Was wir in diesem Untersuchungsausschuss nicht leisten konnten, war eine Untersuchung möglicher Verfehlungen der Bundesbehörden, des Bundes
amtes für Verfassungsschutz und der Bundespolizei. Das hätte ein von uns vorgeschlagener Sonderausschuss vielleicht zumindest in Teilen leisten können. Dann hätten wir z. B. der Frage nachgehen können, warum es möglich war, dass Safia S., obwohl sie von der der Bundespolizei kontrolliert wurde, als 15-Jährige alleine in die Türkei ausreisen konnte.
Warum haben CDU und FDP das verhindert? - Ich kann darüber nur mutmaßen. Aber es liegt doch der Verdacht nahe, dass Sie Ihren Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU, der für diese Bundesbehörden und ihre Arbeit die Verantwortung trägt, im Wahlkampf schützen wollten und sich deswegen dagegen gesperrt haben, dass da auch nur einmal hingeschaut wird.
Das zeigt aber, dass es Ihnen nicht an einer sachlichen Auseinandersetzung gelegen war, sondern dass es Ihnen darum ging, hier in Niedersachsen Wahlkampf zu betreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Vielleicht noch ein Wort zu Ihrer Eingangsrede, Herr Nacke. Sie sind im allgemeinen Teil ja auch auf Vorschläge z. B. zum Gefahrenabwehrgesetz eingegangen. Sie haben zu Recht davon gesprochen, dass der Herr Innenminister und SPD und Grüne sich gemeinsam auf ein Maßnahmenpaket geeinigt haben, welche weiteren gezielten Maßnahmen im Bereich des Polizeirechts - Meldeauflage, elektronische Fußfessel - notwendig seien. Und dann, Herr Nacke, haben Sie behauptet, dass der Innenminister es nie in Angriff genommen habe, diese Maßnahmen umzusetzen.
Herr Nacke, Ihr Problem ist - das haben wir schon bei den Dringlichen Anfragen gemerkt -, dass Sie, aus welchen Gründen auch immer, offenbar nicht gewillt sind, parlamentarische Vorlagen zur Kenntnis zu nehmen. Mir liegt die Vorlage 15 zur Drucksache 17/6232neu, dem Entwurf des Gefahrenabwehrgesetzes, vor. Die Vorlage 15 ist ein umfangreicher Änderungsvorschlag, mit dem SPD und Grüne genau dieses Sicherheitspaket, das der Innenminister öffentlich angekündigt hat, schon im Frühjahr dieses Jahres in die parlamentarische Beratung eingebracht haben. Dass es nicht mehr verabschiedet worden ist, liegt nicht an SPD und Grünen, sondern an dem Manöver der CDUFraktion, die hier die demokratischen Mehrheits
verhältnisse auf den Kopf gestellt und damit vorgezogene Neuwahlen herbeigeführt hat. Das ist die Wahrheit, Herr Nacke. Nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, was hier im Parlament beraten wird und lesen Sie sich die Vorlagen auch einmal durch!
Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss viel erlebt. Wir haben z. B. ganz schlechte Schauspielerei und Vorführungen von CDU und FDP erlebt. Der negative Höhepunkt war aus meiner Sicht das Ansetzen einer Pressekonferenz, zu der schon am Vortag eingeladen wurde, parallel zu einer Sitzung des Untersuchungsausschusses, zu einer Zeugenbefragung, was dann dazu führte, dass in dieser Zeugenbefragung CDU und FDP krampfhaft einen Skandal inszenieren mussten, weil sie ja einen Sitzungsabbruch brauchten, damit sie zu der Pressekonferenz gehen konnten. Als dieser Skandal nicht erfolgte, sind die beiden Obmänner, Herr Dr. Birkner und Herr Nacke, mitten in der Zeugenbefragung hinausgestürmt.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Wäh- rend der Sitzung! - Jörg Bode [FDP]: Ihr habt doch abgebrochen!)
So viel zu Ihrem Interesse an einer Aufklärung und Bearbeitung im Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die größte Enttäuschung bei diesem Untersuchungsausschuss ist aber in der Tat der massive inhaltliche politische Rechtsruck der FDP in der Sicherheitspolitik.
Sie haben sich entschieden, in der Sicherheitspolitik Schulter an Schulter, Seite an Seite mit der CDU zu marschieren. Es gibt inhaltlich keinerlei Unterschiede zwischen der FDP und der CDU in Niedersachsen.
