlagen und Sie um Zustimmung bitten, um breit parlamentarisch darüber zu diskutieren, wie der Verfassungsschutz künftig aufzustellen ist.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Jetzt hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Helge Limburg gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich lange gefragt, wie sich CDU und FDP wohl in dieser Aktuellen Stunde verhalten werden. Das ist ja keine leichte Situation. Acht Monate nachdem Sie durch die Landtagswahl die Regierungsmehrheit und damit u. a. auch das Innenministerium verloren haben, ist ans Licht gekommen, dass es einen schwerwiegenden Verstoß gegen Rechtsvorschriften im niedersächsischen Verfassungsschutz während Ihrer Amtszeit gegeben hat.

(Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt doch nicht! Das war doch viel eher!)

Wie geht man als Fraktion damit um? - Man könnte Selbstkritik üben. Man könnte einräumen, dass vielleicht nicht alles so sauber gewesen ist, wie Sie es in den letzten Jahren dargestellt haben.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ach!)

Man könnte versuchen, konstruktive Vorschläge zu machen. Stattdessen stellt sich der Kollege Nacke hier in einer unglaublichen Dreistigkeit hin und versucht, komplett die Rollen zu vertauschen. - Herr Nacke, der Skandal ist nicht in der Amtszeit von Frau Brandenburger geschehen.

(Björn Thümler [CDU]: Aber sicher!)

Er wird in der Amtszeit von Frau Brandenburger aufgeklärt werden, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Allein schon durch die Tatsache, dass Frau Präsidentin Brandenburger von sich aus proaktiv die Betroffenen, den Ausschuss und die Öffentlichkeit informiert hat,

(Ulf Thiele [CDU]: Daten vernichtet hat!)

was ich in all den Jahren davor unter Schünemann und Schwarz-Gelb nicht einmal erlebt habe, meine Damen und Herren, hat sie einen deutlichen Stilbruch hin zu mehr Transparenz vollzogen,

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch! - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Das ist keine Datentransparenz!)

und ich bin ihr dafür dankbar!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Dr. Birkner, Ihre Rede enthielt ja sehr viele wohltuende, differenzierende Passagen. Aber an einem Punkt möchte ich Ihnen deutlich widersprechen: Es ist qualitativ natürlich noch einmal ein weitaus schwerer wiegender Verstoß, dass nicht nur rechtswidrig gespeichert worden ist, sondern dass offensichtlich erst dann gelöscht worden ist, als von Frau Röpke gefragt worden ist: Was habt ihr eigentlich über mich gespeichert? - Es ist gesagt worden: Wir haben und hatten gar nichts. - Damit hat man Frau Röpke ein wichtiges Grundrechtschutzmittel genommen, eine wichtige bürgerrechtliche Schranke im Verfassungsschutz ausgehebelt. Das darf sich nie wiederholen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Augenscheinlich sind im vorliegenden Fall ausschließlich Journalistinnen und Journalisten aus dem politisch linken Spektrum beobachtet worden. Mindestens zwei sind nur deshalb in das Schema „Linksextrem“ gepresst worden, weil sie sich besonders intensiv mit Rechtsextremismus beschäftigt haben.

(Angelika Jahns [CDU]: Woher wissen Sie das? Das war doch vertraulich!)

Das ist kein Zufall, meine Damen und Herren, sondern das ist klassische Schünemann’sche Denkweise. Wer zu engagiert gegen Rechtsextreme ist, der ist irgendwie das Gegenteil, nämlich ein Linksextremer. Das Gegenteil von Rechtsextremismus ist aber nicht linksextrem, sondern das Gegenteil sind Demokratie und Achtung der Menschenwürde.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es geht hier aber nicht um eine einzelne Person, den früheren Innenminister Schünemann. Die Politik von Uwe Schünemann fand hier zehn Jahre lang immer wieder Applaus und fast uneingeschränkte Unterstützung von CDU- und FDP-Fraktion. Sie von CDU und FDP kritisieren jetzt, dass zu spät informiert wurde. Wo waren Sie in der vergangenen Wahlperiode, als überhaupt nie aktiv informiert worden ist, meine Damen und Herren?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist falsch!)

Sie, Herr Nacke, kritisieren jetzt die Löschung der Daten, die im Gesetz übrigens vorgeschrieben ist. Wo waren Sie, meine Damen und Herren, als diese Daten unter Ihrer Regierungsmehrheit gesammelt worden sind?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

CDU und FDP haben hier in diesem Hohen Hause wiederholt Verschärfungen des Verfassungsschutzgesetzes beschlossen. CDU und FDP haben mehrere Vorstöße für eine bessere parlamentarische Kontrolle und für mehr Transparenz beim niedersächsischen Verfassungsschutz abgelehnt. CDU und FDP haben auch noch verteidigt, dass Umwelt- und Antiatomgruppen vom Verfassungsschutz beobachtet worden sind. Sie haben sogar noch verteidigt, dass die Linken und Mitarbeiter der Grünen-Fraktion sowie hochrangige Funktionäre der Grünen-Partei in Niedersachsen beobachtet worden sind. Wo war da Ihre Bürgerrechtspartei FDP, Herr Kollege Birkner?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Genau!)

Es ist gut, dass nun im Ministerium und beim Verfassungsschutz ein anderer Geist herrscht.

Meine Damen und Herren, der Kollege Tonne ist schon darauf eingegangen: Die Pressefreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes gehört zu den

wichtigsten Grundrechten. Journalisten werden zu Recht als vierte Gewalt bezeichnet. Ohne einen freien unbefangenen Journalismus ist letztlich eine Demokratie nicht denkbar. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu im Cicero-Urteil aus:

„Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat.“

Diese Grundsätze, meine Damen und Herren, sind in Niedersachsen unter Schwarz-Gelb mit Füßen getreten worden. Ich bin froh, dass unter Boris Pistorius jetzt ein echter Neustart erfolgen wird und dass auch diese Grundrechte in Niedersachsen wieder geachtet und verteidigt werden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)