(Beifall bei der FDP und Jörg Hillmer [CDU] - Die Abgeordnete Susanne Menge [GRÜNE] geht zum Redepult)
- Es ist so, dass die Kurzintervention auf die Ausführungen von Herrn Will gerichtet war, und nur die SPD-Fraktion hat die Möglichkeit, darauf zu erwidern. Das ist so. - Möchte das jemand tun? - Das ist nicht der Fall.
- Entschuldigung, das geht nicht. Wir können die Geschäftsordnung nicht beugen. Daran muss ich mich schon halten.
Das Wort für die Landesregierung hat jetzt Herr Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies. - Bitte schön, Herr Minister!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich etwas zu spät gekommen bin.
Wir hatten drüben eine Runde zum Thema Homann. Es war mein Fehler, hier nicht pünktlich zu erscheinen.
Meine Damen und Herren, vielleicht kann ich ein bisschen Realität in die Debatte zurückbringen, die manchmal den Eindruck erweckt, als gehe es um eine große Konfrontation. Die wird - glaube ich -, wenn wir uns auf den Antrag, der uns vorliegt, und auf diesen Modellversuch beziehen, überhaupt nicht entstehen. Deshalb bitte ich darum, dass wir auf diesen Weg zurückkommen.
po 30. Das muss man einfach sehen. Wenn es politische Forderungen gibt - die gibt es immer -, dann muss man die Realität des eigentlichen Handelns sehen.
Das eigentliche Handeln bezieht sich darauf, dass wir Rahmenbedingungen dafür schaffen wollen, unter bestimmten Umständen in Teilbereichen rechtliche Voraussetzungen dafür zu schaffen, Tempo 30 einzurichten. Genau darum geht es.
Das ist ein etwas komplizierter Vorgang, und ich versuche, genau den ein bisschen darzustellen und aufzuzeigen, was dahinter steht.
Jetzt gucke ich einmal in die Runde. Ich weiß nicht, wie viele Gespräche ich in den letzten viereinhalb Jahren - ehrlicherweise gesagt, auch schon vorher - dazu geführt habe - Gespräche, in denen Kommunen, Anwohner, Bürgermeister, verschiedene Gruppen zu mir gekommen sind - wahrscheinlich auch zu vielen von Ihnen - und gesagt haben: Das geht so nicht weiter mit der Belastung. Wir brauchen hier eine Lösung.
Und das ist Tempo 30. Sie kennen die ganze Debatte genau. Das geht durchgehend von Tempo 30 bis zu den Autobahnen mit einer Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 120.
Es gibt aber eine harte gesetzliche Regelung. Diese harte gesetzliche Regelung sieht übrigens vor, dass der fließende Verkehr in unserer Gesellschaft immer Vorrang vor den Belangen der Menschen hat. Wir werden darüber nachdenken müssen, ob das noch passt.
Ich will auch einmal an die Große Koalition erinnern. An den Koalitionsverhandlungen damals habe ich mitgewirkt. Ein Ergebnis der Verhandlungen war, dass es eine Vereinbarkeit der Interessen von Mensch und Verkehr geben muss - keinen Vorteil für den einen, sondern eine Vereinbarkeit. Genau dahin zielt dieser Antrag. Wenn diese Menschen zu mir kommen und sagen „Herr Lies, die Verkehrssituation ist hier unerträglich, die Belastungen durch Lärm, die Belastungen durch Schadstoffe sind groß, wir müssen hier Tempo 30 einführen“, dann sage ich denen Nein. Wir können kein Tempo 30 einführen, weil es dafür keine rechtlichen Voraussetzungen gibt.
Genau dahin zielt dieser Antrag. Um nichts anderes geht es dabei. Warum können wir uns nicht darauf beschränken, das einmal darzustellen?
Das Modellvorhaben soll prüfen, unter welchen Voraussetzungen Tempo 30 Sinn macht, um die Lärmimmission auf die Menschen zu reduzieren. Hier besteht nämlich ein Unterschied, in welchen Gebäude-, Haus- oder Straßensituationen gelebt wird. Inwieweit dadurch die Immissionen reduziert werden können, das müssen wir erst einmal nachweisen. Das ist ja noch gar nicht so weit geschehen. Auch dann geht es um die Frage, inwieweit wir dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen können. Diese werden dann auch wieder eingegrenzt werden müssen, damit dann nicht wieder jemand kommt und sagt, dass er gern Tempo 30 hätte. Dadurch sind nämlich nur die Rahmenbedingungen erweitert und möglicherweise die Chancen größer, auch den Belangen der Menschen ein Stück weit entgegenzukommen.
Ich finde, das müsste in unser aller Interesse sein. Denn ich will in aller Offenheit und Deutlichkeit sagen: Es ist jetzt nicht so, dass nur Bürgermeister, Bürgerinnen und Bürger oder Interessengruppen zu mir kommen, die der SPD oder den Grünen anhängen. Es kommen natürlich genauso - das ist völlig nachvollziehbar - auch diejenigen, die in anderen Parteien sind. Das ist doch völlig normal. Sie alle wollen ihre Belange vor Ort gelöst haben.
Deswegen müsste doch eigentlich dieses Modellvorhaben in einer sehr sachlichen Form - nicht in einer Pauschallösung, nicht sozusagen über das Land ausgerollt - im Interesse aller hier im Parlament vertretenen Fraktionen sein. So funktioniert doch sachliche Politik: indem man Rahmenbedingungen schafft, diese vernünftig untersucht und daraus gesetzliche Vorgaben definiert.
Das große Interesse sieht man daran, dass es bisher schon 20 bis 25 sind - Sie haben es gerade erklärt -, die sich gemeldet haben, obwohl wir noch gar nicht im Verfahren sind. Wir sind noch gar nicht an der Stelle, dass sich die Kommunen quasi bewerben können. Die Kommunen haben sich schon vorher gemeldet und ihr Interesse bekundet, was wir durchaus sehr ernst nehmen müssen, weil sie sagen: Lasst uns doch einmal testen, ob es nach einem relativ langen Testzeitraum nicht rechtliche Bedingungen gibt, bei uns tatsächlich Tempo 30 einzuführen - nicht flächendeckend, sondern genau unter den gegebenen Bedingungen.
Das ist doch politisches Handeln, in einer vernünftigen, konsequenten Form, also nicht sozusagen willkürlich Hindernisse auszuräumen, sondern
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Und da sind Sie sich eben mit Ihrem Koalitions- partner nicht einig! - Gegenruf von An- ja Piel [GRÜNE]: Ach du liebe Güte!)
- Doch! Sehr geehrter Herr Hocker, gucken Sie sich doch den Modellversuch an, den wir auf den Weg bringen! Der Modellversuch beschreibt eben nicht das Ergebnis von Parteidiskussionen oder Parteiprogrammen. Der Modellversuch beschreibt das politische Handeln dieser Landesregierung. Das wird daran sehr deutlich.
Das Problem ist, dass wir nur vereinzelte Messungen haben. Wir können nicht wirklich nachweisen, was das für die Schadstoffimmissionen bedeutet und was das für die Immissionen auf den Einzelnen bedeutet. Aber ich will das gar nicht weiter ausführen. Wir haben das ja alles sehr intensiv diskutiert.
Wir werden jetzt mit dem Runden Tisch in eine vernünftige Abarbeitung des Themas gehen. Wir werden ein längeres Modellprojekt mit einer Laufzeit über einen Gesamtzeitraum von am Ende drei Jahren haben. Wir werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen möglicherweise anpassen können.
Ich will einmal ganz offen sagen: Ich bin fest davon überzeugt, dass es viele hier im Parlament gibt - auf allen Seiten -, die später vor Ort dankbar sein werden, dass wir es erreicht haben, die eine oder andere rechtliche Voraussetzung zu schaffen, um den Interessen der Bürger gerechter zu werden. - Das wird bei uns allen der Fall sein - seien Sie fest davon überzeugt -, weil das Ergebnis nicht flächendeckend, sondern sehr spezifisch sein wird.
Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie fertig waren, aber es gab rechtzeitig eine Wortmeldung von Herrn Bley. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?
Herr Minister, sind Sie der Meinung, dass unsere Kommunen und alle die, die Sie aufgezählt haben, mit denen Sie Gespräche geführt haben, den jetzigen rechtlichen Rahmen ausnutzen, um tatsächlich hier und da Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuführen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werter Herr Bley, der jetzige Rechtsrahmen wird in Gänze ausgeschöpft. Der jetzige Rechtsrahmen lässt es nicht zu, die Belange von Mensch und Verkehr auch im Interesse der Menschen besser zu regeln.
Genau das ist das Ergebnis nach vielen rechtlichen Prüfungen, die wir dazu jedes Mal, bei jeder Bitte, bei jeder Petition, bei jeder Frage, bei jedem Bürgerbegehren, bei jeder Unterschriftenliste gemacht haben. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es nicht. Und lassen Sie uns bitte gemeinsam erfolgreich daran arbeiten! Wir können in Niedersachsen etwas vorweisen. Wir haben mit unserem Nachdruck dafür gesorgt, dass es vor Kindergärten, vor Pflegeheimen, vor sozialen Einrichtungen möglich ist, Tempo 30 vorzuschreiben. Das ist gut für die Menschen.
(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das haben wir doch schon! - Karl-Heinz Bley [CDU]: Das können wir doch schon!)
Lassen Sie uns auch dafür sorgen, dass da, wo die Belastungen besonders hoch sind, die Geschwindigkeitsreduzierungen möglich sind. - Ich sagte ja, das ist unser Erfolg, dass wir das mit erreicht haben. Jetzt lassen Sie uns auch den zweiten Schritt machen. Lassen Sie uns aus Niedersachsen heraus wieder gemeinsam dafür sorgen, dass die Beschränkung auf Tempo 30 auch dort sinnvoll ist, wo die Menschen mit den Belastungen nicht zurechtkommen, dass wir dafür eine vernünftige Lösung finden. Das wäre doch ein Erfolg für Niedersachsen insgesamt, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Ich stelle fest, dass zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, und schließe die Beratung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/8015 ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. - Gibt es Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Sie sind damit der Ausschussempfehlung gefolgt.