Protocol of the Session on February 1, 2017

Meine Damen und Herren, wir erleben in den letzten Monaten und Jahren, dass die Rechtspopulisten ihre Ideologie immer offensiver nach außen tragen. Wenn ein Herr Höcke von der AfD im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Holocaust von einer - Zitat - „dämlichen Bewältigungspolitik“ spricht, die um 180 Grad gedreht werden müsse, dann darf man das als Demokrat nicht so stehen lassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann muss man ganz deutlich sagen, dass diejenigen, die solche Reden schwingen, nicht mehr mit den Werten unserer Bundesrepublik im Einklang stehen.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben aufgrund unserer eigenen Geschichte ein besonderes Verhältnis zum Rechtsextremismus. Es ist vor allem von der Verfolgung und Ermordung vieler Menschen und eben auch von vielen Genossinnen und Genossen in Hitlers NaziDeutschland geprägt. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden wir auch in Zukunft weiter gegen dieses rechte Gedankengut kämpfen, das unsere Gesellschaft spalten will.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, ich will noch einmal zu dem Urteil aus Karlsruhe zurückkommen. Wie bereits gesagt, hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist. Es hat allerdings auch einen ganz entscheidenden Hinweis gegeben: dass der Gesetzgeber mit einer Grundgesetzänderung durchaus dafür sorgen könne, dass solche Parteien in Zukunft nicht länger von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren.

Die Überlegungen, die NPD von der Parteienfinanzierung auszuschließen, gab es schon früher. Allerdings hat sich die realistische rechtliche Machbarkeit erst jetzt aus diesem Urteil ergeben. Aus diesem Grund bin ich unserem Innenminister Boris Pistorius dankbar, dass er gleich nach dem Karlsruher Urteil sehr schnell reagiert und eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat, die genau das erreichen soll, nämlich den Stopp von staatlichen Zahlungen an alle offen verfassungsfeindliche Parteien durch eine Verfassungsänderung. Ich

gehe davon aus, dass diese Initiative die Zustimmung des gesamten Hauses findet.

Wenn das Handeln der NPD aufgrund einer relativen Bedeutungslosigkeit schon nicht verboten werden kann, so müssen wir doch dafür sorgen, dass sie bei der Verfolgung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele nicht auch noch vom deutschen Staat alimentiert und damit letztendlich am Leben gehalten wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass diejenigen, die unsere freiheitliche Grundordnung, unsere Werte und letztendlich auch unsere offene und tolerante Gesellschaft offen und gewalttätig ablehnen, dabei auch noch mit Steuermitteln unterstützt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Aus diesem Grunde hoffe ich, dass die Bundesratsinitiative unserer Landesregierung und unseres Innenministers Erfolg haben wird. Wir werden diese Initiative mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Auch nach gründlichem Durchsuchen unseres Schreibtisches liegen bisher keine weiteren Wortmeldungen vor. - Jetzt hat sich aber Herr Schünemann gemeldet. Bitte sehr, Sie haben auch gleich das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Modder, verehrte Frau Piel, eine gut geturnte Rolle rückwärts ist schon etwas Besonderes. Aber das, was Sie in den letzten vier Jahren in der Innenpolitik hier vorgeführt haben, ist viel mehr, nämlich Flickflack mit Salto rückwärts. Das kann man hier nur so feststellen.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

In den letzten Tagen lesen wir: „Fußfesseln für Gefährder“ und „Videoüberwachung muss ausgebaut werden“. Meine Damen und Herren, da fällt mir nur eines ein: Willkommen in der Wirklichkeit!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei den GRÜNEN)

Natürlich kann man mal einen Fehler machen, und man kann ihn auch korrigieren. Aber glaubwürdig wird das nur mit etwas Demut und nicht mit dicker Hose, wie der Innenminister es hier vorführt. Das ist doch genau der Punkt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Erstens hat der Innenminister hier noch gar nicht geredet, und zweitens ist das voll daneben! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Un- ruhe - Glocke der Präsidentin)

Um Demut geht es auch bei dem zweiten Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens. Ich würde hinterfragen, ob es richtig gewesen ist, wie sich Minister Pistorius - wie auch alle Innenminister - sofort in Karlsruhe hingestellt hat. Denn ich fand es unerträglich, dass sich der Bundesvorstand der NPD mit Siegerpose vor das Schild des Bundesverfassungsgerichtes gestellt hat. Diese Bilder sind leider um die Welt gegangen.

