Protocol of the Session on March 1, 2017

Des Weiteren ist hier das Widerspruchsverfahren angesprochen worden. Mit der Novelle führen wir ein Widerspruchsverfahren wieder ein, und zwar zusammen mit dem sogenannten Behördenoptionsmodell. Es waren CDU und FDP, die das Verfahren damals abgeschafft haben. Jetzt wollen wir wieder die Möglichkeit schaffen, dass eine Behörde bei Vorliegen eines Widerspruchs den Sachverhalt erneut prüft und ein zweites Mal darüber entscheidet. Um den Kommunen die notwendige Flexibilität zu geben, werden wir die Rückkehr zum Widerspruchsverfahren nicht aufzwingen, sondern - wie es der Name „Behördenoptionsmodell“ erahnen lässt - die Option schaffen, dies im eigenen Ermessen zu regeln.

Im Ergebnis muss man festhalten, dass wir nach der Reform des Kommunalverfassungsgesetzes, die wir bereits verabschiedet haben, nun mit der Verabschiedung des Kommunalabgabengesetzes in dieser Legislaturperiode wichtige Akzente für starke Kommunen in Niedersachsen gesetzt haben und heute setzen. Wir stehen für Kommunen mit mehr Demokratie, mehr Wirtschaftskraft, mehr Rechtssicherheit, mehr Gerechtigkeit und vor allem mehr Handlungsspielraum, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Abschließend bleibt festzuhalten: Rot-Grün tut sowohl dem Land als auch den Kommunen sehr, sehr gut!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Onay. - Jetzt hat sich der Minister gemeldet. Herr Minister Pistorius, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heutige Tag ist ein sehr, sehr guter Tag für Niedersachsens Kommunen. Mit den Änderungen im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz - kurz: NKAG -, die wir heute beschlie

ßen, werden die Kommunen bei der Erhebung kommunaler Abgaben Einnahmeverbesserungen erzielen können, und ihr Gestaltungsspielraum wird erheblich erweitert.

Ich möchte gerne auf vier Punkte im NKAG näher eingehen, die die Situation für die Kommunen, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen verbessern werden.

Erstens. Wir erweitern die Möglichkeiten bei der Erhebung der Straßenausbaubeiträge. Zukünftig können wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen von Eigentümerinnen und Eigentümern, deren Grundstücke an entsprechenden Straßen anliegen, erhoben werden.

Die Kosten, die anfallen, können dabei auch auf mehrere Schultern verteilt werden. Das heißt, es ist beispielsweise möglich, in einzelnen Ortschaften einer Kommune alle dort lebenden Einwohnerinnen und Einwohner an den Kosten zu beteiligen. Den Kommunen bleibt es aber weiterhin möglich, einmalig Straßenausbaubeiträge von den Anwohnerinnen und Anwohnern einzufordern. Welche Beiträge die einzelne Kommune erheben möchte, muss sie selbst anhand der örtlichen Gegebenheiten entscheiden. Sie kann selbstverständlich auch weiterhin darauf verzichten, die Anwohnerinnen und Anwohner an den Kosten des Straßenausbaus zu beteiligen, und dafür beispielsweise höhere Grundsteuern oder Gewerbesteuern festlegen.

Zweitens. Eine weitere Veränderung in der Beitragserhebung betrifft den Tourismusbereich. Bisher konnten nur solche Gemeinden, die als Kur- und Erholungsorte staatlich anerkannt sind, Tourismus- und Gästebeiträge festlegen. Das ist nun auch weiteren Kommunen möglich, denen spezifische Kosten aus dem Tourismus erwachsen. Damit erkennen wir die Leistungen der Kommunen an, die wesentlich zur Bedeutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus in Niedersachsen beitragen.

Drittens. Eine dritte Anpassung im NKAG entspricht einer berechtigten Forderung der kommunalen Spitzenverbände. Um mehr Rechtssicherheit für die Kommunen zu schaffen, werden zukünftig die Anteile der Allgemeinheit für die Tourismusförderung im Tourismusbeitragsrecht von 10 % und im Straßenreinigungsgebührenrecht von 25 % gesetzlich festgelegt.

Dies führt dazu, dass die Erhebung dieser Abgaben weiterhin praktikabel bleibt. Gerade im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg werden die nie

dersächsischen Kommunen damit von übermäßigem und zudem mit Rechtsunsicherheiten verbundenen Ermittlungsanforderungen entlastet.

Viertens. Mit Artikel 4 des Gesetzentwurfs korrigieren wir eine Entscheidung der Vorgängerregierung. Wie wir alle wissen, wurde mit der Auflösung der Bezirksregierungen das Widerspruchsverfahren weitgehend abgeschafft. Daran hat die alte Landesregierung festgehalten, obwohl erhebliche Einwände des von ihr selbst beauftragten Gutachters bestanden. Die Konsequenzen daraus konnte man vor einigen Jahren eindrucksvoll am Beispiel von Abfallbescheiden in der Region Hannover beobachten, als Tausende von Bürgerinnen und Bürgern Klage beim Verwaltungsgericht einreichten, ja einreichen mussten.

Hätten Sie seinerzeit das Widerspruchsverfahren nicht abgeschafft, meine Damen und Herren, hätten die meisten der Klagen vermieden werden können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dem betroffenen Zweckverband wären im Ergebnis hohe Kosten erspart geblieben. Vermutlich wären weitaus mehr Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht gekommen, nämlich auch jene, denen die Hürde der Klage zu hoch war. Deshalb ist die Korrektur, die wir jetzt vornehmen, überfällig.

