Protocol of the Session on February 1, 2017

(Gudrun Pieper [CDU]: Was?)

- Ja, genau: Was? Sie sagen es zu Recht, Frau Pieper. Das war nämlich bei der Anhörung auch die Antwort der Verbände: Was? Nein, ganz das Gegenteil ist der Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ursache für Kinderarmut ist vielfältig. Als Parlamentarier müssen wir alle Bausteine im Blick behalten. Da gebe ich Ihnen recht. Wir in der rot-grünen Regierungskoalition haben das bereits getan. Das Landesprogramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit bietet da einen großen Vorsprung. Indem man Langzeitarbeitslosen wieder die Möglichkeit gibt, in das Berufsleben einzusteigen, kann man auch der Kinderarmut entgegenwirken.

Die deutliche Erweiterung der Fördermöglichkeiten des sozialen Wohnungsbaus möchte ich noch einmal nennen. Auch das ist eine große Hilfestellung.

Für den intensiven Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen - darüber haben wir gerade ganz viel gesprochen - und den zukünftigen Anspruch auf einen kostenfreien Kitaplatz werden wir uns als SPD-Fraktion mit voller Kraft einsetzen. Das hat Uwe Santjer hier hervorragend vorgetragen. Dem

braucht man nichts weiter entgegenzustellen. Wir werden das umsetzen. Bei Ihren Ankündigungen handelt es sich hingegen nur um Versprechen, die Sie nicht erfüllt haben.

Auch unsere Bundessozialministerin Manuela Schwesig setzt mit der Reform des Unterhaltsvorschusses ein deutliches Zeichen; denn Kinder sind nicht nur bis 12 Jahre Kinder, sondern bis 18 Jahre bzw. darüber hinaus auch noch in Familieneinkünften zu sehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag ist ein wichtiger und notwendiger Baustein, um Kinderarmut strukturell zu bekämpfen.

Wir wurden in der Anhörung noch einmal darauf hingewiesen, dass die Beantragung der entsprechenden Leistungen für viele Eltern als extrem erniedrigend empfunden wird. Deshalb soll die Beantragung auf jeden Fall unbürokratischer und diskriminierungsfreier gehandhabt werden. Wir bitten die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, und sich ferner auch dafür einzusetzen, dass kurzfristig die Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket sowie für weitere Teilhabeleistungen erhöht werden. Das haben Sie in Ihrem Antrag auch noch einmal aufgegriffen. In unserem Antrag steht es aber schon. Das Schwarze darauf, die Buchstaben, kann man lesen.

Mittelfristig müssen die SGB-II-Regelsätze unter Einbeziehung des Bildungs- und Teilhabepaketes an den Verlauf einer typischen und durchschnittlichen Kindheit angepasst und entsprechend erhöht werden. Hierzu müssen die Bedarfe der Kinder natürlich transparent neu ermittelt werden, um Chancengerechtigkeit zu ermöglichen.

Wir fordern, dass langfristig alle staatlichen Leistungen der Kinderförderung - Kindergeld, Kinderzuschlag - zu einer einheitlichen Kindergrundsicherung zusammengeführt werden. Deren Höhe muss dem verfassungsrechtlichen Existenzminimum entsprechen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ziel ist es - ich denke, da spreche ich für die Mehrheit in diesem Plenum; die FDP hat sich zumindest dazu durchgerungen, sich zu enthalten, und ist ins Nachdenken gekommen; ich hoffe, dass die CDU das auch noch tun wird -, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu formen und gleiche Lebens- und Verwirklichungschancen für jedes Kind hier umzusetzen. Unser Antrag ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, für mehr Chancengleichheit und

für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu sorgen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Glosemeyer. - Das Wort hat jetzt für die CDU-Fraktion der Kollege Volker Meyer. Sie haben das Wort. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Glosemeyer, ich bin schon etwas erstaunt über Ihre Aussagen. Sie waren es ja, die in den Ausschusssitzungen, gerade bei der Abschlussberatung, deutlich gemacht haben, dass Sie nicht über Änderungen dieses Antrages diskutieren wollen, weil Sie keinen Änderungsbedarf sehen. Sie haben diesen Antrag durch den Ausschuss geboxt. Wir wollten über mögliche Änderungen diskutieren. Dem haben Sie sich verweigert.

(Beifall bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Sie wollten verzögern! Das wollten Sie!)

In der Zielsetzung dieses Antrages, dass Kinder alle Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben und auf volle Teilhabe am sozialen Leben haben müssen, sind wir uns völlig einig. Uns unterscheidet jedoch sehr deutlich der Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann.

Zunächst einmal ist festzustellen - da gebe ich Frau Glosemeyer durchaus recht -, dass die Einkommenssituation der Eltern die Grundlage der Lebenslage des Kindes ist.

Durch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik der CDUgeführten Landesregierungen in den vergangenen Wahlperioden wurden die Wirtschaft gestärkt und Arbeitsplätze geschaffen und damit das Risiko der Arbeitslosigkeit als größter Armutsfaktor deutlich reduziert. Sie stärkte die Familien in Niedersachsen und damit auch deren Kinder; denn die Eltern konnten dadurch ihre Kinder nicht nur materiell versorgen, sondern auch soziale Teilhabe organisieren. Daher müssen wir zum Wohle der Kinder darauf achten, dass die finanzielle Situation der gesamten Familie stabil bleibt. Diese von der CDU organisierte Politik ist eine erfolgreiche Politik nicht nur für die Wirtschaft, sondern gerade auch für die Kinder und für die Familien in Niedersachsen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werfen wir noch einmal einen Blick auf die wesentlichen Ergebnisse der Verbandsanhörung.

Herr Kollege Meyer, Herr Kollege Schwarz hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet. Würden Sie die an der Stelle zulassen?

Er kann gerne fragen.

Bitte, Herr Schwarz!

Herr Meyer, ich habe nur eine ganz kurze Zwischenfrage. Können Sie mir sagen, inwieweit sich die Kinderarmutsquote durch Ihre „erfolgreiche“ Wirtschaftspolitik verbessert hat?

Herr Meyer, bitte!

Herr Kollege Schwarz, die Frage ist immer, wie ich Kinderarmut messe und wo ich die Grenze setze. Darüber müsste man vielleicht auch noch einmal diskutieren.

Wir sollten vielleicht zunächst einmal einen Blick auf die wesentlichen Ergebnisse der Verbandsanhörung werfen. Als besonders gefährdet gelten Kinder von Alleinerziehenden, von Eltern, die arbeitslos sind, aus kinderreichen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund. Als Kernpunkte zur Bekämpfung der Kinderarmut wurden vorgetragen: erstens die Entbürokratisierung der BuTLeistungen und die Berücksichtigung von Mobilitätskosten sowie

(Zustimmung bei der CDU)

zweitens die Reform des Unterhaltsrechts. Hier hat die Bundesregierung bereits geliefert. Das wurde von allen Angehörten und gerade auch von der Jungen Gruppe in der CDU-Fraktion sehr positiv bewertet. Drittens genannt wurde der kostenlose Zugang zu Kindertagesstätten, viertens ein kostenloses Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen, fünftens der Ausbau der Kita- und Schulangebote sowie der sozialen Infrastruktur und sechstens die verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen.

An diesen Punkten zeigt sich deutlich, dass zur Bekämpfung von Kinderarmut nachhaltige Strategien entwickelt werden müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Diese müssen auf verschiedenen Ebenen ansetzen und durch einen Mix aus sozialen Transfers und Investitionen in soziale und bildungspolitische Maßnahmen eine bessere Teilhabe ermöglichen. Alleine nur die Aufstockung finanzieller Leistungen für Familien ist zur kurz gedacht und nicht zielführend.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielmehr müssen wir gerade im frühkindlichen Bereich noch mehr Bildungschancen eröffnen. Bildung ist einer der Schlüssel, der Ungerechtigkeiten am wirksamsten beseitigen kann.

Schauen wir einmal in den Antrag der Regierungsfraktionen, so stellen wir - wie so häufig - fest: Eigene Vorschläge aus Bereichen, die selber gestaltet werden können, zum Beispiel Kindergärten und Schulen - Fehlanzeige! Sie stellen eben nicht, wie vom Kollegen Santjer sehr ausführlich dargestellt, die Kinder in den Mittelpunkt Ihrer Tätigkeit, sondern es ist das, was Frau Hamburg beschrieben hat: Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht der Ruf nach Berlin. Das ist aber nicht das, was die Eltern und die Kinder, die von Kinderarmut betroffen oder gefährdet sind, von Ihnen erwarten. Übernehmen Sie endlich selber Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Die Notwendigkeit der Vereinfachung der BuTLeistungen sehen wir genauso wie Sie. Die Regierungsfraktionen sprechen in ihrem Antrag von einem eigenen Anspruch auf Grundsicherung für Kinder bzw. von einer Anpassung der Kinderregelsätze an den unbedingt erforderlichen tatsächlichen Bedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren Urteile zum Existenzminimum bei Kindern gesprochen. Diese finden bereits heute Anwendung in den SGB-II-Regelsätzen. Diese müssen natürlich - und das geschieht ja auch - regelmäßig überprüft und angepasst werden. Ihre Forderung nach einem Verzicht der Anrechnung des Kindergeldes auf SGB-II-Leistungen kann von uns nicht mitgetragen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Es kann und darf nicht sein, dass jemand, der arbeitet und keine SGB-II-Leistungen erhält, weniger Einkünfte hat als derjenige, der SGB-IILeistungen erhält und zusätzlich Kindergeld be

kommt. Hier muss es auch weiterhin einen ausreichenden Abstand zwischen Sozialleistungen und Arbeitseinkommen geben, damit sich Arbeit weiterhin lohnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit unserem vorliegenden Änderungsantrag greifen wir viele Punkte aus der Verbandsanhörung auf und eröffnen Kindern echte Chancen für mehr soziale Teilhabe, für bessere Gesundheitsvorsorge, für eine bessere Sprachförderung und nicht zuletzt - einer der wichtigsten Punkte - die Abschaffung der Elternbeiträge beim Besuch der Kindertagesstätten. Dies sind echte Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit werden die Kernforderungen aus der Verbandsanhörung umgesetzt. Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, sind wir bereit, unsere eigenen Zuständigkeitsbereiche weiterzuentwickeln, rufen nicht nach Berlin und übernehmen Verantwortung für die Menschen in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der CDU)

Stimmen Sie unserem Änderungsantrag für ein besseres, sozialeres, kinder- und familienfreundlicheres Niedersachsen zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Meyer. - Das Wort erteile ich jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Kollegen Thomas Schremmer.

Herr Präsident, vielen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will es am Beispiel einer bestimmten Person einmal ein bisschen konkreter machen. Vorletzte Woche ist in der Zeitschrift Die Zeit ein Artikel von der Autorin Julia Friedrichs erschienen, die seit zehn Jahren über Kinderarmut schreibt. Ich lese nur einmal den ersten Absatz vor, der da lautet: