Kern des neuen Rahmenvertrags war, dass statt einer Pauschalvergütung für urheberrechtlich geschütztes Material einzeln abgerechnet werden sollte. Das heißt, die Hochschulen bzw. die Lehrenden und Forschenden hätten per Einzelmeldung die Nutzung urheberrechtlich geschützter Materialien dokumentieren müssen, und es hätte eine Einzelabrechnung erfolgen müssen. Jede auch elektronisch zur Verfügung gestellte Kopie - z. B. von Partituren oder Zeitungsausschnitten - hätte an die VG Wort gemeldet und einzeln abgerechnet werden müssen.
Jede Telefonrechnung, jede Strom- und Gasrechnung, die jeder von uns erhält, ist einfacher zu erstellen und abzurechnen. Das konnte so nicht gutgehen.
Die Universität Osnabrück hat schon im letzten Jahr eine Untersuchung zu den Auswirkungen dieser Abrechnungsmethode durchgeführt. Hier einige Erkenntnisse: Bei Anwendung der Regeln des Rahmenvertrages wäre die Nutzung urheberrechtlich geschützter Texte um 75 % gesunken, bei zwei Dritteln der Studierenden hätte sie zu einem deutlich höheren Aufwand bei der Literaturbeschaffung geführt, es wäre Mehraufwand an den Hochschulen entstanden, und die Unsicherheiten bezüglich möglicher Urheberrechtsverletzungen wären nicht beseitigt worden. Damit war klar, warum sich die Hochschulen und die Studierenden gerade im letzten Quartal 2016 sehr intensiv gemeldet und eine Änderung des angedachten Vertrages gefordert haben. Die Hochschulen waren auf dieses geänderte Verfahren administrativ nicht vorbereitet, und es fehlte die Unterstützung des Landes.
Diese Anliegen haben wir in unserem Antrag aufgenommen und direkt in die Ausschussberatung eingebracht. Deshalb wird über diesen Antrag heute das erste Mal im Plenum gesprochen.
Wir haben gefordert, dass der Rahmenvertrag nicht so in Kraft treten soll, sondern geändert wird. Wir wollen eine schnelle, einfache, möglichst freie, kostengünstige und rechtssichere Nutzung von urheberrechtlich geschützten Materialien. Die Landesregierung soll die Hochschulen dabei unterstützen, Abrechnungssysteme zu entwickeln, damit man neben einer pauschalierten Abrechnung auch eine Einzelabrechnung vornehmen kann; vor dem Hintergrund der Rechtsentscheidungen muss dies wahrscheinlich auf die Dauer möglich sein. Das Urheberrecht soll reformiert werden; dafür soll sich das Land auf Bundesebene engagieren.
Bisher ist nur ein einziger Punkt umgesetzt worden: Der Rahmenvertrag tritt nämlich nicht zum 1. Januar in Kraft, sondern voraussichtlich zum 1. Oktober. Mehr ist nicht passiert.
Im Ausschuss und, wie es der Herr Präsident sagte, aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses haben wir vernommen, dass Rot-Grün diesen Antrag ablehnen will, weil er, wie im Ausschuss
gesagt worden ist, erledigt sei. De facto ist aber, wie ich gesagt habe, nichts passiert, außer dass der Rahmenvertrag nicht in Kraft getreten ist. RotGrün hat keine einzige Initiative entwickelt, um die Hochschule bei der Entwicklung neuer Abrechnungssysteme zu unterstützen. Sie haben nicht die Frage beantwortet, wie wir Rechtsunsicherheit vermeiden. Kostenthematiken wurden gar nicht erst angesprochen. Zu alledem haben wir im Ausschuss keine Antwort erhalten. Wie kann vor diesem Hintergrund der Antrag erledigt sein und jetzt abgelehnt werden?
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und die Unterlagen zu den Ausschusssitzungen der Jahre 2015/2016 im Hinblick daraufhin durchgesehen, wann das Thema Digitalisierung dort eine Rolle gespielt hat. Wir hatten 45 Sitzungen, in denen das Thema Digitalisierung 17 Mal auf der Tagesordnung stand: zehnmal auf Initiative der CDU,
siebenmal auf Initiative der FDP. Wer rechnen kann, der weiß nun, dass es null Mal einen Antrag der SPD zum Thema Digitalisierung gegeben hat und null Komma null Mal einen Antrag von den Grünen.
Ich muss Ihnen sagen, dass man von Ihnen in der Ausschussberatung und hier im Landtag über Digitalisierung nichts lernen kann. Wahrscheinlich lerne ich in der „Sendung mit der Maus“ mehr darüber als von Ihnen.
Das Einzige, was Sie jetzt schaffen, ist die Einsetzung eines Digitalrates. Wie gesagt, wir beraten das Thema Digitalisierung im Ausschuss schon seit 2015. Jetzt fällt Ihnen ein Digitalrat ein. Da wird jetzt wohl wieder Kaffee verteilt und werden schöne Schnittchen geschmiert.
Die Hochschulen, die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger im Lande haben von Ihnen in Sachen Digitalisierung nichts zu erwarten. Deshalb fordere ich Sie auf, trotz der Ausschussempfehlung diesem Antrag zuzustimmen, damit wir die Digitalisierung und das Urheberrecht in Niedersachsen auf bessere Füße stellen können.
Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. - Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Dr. Silke Lesemann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es so ruhig bleibt wie jetzt, dann ist alles gut. Ich wollte vorhin nicht ständig unterbrechen. Aber es ist manchmal so, dass ich zwar darauf hinweise, doch bitte ruhiger zu sein, dass sich aber gar nichts ändert. Das werden Sie jetzt bei Frau Dr. Lesemann anders machen. So ruhig, wie es eben war, ist es in Ordnung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der digitale Wandel stoppt nicht vor den Toren der Hochschulen. Er ist aber auch weit mehr als die medial aufbereitete Didaktik und verändert die Anforderungen in jedem Fachgebiet und das Profil der künftigen Fach- und Führungskräfte.
Wissenschaft ist durch Forschung und Entwicklung, durch die Schaffung großer freier Datenmengen und durch den internationalen Austausch Treiber der Digitalisierung. Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind durch kreative Nutzung von technischen und organisatorischen Neuerungen auch deren Wegbereiter.
Niedersachsen hat sich bereits vor Jahren auf den Weg gemacht und mit dem Netzwerk ELAN e. V. eine Plattform gegründet, die die Aktivitäten zur digitalen Forschung und Lehre in enger Kommunikation mit dem Wissenschaftsministerium und der Landeshochschulkonferenz zusammenführt.
Auch in den Zielvereinbarungen dieser Landesregierung von Rot-Grün ist die online-basierte Lehre Thema. Der Digital Turn der Hochschulbildung im digitalen Zeitalter stellt auch die Hochschulpolitik
vor neue Herausforderungen. Fragen zum Umgang mit Forschungsdaten, zur virtuellen Forschungsumgebung und zu digitalen Forschungsinformationssystemen müssen dabei genauso im Fokus stehen wie die Möglichkeiten innovativer Lehr-Lern-Szenarien, unterstützende Lernmanagementsysteme sowie die Chancen bei der Nutzung von Open Educational Ressources.
Wie u. a. der Einsatz digitaler Lehr- und Lernformate in die strategische Profilbildung der Hochschule eingebunden wird, soll das gemeinsam von MWK und den Hochschulen zu erarbeitende Eckpunktepapier darlegen, das wir im Frühsommer erwarten.
Meine Damen, meine Herren, in Niedersachsen muss die Digitalisierung an Hochschulen nicht neu erfunden werden. Sie ist bereits in vollem Gange. Anlass des vorliegenden Entschließungsantrags vom 29. November 2016 war der zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort, also der VG Wort, und der KMK ausgehandelte Rahmenvertrag, der zum 1. Januar 2017 in Kraft treten sollte. Er hätte abgeänderte Abrechnungsmodalitäten mit sich gebracht, die die Weiterentwicklung und die Serviceorientiertheit der digitalen Lehre insgesamt absolut infrage gestellt hätten.
Diese Befürchtungen hatten zur Folge, dass die Landeshochschulrektorenkonferenzen im Rahmen ihrer Hochschulautonomie dem Vertrag nicht beigetreten sind. Inzwischen wird allerdings an einer Lösung gearbeitet, um eine bruchlose weitere Nutzung der digitalen Semesterapparate auch künftig zu ermöglichen. Wir erwarten also nicht, dass es im studentischen Leben eine Renaissance der Kopiergeräte geben wird, wie wir sie noch aus unserem Studiendasein kennen. In den 80er-Jahren gab es noch kaum Kopiergeräte, damals gab es Hektographierapparate, aber in den 90er-Jahren und zu Beginn der 2000er-Jahre waren die Kopiergeräte heiß begehrt und dicht umlagert. Das wird künftig sicherlich nicht der Fall sein; denn bis zum 30. September 2017 soll ein neuer Vertrag ausgehandelt werden.
Die kürzlich erfolgte Unterrichtung durch das Wissenschaftsministerium im Ausschuss zeigte, dass die im CDU-Antrag formulierten Punkte durch Regierungshandeln bereits abgearbeitet sind.
Was das Thema Bildungs- und Wissenschaftsschranke angeht, hat Niedersachsen Anträge im Bundesrat unterstützt, die eine wissenschaftsfreundliche Schrankenregelung für die Nutzung
Wir können auch davon ausgehen, dass sich das Land ähnlich verhalten wird, wenn im Bundesrat der lange angekündigte Gesetzentwurf zum Urheberrechtsgesetz behandelt wird. Ich denke, das wird demnächst passieren. Wir erwarten natürlich auch von der Landesregierung, dass sie sich entsprechend verhält.
Insofern, meine Damen und Herren, gehen wir, die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, davon aus, dass Ihr Antrag durch Regierungshandeln erledigt ist. Die Landesregierung - davon sind wir auf dieser Seite fest überzeugt - wird auch künftig alles dafür veranlassen, mit wissenschaftsfreundlichen Regelungen die Digitalisierung an unseren Hochschulen weiterhin voranzubringen. Ihres Antrages bedarf es dazu nicht.
Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Möchten Sie kurzintervenieren, Herr Dr. Siemer? - Bitte schön, Sie haben für 90 Sekunden die Gelegenheit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tatsächlich hat sich nichts erledigt. Das Einzige, was bisher passiert ist, ist, dass der Vertrag ausgesetzt wurde und jetzt daran gearbeitet wird, eine neue Lösung zu finden. Unsere Erwartung an die Landesregierung ist schon, dass sie dort tätig wird. Das aber ist nicht zu erkennen.
Insofern bedarf es schon unseres Antrages, die Landesregierung aufzufordern, hier tätig zu werden. Es sind darin ja auch einige inhaltliche Punkte zum Urheberrecht angesprochen worden. Die Hochschulen und die Studierenden warten hierbei auf Unterstützung, die Sie, wenn Sie bei Ihrem ablehnenden Abstimmungsvotum bleiben, nicht leisten. Sie lassen die Hochschulen und die Studierenden alleine.