Die Landesregierung hat zudem für den Bereich der Kommunalabgaben ein innovatives, bundesweit einmaliges Regelungsmodell entwickelt. Die Behörden erhalten nämlich die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob ein Widerspruch oder eine unmittelbare Klage gegen den Bescheid statthaft sein soll. Schließlich können die Behörden ihrerseits am besten beurteilen, ob sie etwa bei rechtlicher Unsicherheit in Massenverfahren besser das Widerspruchsverfahren eröffnen. Das hat zum Ziel, nur einzelne, ausgewählte Verfahren einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, um nach erfolgter Klärung die anderen im Widerspruchsverfahren zu bescheiden. Dieses Optionsmodell wahrt die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger und kann zudem zu einer weiteren Arbeitsentlastung der Behörden führen.

Die beschriebenen Änderungen im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz sind ein wichtiger Schritt, um die Möglichkeit der Kommunen bei der Erhebung von Beiträgen zu erweitern und gleichzeitig das Mitspracherecht der Menschen in Nie

dersachsen zu stärken. Ich bitte Sie daher, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Um zusätzliche Redezeit hat die Fraktion der FDP gebeten. Herr Oetjen, Sie haben zwei Minuten. Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben ausgeführt, dass die Kommunen eine zusätzliche Option durch die wiederkehrenden Beiträge haben. Glauben Sie wirklich, dass ein Instrument, bei dem ein Bürgermeister sagt: „Ich muss zuerst einmal zwei Leute einstellen, um das überhaupt umsetzen zu können“, eine echte Option für eine Kommune ist? Halten Sie es für realistisch, dass eine Kommune auf ihrem Gebiet sowohl das Instrument der wiederkehrenden Beiträge als auch das Instrument der normalen Straßenausbaubeiträge anwendet? - Das wird der Fall sein. Sie können keine Abrechnungseinheiten für kleine Dörfer bilden. Insofern bleibt die Straßenausbaubeitragssatzung erhalten. Das wird doch zu noch mehr Unruhe im Land führen, sehr geehrter Herr Minister.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Glauben Sie wirklich, dass die Regelung, die Sie hier vorlegen, nicht nur dazu führt, dass der Druck auf die Kommunen erhöht wird, die bisher keine Straßenausbaubeiträge erheben, so dass sie in Zukunft Straßenausbaubeiträge erheben und ihre Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger umlegen, obwohl sie derzeit sehr, sehr gut ohne leben? - Dieses Gesetz hat nur den Zweck, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land das Geld aus den Taschen zu ziehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sagen Sie das doch endlich, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der CDU)

Vielen Dank. - Um zusätzliche Redezeit bittet die SPD-Fraktion. Sie haben ebenfalls für zwei Minuten das Wort, Herr Lynack.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Oetjen, einfach durch das Land zu ziehen und etwas zu suggerieren, was de facto noch gar nicht eingetreten ist oder eintreten könnte, finde ich unredlich. Wir haben gerade vom Minister gehört, dass wir mit der Wiedereinführung von Widerspruchsverfahren Sachen aufarbeiten, die in die vergangene Legislaturperiode gehören und die Sie haben liegen lassen. Das machen wir heute. Sie haben das seinerzeit evaluiert. Wir haben gesagt: Jawohl, so wird es jetzt umgesetzt.

Jetzt komme ich zu den wiederkehrenden Beiträgen. Ich bitte Sie, einfach einmal abzuwarten und ins Land zu horchen, was die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich wollen. Kennen Sie Menschen, die von Existenznöten betroffen sind?

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ja!)

- Genau. Die kenne ich nämlich auch. Denen schaffen wir eine zusätzliche Möglichkeit, damit nicht das wieder eintritt, was es schon einmal gegeben hat.

Sie sagen einfach, in anderen Bundesländern zieht das nicht. Ich habe andere Informationen. Diese haben wir vorgetragen. Meine herzliche Bitte an Sie ist: Lassen Sie uns das ausprobieren. Nach drei Jahren können wie schauen, wie viele Kommunen das tatsächlich genutzt haben. - Wenn Sie dann sagen, es sei ad absurdum geführt, ist das in Ordnung. Sagen Sie es aber nicht schon an dieser Stelle. Zuerst probieren und den Weg beschreiten!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Lynack. - Jetzt hat sich Herr Kollege Oetjen noch einmal zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Lynack, in Bayern haben die Grünen gerade einen Unterrichtungsantrag in den Landtag eingebracht, weil das neue Instrument der wiederkehrenden Beiträge nicht funktioniert.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Sie haben dort gesagt: Lasst uns neu darüber reden. Die Landesregierung möge uns bitte berichten. - Es war übrigens die CSU, die gerne wieder

kehrende Beiträge wollte. Rot und Grün haben dieses Instrument abgelehnt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, übrigens würde ich mich über eine klare Ansage in Richtung der Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen von Ihrer Seite freuen.

(Beifall bei der FDP)

Im Kern geht es jetzt um die Frage: Gibt es ein wirklich neues Instrument? - Den Leuten, die heute z. B. in Stade, z. B. in Springe, z. B. in Barsinghausen oder z. B. in Vechelde Existenzängste haben, ist keine Alternative gegeben, weil die Kommune diese wiederkehrenden Beiträge neu einführen muss. Auch Sie wissen, wie das ist. Wenn eine Verwaltung den Ratskollegen sagt: „Wir brauchen zuerst einmal zwei neue Leute, und dann können wir solch ein System vielleicht umsetzen“, wird kein Rat das tun und diese wiederkehrenden Beiträge einführen. Deswegen ist es eben keine Option. Deswegen bringen Sie die Leute, die solche Grundstücke haben und zum Teil sechsstellige Summen an Straßenausbaubeiträgen erbringen müssen, weiterhin an den Rand ihrer Existenz. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir kommen zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung Ich rufe auf: