Protocol of the Session on November 22, 2016

- Nein, das ist nicht richtig. Sie stellen hier - das ist mir noch ein wichtiger Hinweis - auf einmal ein Schulmodell vor, das angeblich so idyllisch ist: die Förderschule Lernen als der Ort, an dem individuelle Hilfen gegeben werden.

(Christian Dürr [FDP]: Lassen Sie doch die Eltern entscheiden!)

Herr Försterling, wir können uns gerne einmal darüber unterhalten, wie realitätstauglich dieses Schulbild eigentlich ist.

(Christian Dürr [FDP]: Unfassbar!)

Ich verweise gerne noch darauf - weil Sie sich hier jetzt gerade so aufregen -, dass das absolut nichts mit der Arbeit zu tun hat, die dort vor Ort gemacht wird.

(Christian Dürr [FDP]: Warum lassen Sie denn nicht die Eltern entschei- den?)

Das hat etwas mit Strukturen zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass in dieser Schule vorzugsweise Kinder aus bildungsfernen Schichten sind.

(Christian Dürr [FDP]: Sie setzen Ihre Ideologie durch, nichts anderes!)

Das hat etwas damit zu tun, dass in dieser Schulform 70 % Jungen und 30 % Mädchen sind. - Man muss doch einmal darüber nachdenken, was da für Lernbedingungen herrschen. Also wirklich!

Sie müssen zum Schluss kommen.

Das ist die Debatte, die wir führen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Scholing. - Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, können wir fortfahren. - Jetzt hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Santjer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion ist Weg und Ziel zugleich. Von daher geht es uns auch immer wieder um die Frage, wie wir am Ende tatsächlich dazu kommen können, dass wir Schulen und eine Gesellschaft haben, in denen jede und jeder willkommen ist, so wie er oder sie gerade ist.

Herr Försterling, ich nehme es einmal als Kompliment, wenn Sie hier vorne stehen und deutlich sagen, dass für uns nichts anderes gilt als „Inklusion, Inklusion, Inklusion“. Ich finde, das ist eine gute Zielsetzung. Dabei wollen wir auch gerne bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Gegen die betroffenen Kinder!)

- Ach, das mit den betroffenen Kindern!

(Christian Grascha [FDP]: Ja! - Weite- re Zurufe von der CDU und der FDP)

- Nein, die Frage ist - - -

(Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

- Das unterscheidet uns vielleicht.

Herr Kollege Santjer, Sie müssen hier keinen Dialog führen. Sie haben nämlich das Mikrofon und können Ihre Rede fortsetzen.

Frau Präsidentin, vielen herzlichen Dank. Aber es ist alles gut.

(Heiterkeit)

Wir können feststellen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, mit Ihrem Gesetzentwurf - da bin ich sehr dicht bei Herrn Scholing - nicht nur eine Bremse einführen wollen. Vielmehr sprechen Sie sich hier sehr deutlich dagegen aus, dass Inklusion weiter fortschreitet. Aber das ist etwas, was mit uns nicht machbar ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das, was uns wirklich umtreibt, sind die Schülerinnen und Schüler. Wir wissen, dass Eltern sehr wohl die inklusive Schule auswählen, dass Eltern sehr wohl sagen, dass sie ihre Kinder in der inklusiven Schule besser aufgehoben wissen. Wir wissen sehr wohl, dass gerade das auch Schulen sind, die eine Pädagogik an den Tag legen, bei der das einzelne Kind in den Mittelpunkt gerückt wird. Wir wissen sehr wohl, dass das eine Pädagogik ist, bei der Lehrerinnen und Lehrer dafür Sorge tragen können, dass die Kinder eine Unterstützung in den Bereichen erhalten, in denen sie am Ende der Förderung bedürfen.

Dazu liegen uns auch einige Zahlen vor; das werden wir im Laufe der Debatte noch hören. Noch 2005 hatten wir 24 000 Schülerinnen und Schüler an den Förderschulen L. 2016 sind es 9 000 Schülerinnen und Schüler. Das ist eine Entwicklung, die richtig und gut ist. Diese müssen wir weiter voranbringen.

(Zuruf von Kai Seefried [CDU])

- Herr Kollege Seefried, was will denn dieser Gesetzentwurf? - Dieser Gesetzentwurf will weiterhin die Doppelstrukturen aufrechterhalten. Wir sind uns doch 2012 eigentlich einmal einig gewesen, dass Doppelstrukturen keinen Sinn machen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Das haben wir nie gesagt!)

Das kriegen wir nicht hin, und es macht auch für die Schülerinnen und Schüler und für die Lehrkräfte überhaupt keinen Sinn, so viele Schulformen

aufrechtzuerhalten, dass man glaubt, es braucht für jeden eine eigene Schulform.

Ich frage mich, wie das hier in diesem Landtag gehen sollte, wenn ich einmal ehrlich sein soll: Hier gibt es manche, die eine Sehhilfe brauchen. Dann gibt es manche, die nicht gut hören können. Manche müssen eine Gehhilfe haben, und was weiß ich nicht alles. Wollen wir demnächst unterschiedliche Einteilungen vornehmen? - Mit uns jedenfalls nicht! Wir glauben einfach daran, dass die Inklusion untrennbar ist, dass die Inklusion die größte Aufgabe ist, die wir vor uns haben. Wir werden sie auch vernünftig lösen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU)

Was die Kinder angeht, die Hilfe brauchen, so ist doch nicht die Frage, welche Schulform wir morgen brauchen, sondern, welche Hilfe die Kinder brauchen. Wir haben uns gemeinsam - da war ich ja noch gar nicht dabei; das haben Sie gut gemacht - am 20. März 2012 für die inklusive Schule ausgesprochen. Wir haben daraufhin - ich sage einmal so - die ersten Bausteine dafür gesetzt, dass Inklusion auch gelingen kann.

Die Frage, der wir uns stellen müssen - da freue ich mich auf die Diskussion auch im Kultusausschuss -, ist: Welche Bedingungen müssen wir schaffen, damit Lernen gelingt und den Kindern so geholfen werden kann, dass sie im inklusiven System groß werden können, lernen können und sich weiterbilden können? Ich glaube, das ist die entscheidende Frage, die wir zu bewerkstelligen haben. Ich bin da sehr gespannt und freue mich auf die Diskussion.

Ihr Gesetzentwurf - das kann ich für uns heute schon sagen - führt insoweit ins Leere, weil er wirklich nicht die Idee des Gemeinsamen hat, sondern er hat die Idee des Trennenden. Das bedauere ich sehr. Insbesondere dass die Kolleginnen und Kollegen der FDP so etwas unterstützen, ist sehr schade. Ich hatte etwas anderes verstanden. Ich hatte etwas von Handreichen und von Brücken-Bauen verstanden. Hier ist etwas Trennendes. Aber wir werden das Trennende überwinden; da bin ich wenig in Sorge.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Santjer. Für die CDUFraktion hat nun Herr Kollege Seefried das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Kultusministerin führte letzte Woche in einer Pressekonferenz aus - ich zitiere aus der Pressemitteilung des Kultusministeriums -:

„Ich bin mit dem Start der Inklusion durchaus zufrieden, weil die Inklusion von den Eltern angenommen wird und es vielen Schulen zur Normalität geworden ist, dass Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen.“

So die Sichtweise der Kultusministerin, so die Sichtweise, wie die Ministerin die Situation in unseren Schulen beurteilt. Ich kann dem Kollegen Försterling mit all den Zitaten, die er vorhin aus Berichterstattung, aus Leserbriefen und allem gebracht hat, nur zustimmen: Wer die Realität bei uns in den Schulen kennt, weiß, dass diese Ministerin himmelweit von der Realität in unseren Schulen in Niedersachsen entfernt ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Filiz Polat [GRÜNE]: Unerhört!)

Meine Damen und Herren, es nützt auch nichts, die Probleme bei der Umsetzung der Inklusion schönzureden. Die Menschen in Niedersachsen sind verunsichert, die Eltern sind verunsichert, und die Lehrkräfte sind es auch. Aber sie sind nicht verunsichert, weil die FDP einen Gesetzentwurf eingebracht hat, sondern sie sind verunsichert, weil diese Landesregierung seit dreieinhalb Jahren tatenlos danebensteht und nicht auf die aktuellen Probleme bei der Umsetzung der Inklusion reagiert.

(Beifall bei der CDU)

Die Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Inklusion stimmen nicht. Seit 2013 steht diese Regierung tatenlos daneben.

Es reicht nicht, Herr Scholing, hier heute zu sagen, man weiß, dass etwas getan werden muss. Denn wenn man das schon weiß, dann muss man irgendwann auch handeln. Ich darf Sie daran erinnern: Sie sind im letzten Jahr Ihrer Regierungstätigkeit in Niedersachsen. Es ist etwas spät, dass Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind.

(Beifall bei der CDU)

Im Gegenteil: Durch die jetzige Regierung wird aus der Wahlfreiheit eine Zwangsinklusion. Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen ist systematisch gegen die Wand gefahren worden. Der Druck auf unsere Lehrkräfte steigt damit noch weiter. Es gibt keine Lösung für die Schulbegleitung. Es gibt keine Pläne für den Ausbau der mobilen Dienste.