Protocol of the Session on June 15, 2017

Worauf, Herr Dr. Birkner - das müssen Sie sich schon fragen lassen -, zielen Sie mit diesen Antrag zur Aktuellen Stunde eigentlich ab? Wollen Sie ernsthaft, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei der Abwägung von Maßnahmen über Bord geworfen wird? Das kann in einem Rechtsstaat doch nicht allen Ernstes Ihre Forderung sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon bedauerlich, dass gerade die FDP ein solches Thema für die Aktuelle Stunde setzt, die Partei von Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, von Gerhard Baum und Burkhard Hirsch und auch die Partei, die mit Jan-Christoph Oetjen in der vergangenen Wahlperiode mit hoher persönlicher Glaubwürdigkeit engagiert gegen die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen zu Felde gezogen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Oetjen, noch im Dezember 2012 haben Sie in diesem Landtag ganz engagiert gesagt: Mit der FDP wird es keine verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen geben! - Dies alles ist fünf Jahre später völlig vergessen. Herr Dr. Birkner hat das Ruder übernommen. Jetzt versucht die FDP, die Union in der Sicherheitspolitik rechts zu überholen. Ein unerhörter Vorgang!

(Widerspruch bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Das ist jetzt wirklich Co- medy und dem Thema nicht ange- messen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einen Blick auf die Zeit werfen, in der dieser Satz in den Koalitionsvertrag gekommen ist.

Damals lag die Aufdeckung der NSU-Terrorzelle noch nicht lange zurück. Wir alle haben erlebt, dass es - ausdrücklich in ganz Deutschland - Ermittlungen von Sicherheitsbehörden gab, die vorurteilsbelastet waren und von Vorurteilen gelenkt worden sind. Das ist ein massives Problem für einen Rechtstaat. Das ist nicht nur ein Problem, weil es diskriminierend und stigmatisierend ist und Opfer in eine Täterrolle rückt. Nein, es ist auch ein Problem, weil es der Sicherheit eben nicht dient, wenn Ermittlungen vorurteilsbelastet sind. Damit dient man nicht der Sicherheit. Im Gegenteil: Damit schadet man der Sicherheit. Deswegen war es aus dem Bedürfnis der öffentlichen Sicherheit heraus richtig und geboten, zu verhindern, dass vorurteilsbelastete Maßnahmen jemals wieder in Sicherheitsbehörden veranlasst werden können. Das war der Hintergrund des Koalitionsvertrages, und das bleibt auch heute richtig.

Es gab keinen Raum für falsch verstandene Toleranz. Es darf ihn nicht geben, es wird ihn nicht geben. Aber es darf eben auch keinen Raum für vorurteilsbezogene Maßnahmen geben. Es darf keinen Raum dafür geben, Vorurteile, auch wenn man das vielleicht nicht beabsichtigt, zu schüren und damit die Zusammenarbeit mit den islamischen Verbänden zu gefährden und abzubrechen. Auch der Abbruch dieser Zusammenarbeit gefährdet letztlich die öffentliche Sicherheit. Darum dienen die Maßnahmen von Rot-Grün nicht nur der Vertrauensbildung, sondern eben auch der Sicherheit in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zum Abschluss zu dem Beitrag von Herrn Nacke, der hier irgendetwas von Sicherheitsrisiko fabuliert hat.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Nacke - auch wenn Ihnen das vielleicht unangenehm ist -, dass es die CDU ist - mit kurzer Unterbrechung durch die CSU, der glorreiche Herr Friedrich -, dass es also die Union ist, die seit zwölf Jahren den Bundesinnenminister in diesem Land stellt. Es ist die CDU, die die oberste Verantwortung für die Sicherheitspolitik hat! Es wird Ihnen nicht gelingen, das zu verwischen und davon abzulenken.

Wenn es ein Sicherheitsrisiko gibt, dann ist es Ihr Bundesinnenminister de Maizière, der immer wieder erst tatenlos ist und dann hektisch rechtlich fragwürdige Ankündigungen in die Welt hinausposaunt. Rot-Grün macht seriöse Sicherheitspolitik mit Augenmaß - im Gegensatz zu Ihnen, Herr Nacke!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Pistorius das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden mögen es mir nachsehen: Aber die Brüder Grimm erscheinen im Verhältnis zu Ihnen als Märchenerzähler wie Amateure.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist unfassbar, mit welcher Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit Sie hier permanent das gleiche Märchen erzählen. Immer wieder das gleiche Märchen über diese Landesregierung! Und mit diesem Antrag zur Aktuellen Stunde fügen Sie diesem Märchen ein weiteres Kapitel hinzu.

Das lässt übrigens offenkundig ein weiteres Mal tief in die alten schwarz-gelben Zeiten blicken: Man schließt wohl von sich auf andere. - Wie sonst wäre es erklärbar, dass Sie wie selbstverständlich davon ausgehen, dass Beamte in einem Ministerium im vorauseilenden Gehorsam auf Koalitionsvereinbarungen und Formulierungen hin bestehende Gesetze nicht anwenden oder gar missachten? Das scheint unter Ihnen ja Praxis gewesen zu sein. Die Erfahrung lehrt dann ja die Konsequenzen, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen sehr deutlich: In dieser Landesregierung gibt es solche Vorgaben nicht! Es ist schon skurril, wenn Sie uns vorwerfen, ein Instrument nicht anwenden zu wollen, das Sie selbst aus guten polizeifachlichen Gründen seit 2010 nicht mehr angewandt haben.

