Protocol of the Session on February 1, 2017

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Damit kennen Sie sich ja aus! - Filiz Polat [GRÜNE]: Deswegen haben Sie ja die Wahl verloren!)

dann hat das fatale Folgen in der Innenpolitik, dann ist man eine Gefahr für die innere Sicherheit. Deshalb ist innere Sicherheit, ist Innenpolitik mehr als Wunschdenken. Das ist auch mehr als „Wünsch dir was“. In der Innenpolitik ist es mehr: Da braucht man nämlich einen Kompass.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Ja, alle unter Generalverdacht stellen!)

Da braucht man Stringenz. Da braucht man auch eine innere Einstellung zu Recht und Ordnung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, entweder man hat diese Einstellung, oder man hat sie nicht.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Gut, dass wir den ab- gewählt haben!)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Da keine weiteren Wortmeldungen seitens der Fraktionen vorliegen,

hat jetzt für die Landesregierung Herr Innenminister Pistorius das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 17. Januar Maßstäbe gesetzt. Auch wenn die Bundesländer leider ihr Ziel, ein Parteienverbot der NPD durchzusetzen, nicht erreicht haben, hat das Gericht etwas anderes getan, was mindestens genauso wertvoll ist. Denn die Richter des Bundesverfassungsgerichtes haben in außerordentlich begrüßenswerter Klarheit festgestellt: Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. - Ich kann nur jedem, der es noch nicht getan hat, empfehlen, das Urteil gerade zu diesem Teil nachzulesen,

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

weil dies eine Lehrstunde darüber ist, was Demokratie und demokratische Werte in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat wie dem unseren bedeuten und wie sich die Gegner und diejenigen, die diesen Rechtsstaat und die Verfassung beseitigen wollen, auf die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaates einzustellen haben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Am Ende wurde die NPD lediglich aufgrund ihrer Bedeutungslosigkeit und ihres Misserfolges, von der bzw. dem das Gericht ausgeht, nicht verboten.

Das Urteil hat aber eine ganz wichtige Signalwirkung. Dadurch hat das Gericht nämlich deutlich gemacht, dass die Parteien, die rassistische, demokratiefeindliche oder antisemitische Positionen vertreten, in unserer Demokratie nichts verloren haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls im Wortlaut festgestellt:

„Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde … und den Kern des Demokratieprinzips … und weisen Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus auf... Die Programmatik der Antragsgegnerin ist auf die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet …“

So das Gericht. Wer das Urteil liest oder - wie ich - es hören durfte, der konnte wunderbar an den wesentlichen Merkmalen unserer Verfassung ent

lang hören, wie das Gericht es jeweils subsumiert hat: von der Unantastbarkeit der Menschenwürde, angefangen von dem Gleichheitsgrundsatz bis hin zum Demokratieprinzip, zum Parlamentarismus und zum Gewaltmonopol des Staates.

Allein um das festgestellt zu bekommen, war die Durchführung des NPD-Verbotsverfahrens ein wichtiger, ein notwendiger Schritt. Wenn mein Vorgänger hier heute nach der Methode verfährt „Was ich in den letzten vier Jahren immer schon mal sagen wollte …“,

(Petra Tiemann [SPD]: Genau!)

kann ich ihm nur sagen: Wenn er früher dabei gewesen wäre und beispielsweise seine CDUFraktion andernorts überzeugt hätte, dann hätte man auch schon früher den Verbotsantrag stellen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Urteil hat uns wesentlich geholfen, indem es eine klare rote Linie für Parteien mit extremistischen Tendenzen beschreibt. Diese rote Linie ist sehr klar definiert. Mit ihr werden wir uns in der Auseinandersetzung mit Parteien am rechten oder linken Rand leichter tun.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat bei der mündlichen Urteilsverkündigung noch einen weiteren wichtigen Hinweis gegeben: Aufgrund der festgestellten Verfassungsfeindlichkeit ist es nach einer Änderung des Grundgesetzes rechtlich möglich, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen.

Ich gehe davon aus, dass es Ihnen wie mir geht: Ich halte es für ziemlich unerträglich, dass eine Partei, die auf die Abschaffung des freiheitlichen demokratischen Systems unserer Bundesrepublik abzielt, von diesem noch finanziell - durch Steuergelder - unterstützt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie sollen wir eigentlich einem 18-jährigen Erstwähler erklären, dass im Landtagswahlkampf, im Bundestagswahlkampf und wann auch immer Plakate dieser Partei mit übelsten Parolen zu lesen sind und diese Partei aus Steuermitteln finanziert wird?