(Johanne Modder [SPD]: Auch das muss eine Demokratie aushalten, auch das!)

Das ist etwas Unerträgliches. Man muss hinterfragen, ob wir alles richtig gemacht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin nicht froh, dass ich in letzter Minute auch die Einstimmigkeit in der Innenministerkonferenz hergestellt habe und damit dieses Verbot auf den Weg gebracht werden konnte. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass der Kampf gegen den Extremismus jeden Tag geführt werden muss, und zwar mit Entschiedenheit.

(Johanne Modder [SPD]: Und, sind Sie dabei?)

Deshalb haben wir in den Jahren 2003 bis 2013 die Präventionsarbeit ausgebaut.

(Petra Tiemann [SPD]: Wer hat denn die Landesstelle für politische Bildung abgeschafft?)

Wir haben dafür gesorgt, dass Zivilcourage gefördert wird. Wir haben aber auch dafür gesorgt, dass die Polizei besser ausgestattet wird und dass sie weitere Eingriffsmöglichkeiten hat. So bekämpft man Extremismus in unserem Land!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Ich bin mir nicht sicher, dass Sie, Herr Minister Pistorius, im Kampf gegen alle Formen von Extremismus genau diesen Dreiklang tatsächlich so intensiv umgesetzt haben.

(Johanne Modder [SPD]: Herr Schü- nemann, sagen Sie doch einmal, ob Sie die Initiative unterstützen, ja oder nein!)

Meine Damen und Herren, Sie haben hier dargestellt: Wir möchten einen Paradigmenwechsel! - Können Sie sich noch daran erinnern? Diese Botschaft hat fatale Folgen gehabt. Safia S. ist nur ein Beispiel dafür.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Filiz Polat [GRÜNE]: Was? Unglaub- lich! Das ist ja unverschämt! - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Was hat das denn mit der NPD zu tun?)

Wir sind in der wehrhaften Demokratie - - -

(Unruhe)

Einen Moment, bitte, Herr Kollege Schünemann! Die Zeit wird berücksichtigt. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Erregung bei diesem Thema sollten wir Herrn Schünemann die Chance geben, dass wir ihm alle zuhören können.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Er sagt, wir sind verantwortlich! Wir sind doch nicht verantwortlich für einen Terroran- schlag! Das ist der Sprech von Frauke Petry! Das ist unverschämt!)

- Ich bitte um Ruhe!

Bitte Herr Schünemann, fahren Sie fort!

Ich habe mir während meiner gesamten Amtszeit immer überlegt: Wie können wir auch unterhalb eines Verbotsverfahrens erreichen, dass man eben nicht Broschüren aus Steuergeldern finanziert, die für Hass, die für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus stehen?

(Johanne Modder [SPD]: Sie sind damit gescheitert, Herr Schünemann!)

Deshalb habe ich im Jahr 2008 Herrn Professor Dr. Epping beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Er hat einen überzeugenden Vorschlag vorgelegt. Diesen habe ich mit ihm gemeinsam der Bundespressekonferenz vorgestellt.

(Zuruf von der SPD: Und was ist dar- aus geworden? - Nichts!)

Meine Damen und Herren, ich gebe zu: Nicht nur bei der SPD gab es Zurückhaltung. Ich kann mich aber genau daran erinnern, wie Sie, SPD und Grüne, hier im Parlament gegen diesen Vorschlag gewettert haben: „Unverantwortlich!“ „Fragwürdig!“ „Irrweg!“ - Das waren Ihre Worte. Und jetzt wollen Sie sich an die Spitze der Bewegung stellen und mit genau diesem Gutachten eine Bundesratsinitiative machen. Meine Damen und Herren, unglaubwürdiger kann man doch hier nicht agieren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber auch hier könnte man darstellen: Es ist ja gut, wenn man das jetzt erkannt hat und es auf den Weg bringt. Aber, meine Damen und Herren, in der Innenpolitik ist es ja so: Wenn man eine Pannenserie zu verantworten hat, wenn man eine Kette von Fehleinschätzungen hat,

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Damit kennen Sie sich ja aus! - Filiz Polat [GRÜNE]: Deswegen haben Sie ja die Wahl verloren!)