Es hat seit 2010 - ich wiederhole es gerne noch einmal - keine Kontrolle dieser Art und auch keinen Antrag dieser Art gegeben. Also hören Sie doch auf! Ich meine, ich verstehe ja das Ansinnen, das

bei Ihnen dahintersteht. Sie versuchen die Methode Laschet.

(Widerspruch von Angelika Jahns [CDU])

Sie versuchen, durch regelmäßige Wiederholung von Märchen so zu tun,

(Christian Dürr [FDP]: Sie versuchen die Methode Jäger! Das ist nicht besser! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

als könne man dieser Landesregierung, die sich gerade auch auf diesem Feld überhaupt nichts vorzuwerfen hat, schaden.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich sage Ihnen: Sie selbst werden daran Schaden nehmen, weil es Ihnen die Menschen in diesem Land nicht abnehmen. Alle Umfragen zum Thema innere Sicherheit in Niedersachsen belegen das. Die Menschen fühlen sich sicher und gut aufgehoben, und das zu Recht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole gerne: In meiner Verantwortung als Innenminister treffen jedenfalls unsere Sicherheitsbehörden ihre Entscheidungen allein auf der Grundlage geltender gesetzlicher Bestimmungen

(Helge Limburg [GRÜNE]: So ist es!)

sowie konkretisierender Erlasse und Verfügungen und nicht nach politischen Statements und auch nicht nach Koalitionsvereinbarungen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es hat eine Einflussnahme der Landesregierung weder auf Maßnahmen nach § 12 Abs. 6 im Umfeld der Hildesheimer DIK-Moschee noch hinsichtlich der Praxis der Speicherung von Daten minderjähriger Extremisten beim niedersächsischen Verfassungsschutz gegeben. Nehmen Sie es einfach zur Kenntnis, und lassen Sie das Erzählen von Märchen diejenigen machen, die es besser können!

Kontrollen auf der Grundlage des § 12 Abs. 6 Nds. SOG waren und sind selbstverständlich weiterhin auf der Grundlage der gegebenen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Auch eine Speicherung von Daten minderjähriger Extremisten einschließlich von Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahres war und ist unter den Voraussetzungen unseres Verfassungsschutzgesetzes möglich. Hierzu hat es weder anderslautende Vorgaben

noch unausgesprochene oder konkludente Anweisungen gegeben.

(Christian Dürr [FDP]: Nur Gesetz- entwürfe dazu!)

Nehmen Sie auch das bitte endlich zur Kenntnis!

Stattdessen haben wir als Landesregierung die Sicherheitsbehörden deutlich gestärkt sowie den Aus- und Aufbau der ressortübergreifenden Prävention vorangetrieben. Das gilt für alle Phänomene terroristischer und extremistischer Bedrohung. Ich erspare uns eine erneute Aufzählung der vielfältigen Maßnahmen im Bereich der Prävention. Sie nehmen es ja ohnehin nicht zur Kenntnis.

Wir haben auch im Personalbereich beider Sicherheitsbehörden ordentlich nachgelegt. Allein im Fachbereich Islamismus verzeichnen wir eine Steigerung um 40 %. Wir haben zehn weitere Polizeibeamtinnen und -beamte dem Staatsschutz im LKA zugewiesen. Wir sind hier auf der Höhe der Zeit und brauchen keine von politischer Hektik getriebene Belehrungen Ihrerseits.

Die Bilanz der Landesregierung bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus ist positiv, was sich an folgenden simplen Beispielen und Fakten verdeutlichen lässt.

Der Verein Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim wurde mit Verfügung unseres Ministeriums verboten. Die Verbotsverfügung ist rechtskräftig.

Bundesweit erstmalig wurden durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auf Grundlage des § 58 a des Aufenthaltsgesetzes Abschiebeanordnungen erlassen.

Ich weise noch einmal darauf hin: Dass der Algerier noch nicht abgeschoben ist, liegt nicht an uns, sondern an den algerischen Behörden und einer vom Bundesverwaltungsgericht ausgesprochenen Auflage. Wenn Sie das Bundesverwaltungsgericht dafür kritisieren möchten - tun Sie das gerne! Sie wissen, wo Sie es finden.

Darüber hinaus hat es weitere Maßnahmen wegen terroristischer Straftaten gegeben, so z. B. Anfang dieses Jahres in Göttingen und Northeim.

Nehmen Sie einfach zur Kenntnis - auch wenn es Ihnen schwerfällt -: Sie werden in dieser Landesregierung beim Thema innere Sicherheit keine Angriffsfläche finden. Wir lassen die Behörden ihre Arbeit nicht nur frei von politischer Beeinflussung machen, wir setzen sie auch in den Stand, indem wir sie entsprechend ausstatten und unterstützen.

Das werden wir auch in Zukunft tun - auch nach dem 14. Januar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Es gibt den Wunsch auf zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung. Ich erteile das Wort zunächst für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Birkner für anderthalb Minuten. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, der Märchenerzähler hier sind Sie

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)