Wir haben jetzt den Vorteil: Uns ist bestätigt worden, was wir schon immer wussten, nämlich dass diese Partei verfassungsfeindlich ist. Dieses Testat

hat sie unwiderruflich von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Viele Politikerinnen und Politiker auf Bundes- und Landesebene haben sich nach der Urteilsverkündung dafür ausgesprochen, die staatlichen Gelder für die NPD zu streichen - übrigens Politiker aller Couleur. Wir in Niedersachsen haben nicht nur davon gesprochen, sondern direkt gehandelt und eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, um die NPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen.

(Petra Tiemann [SPD]: Ein kluger und guter Weg!)

Meine Damen und Herren, diese Initiative könnte bereits im kommenden Bundesratsplenum behandelt werden. Für einen solchen Ausschluss bedarf es natürlich einer Änderung des Grundgesetzes und weiterer einfachgesetzlicher Regelungen. Die vielen positiven Rückmeldungen aus anderen Bundesländern stimmen mich zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, diese Bundesratsinitiative erfolgreich durchzusetzen.

Die die Regierung tragenden Parteien haben sich immer konsequent - das gilt für die SPD und für die Grünen - gegen Rechtsextremismus und -populismus gestellt. Insbesondere die SPD hat in ihrer 154-jährigen Geschichte die Populisten am rechten Rand bekämpft, wo immer es nötig war, ohne jemals Kompromisse um der Macht willen einzugehen.

Das war übrigens bei den Konservativen leider nicht immer so, wie beispielsweise seinerzeit das Zusammengehen mit der Schill-Partei in Hamburg zeigte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass die Bundesratsinitiative der richtige Weg ist. Wir sollten alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um denjenigen, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, das Fundament zu entziehen. Das ist auch mein Verständnis von einer wehrhaften Demokratie. Die im Grundgesetz verankerte Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Überzeugungen endet nämlich dort, wo Extremisten die demokratischen Grundrechte und Werte unserer Verfassung ablehnen und bekämpfen.

Ich hoffe auf eine breite Unterstützung der Initiative.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - In der von der SPD beantragten Aktuellen Stunde hat nun für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Birkner das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Der Ausgang des Verbotsverfahrens ist in erster Linie eine deutliche Niederlage für die Antragsteller. Sie sind mit dem Ziel gestartet, dass ein Parteienverbot ausgesprochen wird. Dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Darüber kann auch all das, was Sie hier vorgetragen haben, nicht hinwegtäuschen. Das ist auch eine Niederlage für die Landesregierung und für Sie als zuständiger Innenminister.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Freut ihr euch darüber, oder wie sollen wir die- sen Applaus deuten?)

Die zur Schau gestellte Selbstgewissheit im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist am Ende vor dem Gericht zerronnen. Sie haben all die warnenden Hinweise - Herr Kollege Schünemann hat eben noch einmal auf den einen oder anderen Punkt hingewiesen - in den Wind geschlagen.

Ich erinnere mich noch gut an eine Debatte in diesem Haus vor knapp viereinhalb Jahren, als wir genau diesen Punkt angesprochen und auf die mangelnde Bedeutung der NPD, auf die Geringfügigkeit, auf die nicht vorhandene Gefahr, dass sie tatsächlich in der Lage wäre, hier eine beherrschende Stellung einzunehmen, hingewiesen haben. Das basiert auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Frau Modder, das war nicht neu. Das war keine neue Rechtsprechung. Die Rechtsprechung bestand schon.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aber nicht aus Karlsruhe!)

Das ist ja Ihre Argumentation, die Sie schon beim Staatsgerichtshof angewandt haben. Sie blenden einfach aus, was in der Zwischenzeit passiert ist. Alles das war nicht neu.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Welche Landesregierung hat eigentlich den Antrag beschlossen, Herr Dr. Birkner? - Anja Piel [GRÜNE]: Aber beschlos- sen haben Sie den Antrag doch trotz- dem, Herr Dr. Birkner! Sie haben ihn doch beschlossen!)

Alles das, was wir Ihnen schon damals gesagt haben, hat sich hier realisiert.

Man kann vor Gericht scheitern; das ist nicht der Punkt. Aber man muss dann auch offen sagen, dass man sich geirrt hat, dass man einen falschen Weg beschritten hat.