Protocol of the Session on November 23, 2016

In der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz von 1994, die von der UN einberufen wurde, wurde im Abschlussbericht ein Recht auf reproduktive Gesundheit formuliert. Darin wurde ein umfassendes Wohlergehen in ganz vielen reproduktiven Fragen gefordert, u. a. für die Familienplanung. Diese Weltbevölkerungskonferenz ist eine Abkehr von staatlichen Vorgaben, wie sich die Bevölkerung

entwickeln soll, und sozusagen ein gegenseitiger Meilenstein, damit sich die Bevölkerung aufgrund individueller Entscheidungen der jeweiligen Frauen und Männer entwickeln kann. Das ist insbesondere auch eine Stärkung der Frauenrechte; denn Frauen sollen über die Anzahl ihrer Kinder selbst entscheiden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich glaube, das ist ein gutes Schlusswort. Ich freue mich auf die vielleicht auch kontroversen Auseinandersetzungen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Wernstedt. - Jetzt hat sich Frau Joumaah für die CDU-Fraktion gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Natürlich wollen auch wir von der CDU-Fraktion, dass es Frauen mit geringem Einkommen ermöglicht sein muss, sicher zu verhüten. Wenn alle Frauen Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln hätten, ließen sich viele ungewollte Schwangerschaften und vor allem auch sehr viele Schwangerschaftsabbrüche verhindern, die im Übrigen bezahlt werden.

(Petra Tiemann [SPD]: Da haben Sie sehr recht!)

Unser aller Ziel muss ganz klar sein: So wenig ungewollte Schwangerschaften und so wenig Schwangerschaftsabbrüche wie nur möglich!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist festzustellen, dass es auf regionaler Ebene - dies gilt für die gesamte Bundesrepublik - tatsächlich sehr unterschiedliche und uneinheitliche Regelungspraktiken gibt. Vielerorts gibt es Unterstützungskonzepte. Die Region Hannover beispielsweise übernimmt die Kosten für Empfängnisverhütungsmittel und die Sterilisation für Männer und Frauen, die Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII sowie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten.

Aber weil diese Regelungen regional begrenzt sind, sind sie eben nicht gerecht. Deshalb ist es sicherlich sinnvoll, sich um eine bundesgesetzliche einheitliche Regelung zu bemühen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die in Ihrem Antrag geforderte rückwirkende Erstattung von vorverauslagten Kosten für Notfallkontrazeptiva lehnen wir ab. Deren Inanspruchnahme sollte im Leben einer Frau im Gegensatz zu regelmäßiger Verhütung die absolute Ausnahme sein. Dieser finanzielle Aufwand wäre dann wirklich verkraftbar.

Es sei darauf hingewiesen, dass bei jungen Frauen unter 20 Jahren - da kann nach einem völlig ungeplanten ersten sexuellen Kontakt die Pille danach hin und wieder durchaus indiziert sein - alle Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Wegen dieser Regelung werden bei Frauen unter 20 Jahren hormonelle Verhütungsmittel wie Pille, Dreimonatsspritze, Hormonspirale usw. von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt.

Die in Ihrem Antrag genannte Zielgruppe ist als überdimensioniert zu betrachten. Sie fordern die Kostenübernahme z. B. für Auszubildende und Studierende.

Meine Damen und Herren, da muss differenziert werden. Selbstverständlich gibt es sicherlich einen Anteil mit geringem Einkommen. Aber viele Auszubildende und Studierende verfügen eben auch über ein durchaus auskömmliches Einkommen, das es ihnen ermöglicht, ihre Verhütungsmittel selbst zu finanzieren.

Das vom Bundesfrauenministerium für drei Jahre geförderte Modellprojekt „Zugang zu verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln, Kostenübernahme, Informationen und Beratung für Frauen mit Anspruch auf Sozialleistungen“, durchgeführt von pro familia, ist zu begrüßen.

Die zu erwartenden Daten und Zahlen können sicherlich auf dem Weg zu einer bundeseinheitlichen Regelung helfen. Ich freue mich auf bestimmt sehr interessante Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Joumaah. - Jetzt hat sich Thomas Schremmer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Schremmer!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die SGB-II-Regelsätze waren hier im Landtag schon häufiger Thema, auch im Rahmen von Ausschussbefassungen. Dass wir sie für zu niedrig und angesichts der Lebensrealität nicht für angemessen halten, ist, glaube ich, keine Überraschung. Auch nach der für das nächste Jahr geplanten Erhöhung auf dann 404 Euro halte ich den Regelsatz nicht für angemessen.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir auf ein besonderes Problem hinweisen. Ich glaube, dass insbesondere Empfängerinnen von SGB-II-Leistungen und einkommensschwache Frauen de facto keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, vor allem nicht zu verschreibungspflichtigen Verhütungsmitteln. Das ist, finde ich, ein Grundsatzproblem. Wenn Sie sich angucken, dass man heutzutage 19 % Mehrwertsteuer auf diese Produkte bezahlen muss, dass es dann, wenn man sich ein Reitpferd kauft, nur 7 % sind und dass man dann, wenn man eine Kapitalanlage organisiert, überhaupt keine Umsatzsteuer bezahlt, dann finde ich allein schon diese Frage relevant.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dass SGB-II-Leistungsempfängerinnen an dieser Stelle ausgenommen werden, halte ich für grundsätzlich verkehrt.

Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf den Regelbedarf in der Gesundheitspflege - das ist selbstverständlich auch ein Gesundheitsthema - in Höhe von sage und schreibe 17 Euro im Monat. Das möchte ich gern mal sehen, wie man davon sowohl die Dinge, die man für seine Gesundheitsversorgung selber benötigt, als auch die Mittel für die Verhütung von Schwangerschaften bezahlen will. Das sollte mir mal jemand zeigen.

Also, es ist eine Tatsache - das haben auch Studien gezeigt -, dass Frauen mit geringem Einkommen aus Kostengründen auf eine sachgerechte Verhütung verzichten und dass dadurch die Zahl der ungewollten Schwangerschaften steigt. Sie haben recht, Frau Joumaah, Schwangerschaftsabbrüche werden in der Regel finanziert und be

zahlt. Aber das kann ja nicht Sinn der Sache sein. Genauso glaube ich, dass die „Pille danach“ weiterhin ein Ausnahmetatbestand ist und aus meiner Sicht deswegen ebenso finanziert gehört. - Das nur mal zu dem, was die CDU hier gesagt hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im Übrigen halte ich die Nichtfinanzierung der Verhütungsmittel für zynisch. Der entscheidende Punkt ist, dass hier das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung massiv eingeschränkt wird.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ich glaube, mit geringen Mitteln wäre die Bundesregierung in der Lage, nachdem sie das Modellprojekt, das ja auch in Wilhelmshaven läuft, evaluiert hat, jetzt zu sagen, wir übernehmen das über die Regelsätze oder meinetwegen auch in einer anderen Form.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Andrea Schröder-Ehlers [SPD])

Ich glaube, wir alle haben hier kein Erkenntnisdefizit. Alle bestätigen - ich gehe davon aus, dass das Frau Bruns hier auch gleich sagen wird -, dass es hier ein Problem gibt. Aber wir haben ein Handlungsdefizit. Wir haben in Niedersachsen einige Kommunen, die schon Lösungen anbieten, die bereits in der Finanzierung einspringen. Hier gibt es aber einen Flickenteppich, und deswegen haben wir gesagt, wir fordern jetzt einmal die Landesregierung zu einer Bundesratsinitiative auf. Wir finden, das ist der richtige Weg.

Dann will ich zum Schluss noch Folgendes ganz deutlich sagen. Insbesondere für die betroffenen Frauen, die im SGB-II-Bezug sind, ist im Prinzip alles das Luxus, was wir für selbstverständlich halten. Dazu zählen für mich auch kulturelle Teilhabe, ausgewogene Ernährung, viele andere Dinge, die nicht über die Regelsätze finanziert werden. Und Verhütung gehört aus meiner Sicht genauso dazu.

Diese Dinge sind gesellschaftlich notwendig, und ich finde, wir tun Richtiges, wenn wir auch an dieser Stelle sagen, der Regelsatz ist zu niedrig, und wir möchten gern, dass dies dort mitfinanziert wird.

Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schremmer. - Frau Bruns, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir betrachten den Antrag sehr wohlwollend, wie wir das gleich wohl alle zum Ausdruck gebracht haben werden. Aber noch ein paar Dinge zum Thema: Seit 2004 ist das aus dem SGB-Bezug herausgenommen worden. Ich kann es mir nicht verkneifen, jetzt zu sagen, dass es eine rot-grüne Bundesregierung war, die den SGBBezug damals verändert hat.

(Zustimmung bei der FDP - Thomas Schremmer [GRÜNE]: Das stimmt!)

Auf so etwas weisen Sie ja sonst auch immer hin. Deshalb habe ich mir das jetzt auch vorbehalten.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wie hat sich denn die FDP im Bundesrat dazu verhalten?)

- Gute Frage, Herr Limburg. Aber erst einmal ist es ja so durchgekommen, weil es Regierungshandeln war. Es heißt ja immer so schön: Regierung handelt. Deswegen ist es durch Regierungshandeln herausgenommen worden.

Ich finde es durchaus richtig, sich über die SGBSätze Gedanken zu machen. Wir haben das ja auch noch im Bereich der Kinderarmut. Da haben wir auch darüber gesprochen, dass wir generell in vielen Bereichen eine Neuberechnung wollen. Deswegen sollte man tatsächlich gucken, dass man das irgendwann einmal zusammenfasst und sich nicht immer nur singulär Punkte wie Kinderarmut und jetzt Verhütungsmittel heraussucht.

Wir teilen in den Bereichen die Analyse und unterstützen auch den Punkt, dass die rückwirkende Erstattung von Kosten für Notfallkontrazeptiva erforderlich ist. Wenn ich das nämlich ernst meine und A sage - ich möchte so wenig ungewollte Kinder und so wenige Schwangerschaftsbrüche wie möglich haben -, dann muss ich auch B sagen und erklären, dass das auch mit in den Bezug hineingehört. Die sind ja auch nicht so günstig, dass man sagen kann, das ist in den 17 Euro irgendwie mit drin, sodass man sich das leisten könnte.

(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD sowie bei den GRÜNEN)

Der moralische Punkt ist auch für mich, dass für Verhütung nicht bezahlt wird, dass man aber

durchaus bereit ist, über Schwangerschaftsabbrüche zu reden, die von den Kassen bezahlt werden. Das, meine ich, ist durchaus ein Punkt, dem wir uns stellen müssen. Das ist so nicht in Ordnung.