Jan-Christoph Oetjen hat sich in der vergangenen Legislaturperiode leidenschaftlich und glaubwürdig gegen anlasslose Moscheekontrollen eingesetzt. Aber Herr Dr. Stefan Birkner, der in der vergangenen Legislaturperiode übrigens schon FDP-Landesvorsitzender war, der Mitglied der Landesregierung war und der all diese Maßnahmen, die Frau Polat beschrieben hat, mitgetragen hat, tut so, als hätte er erst 2013 mit der Politik angefangen. Er
räumt alles ab, was sein Parteikollege hier auf den Weg gebracht hat, um sich Seite an Seite mit der CDU für schärfere Sicherheitsgesetze einzusetzen. Das ist wirklich ein Trauerspiel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dazu passen auch die Diskussionen um die Frage, wer eigentlich Ermittlungsbeauftragter dieses Untersuchungsausschusses wird. Wir haben Herrn Dr. Wahl gefunden und uns auf ihn geeinigt. Davor standen aber andere Vorschläge im Raum. Herr Jörg van Essen, FDP, ist von den Grünen vorgeschlagen worden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, ist von SPD und Grünen vorgeschlagen worden. Diese Vorschläge sind nicht in erster Linie an Herrn Nacke gescheitert, sondern bereits Herr Dr. Birkner hat beide Vorschläge in Bausch und Bogen verdammt und abgelehnt. Sie trauen Ihren eigenen Parteifreunden nicht, weil sie Ihnen zu liberal, zu rechtsstaatlich orientiert sind, Herr Dr. Birkner. Das ist die traurige Wahrheit und Erkenntnis aus diesem Untersuchungsausschuss.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, insbesondere beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, bedanken. Ich möchte mich beim Innenminister bedanken, und ich möchte mich ausdrücklich bei allen Beauftragten der Landesregierung bedanken. Sie mussten in diesem Untersuchungsausschuss viel aushalten und ertragen, viele unverschämte, diffamierende Angriffe, insbesondere von der CDU. Das alles haben Sie stoisch, gelassen ausgehalten und trotzdem Ihre Arbeit vorbildlich im Interesse des Landes erfüllt. Dafür ganz herzlichen Dank, und danke auch an alle Kolleginnen und Kollegen für die gemeinsame Arbeit.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Besprechung ist damit beendet. Wir treten in die Mittagspause ein. Um 14 Uhr sehen wir uns alle hier wieder.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Nachmittagssitzung. Ich hoffe, Sie hatten alle eine gute Mittagspause.
Tagesordnungspunkt 21: 44. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 17/8720 - strittige und unstrittige Eingaben
Die rhetorische Frage „Gibt es dennoch Wortmeldungen?“ kann ich heute von hier aus beantworten: Es gibt eine Wortmeldung der Kollegin Polat - ich glaube, auch aus einem besonderen Anlass.
Die Fraktion der Grünen hat drei Minuten Redezeit für diesen Tagesordnungspunkt beantragt. Je nachdem, was Sie jetzt sagen, werden wir auch das großzügig bemessen. Frau Kollegin Polat, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es auch bei mir so weit: Ich halte meine letzte Rede im Niedersächsischen Landtag, dem ich 13 Jahre angehört habe. Herr Präsident, das ist ungefähr die Hälfte der Zeit, die Sie dem Niedersächsischen Landtag angehört haben. Aber das war fast ein Drittel meines Lebens. In dieser Zeit habe ich sehr viel erlebt. Auch mein politisches Leben ist natürlich in dieser Zeit sehr geprägt worden.
Ottmar von Holtz hat mich gefragt: Hast du gar keinen Redebeitrag in deinem letzten Plenum? Möchtest du nicht zu dem Punkt „Petitionen“ sprechen? - Der Petitionsausschuss, dem ich fast ein Jahrzehnt angehört habe, hat meine Arbeit mit am meisten geprägt; Klaus Krumfuß weiß das. 2004, als ich für Rebecca Harms nachrückte, behandelte der Petitionsausschuss sehr viele Eingaben, in denen es um Abschiebungen ging. Sie wissen, damals gab es die Härtefallkommission nicht. Viele Familien und Einzelpersonen, die um ein Bleiberecht kämpften, trugen damals ihre Fälle und ihre Schicksale in den Petitionsausschuss.
Ein weiterer Punkt, warum es Sinn macht, bei diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen: Wir haben vor Kurzem die Weiterentwicklung des Petitionsrechts beschlossen. Einer der ersten Anträge, die ich geschrieben habe, hieß - Ottmar, du weißt es - „Ein Grundrecht geht online“. Es ging darum, öffentliche Petitionen und öffentliche Sitzungen des Petitionsausschusses zu ermöglichen. Mit Klaus Krumfuß, Frau Lorberg und einigen anderen Kollegen war ich in verschiedenen Landesparlamenten und im Bundestag. Das hat sich in den weiteren Legislaturperioden fortgesetzt, und letztendlich haben wir einen Beschluss zu diesem Thema gefasst.
Wer weiß, zu welchem Thema ich meine erste Rede gehalten habe? Marco Brunotte, weißt du es? - Meine erste Rede betraf die Rauchmelderpflicht.
Der erste Gesetzentwurf, den ich komplett selbst geschrieben habe, betraf das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz. Sie sehen, die Denkmalschutzpolitik lag mir schon damals am Herzen. Ich hatte verschiedene Sprecherfunktionen, aber die Funktion der denkmalschutzpolitischen Sprecherin nehme ich bis heute wahr.
Ein Highlight zu diesem Thema war die Diskussion um den Abriss des Niedersächsischen Landtages. Einige wissen es: Unsere Aktion zum Tag des offenen Landtages haben wir diesem Thema gewidmet. Damals hatte sich auch der Kurator des Museum of Modern Art eingeschaltet. International waren wir im Blickpunkt der Denkmalschützer und der Bewahrer von alter Architektur. Letztendlich haben wir uns gemeinsam dazu entschlossen, nicht abzureißen, sondern zu sanieren.
Frau Ross-Luttmann, hoffentlich werden auch wir im Oktober dabei sein, wenn der neue Landtag eingeweiht wird - auch wenn wir dort dann nicht mehr Platz nehmen dürfen.
Noch einmal zu den Einzelfällen: Viele wissen, dass ich eine sehr engagierte Politikerin bin. Eines habe ich wirklich gelernt: Man muss bis zum bitteren Ende für seine Meinung, für seine Problemlösungen streiten.
Bei den Einzelfällen - uns liegen sie alle sehr am Herzen - geht es um das große Ganze. Gerade bei den Abschiebungen geht es auch immer um die einzelnen Familien. Einen Fall möchte ich noch einmal herausgreifen, weil er auch so prägend für die Zeit war, in der ich hier Politik machen durfte, nämlich Zahra Kameli. Ich weiß nicht, ob sich noch alle an sie erinnern; alle haben immer noch Gazale Salame im Hinterkopf.
Zahra Kameli ist die damals 24-jährige Iranerin, der 2005 die Abschiebung drohte. Hedwig Mehring - ehemals Caritas - ist hier. Zahra Kameli war konvertiert, hatte ihren Mann verlassen, und ihr drohte die Steinigung im Iran. Zu der Zeit haben wir bekanntlich sehr viel um ein Bleiberecht, ein humanitäres Bleiberecht gestritten. Letztendlich haben wir versucht - viele auch interfraktionell -, ein Bleiberecht zu erwirken. Im Februar 2006 stand aber der Abschiebetermin fest. Daraufhin haben wir eine Sonderausschusssitzung beantragt und gemeinsam einen Appell verfasst, hier alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Das Problem war nur: Der damalige Innenminister Uwe Schünemann sagte, er habe keine rechtlichen Möglichkeiten. Bundesinnenminister Otto Schily hingegen verwies auf das Land und sagte: Ihr habt aber Möglichkeiten, z. B. die Gründung einer Härtefallkommission. - Die hatten wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie wissen, damals schaltete sich auch Margot Käßmann ein.
Was viele nicht wissen: Am Tag darauf sollte die Abschiebung stattfinden. Zahra Kameli wurde zum Frankfurter Flughafen gefahren. Wie es bei mir im Büro in solchen Fällen immer der Fall war, wurde eine - wie nennt man das im Innenministerium? -
Taskforce eingerichtet, und wir haben auf dem Bildschirm beobachtet, ob der Flieger schon gestartet war. Dann rief die Flughafenbeobachtung an und sagte: Wir brauchen irgendetwas Offizielles! Der Lufthansa-Pilot überlegt, nicht zu fliegen, weil er nicht derjenige sein will, der die Abschiebung letztlich in die Tat umsetzen muss. - Dann haben wir denen aus dem Büro einfach den Petitionsbeschluss zugefaxt. Zehn Minuten später klingelte mein Telefon. Der Lufthansa-Pilot wollte bestätigt wissen, dass es sich wirklich um ein offiziel