Wer seine eigene Sprache nicht beherrscht, wird große Schwierigkeiten haben, eine weitere Sprache zu erlernen.
Natürlich wird uns die Förderung der Herkunftssprache nur gelingen, wenn wir Fachpersonal dafür haben. Auch da müssen wir sehr viel besser werden. Wir müssen Studienangebote schaffen, und wir müssen auch besser werden in der Anerkennung von Abschlüssen aus anderen Ländern.
Herr Kollege, ich darf Sie ganz kurz unterbrechen. Frau Bertholdes-Sandrock würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege, Sie haben gerade zutreffend gesagt: Wer seine eigene Sprache vernünftig spricht, wird auch eine Fremdsprache leichter lernen. - Dieser Satz ist unbestritten. Ich frage Sie aber - da Sie zuvor auch richtigerweise zugegeben haben, dass viele Kinder ihre eigene Muttersprache noch nicht beherrschen, wenn sie kommen -, ob Sie nicht auch der Ansicht sind, dass es extrem schwierig ist, zwei Sprachen, die man beide unvollkommen beherrscht - Deutsch nämlich gar nicht oder fast gar nicht und die Herkunftssprache auch nur unvollkommen -, parallel zu erlernen, und dass wir damit die Kinder, die zu uns gekommen und in dieser Situation sind, gnadenlos überfordern würden - und die Lehrerinnen und Lehrer auch.
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das hat man vor 30 Jahren gesagt! - Susanne Menge [GRÜNE]: Genau das Gegen- teil ist der Fall!)
Frau Kollegin, ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Voraussetzungen für den Erwerb einer ersten Fremdsprache - für diese Kinder: Deutsch - hinweisen. Wir wissen: Eine Voraussetzung sind gute, gesicherte Kenntnisse der Herkunftssprache. Darauf aufbauend, kann der Erwerb des Deutschen gelingen.
Der Erlass zur Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache bringt das sehr bewusst in einen Kontext und dividiert es nicht auseinander.
Es kann natürlich nicht von heute auf morgen gelingen, gute Systeme für die Förderung der Mehrsprachigkeit aufzubauen. Wir wollen deshalb mit Modellprojekten beginnen. Das halte ich an dieser Stelle für genau den richtigen Weg.
Natürlich gehört die Förderung der Herkunftssprache auch in die Kitas. Da sind unterschiedlichste Modelle vorstellbar, selbstverständlich auch Modelle, von denen auch deutsche Kinder profitieren. Aber wir wollen keine arabischen Kitas; wir wollen auch keine Farsi-Kitas oder was auch immer. Das ist eine Lesart unseres Antrages, die ich für höchst problematisch halte. In der weiteren Debatte müssen wir aufpassen, dass diese Lesart sich als das erweist, was sie ist, nämlich unwissenschaftlich und an der Sache völlig vorbeigehend.
Wir sollten im Zusammenhang mit dem hier vorgelegten Entschließungsantrag wirklich keine überflüssigen Ängste erzeugen.
Wir wollen auch nicht - ich weise noch einmal darauf hin -, dass Abiturprüfungen in Zukunft in der Herkunftssprache abgelegt werden. Wir wollen, dass die Herkunftssprache Teil des Abiturs wird - nicht mehr und nicht weniger.
Ich glaube, wir sind hier auf einem ausgezeichneten Weg. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir hier ein gutes Stück zusammengehen.
Sie haben eben das Abitur angesprochen und davon gesprochen dass die Herkunftssprache selbstverständlich nicht das Abitur prägen soll. Aber sie soll Bestandteil des Abiturs sein können. Soll es möglich sein, mit einer solchen Fremdsprache im Abitur andere Fächer auszugleichen, oder wie soll das praktisch funktionieren?
Herr Seefried, erstens - das soll keineswegs eine Entschuldigung sein - sind wir erst am Anfang des Diskussionsprozesses um diese Frage.
Zweitens befinden wir uns natürlich immer in einem Abwägungsprozess. Im Moment gibt es im Fremdsprachenunterricht eine Hierarchie. Ganz oben steht natürlich der Erwerb des Englischen; das ist gut nachvollziehbar. Anschließend wird die Hierarchie ein bisschen offen: Französisch, Latein, Spanisch.
Diese Hierarchie hat sich aus einer Tradition entwickelt. Hier sitzen viele Menschen, die Resultat dieser Tradition sind.
Vielen Dank, Herr Scholing. - Jetzt hat sich Karin Logemann, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön!
„Andrej spricht mit Jegor russisch, Jegor mit Andrej lieber deutsch. Yuko war in den Ferien bei den Großeltern in Japan und hat seither Probleme mit dem R. Und der dreijährige Simon redet beim Früchtespiel laufend von ‚Apples‘ und ‚Birnens‘. Ein solches babylonisches Sprachengewirr bereitet … gewöhnlich Kopfzerbrechen. In der Kita Multi Lingua in Berlin-Charlottenburg ist es ausdrücklich erwünscht. ‚Wir freuen uns über jedes Kind, das nicht nur Deutsch spricht‘, sagt Dina Chubukova“
in dem hochinteressanten Bericht „Ein Kind, drei Sprachen“ von Martin Spiewak, der letztes Jahr in der Zeit Online erschien.
Ein Viertel unserer Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Damit verbunden ist bei vielen dieser Menschen natürlich eine andere Muttersprache als die deutsche. Dass gerade dies jedoch kein Nachteil ist, sondern enorme Chancen bietet, wird zunehmend erkannt und akzeptiert.