Danke. - Lieber Herr Kollege Onay, statistische Zahlen belegen, dass an öffentlichen Plätzen, an denen Videoüberwachung eingerichtet wurde - das sind natürlich speziell gefährdete Plätze -, die Kriminalität tatsächlich gesunken ist und dass die Menschen da tatsächlich ein besseres Sicherheitsgefühl haben. Widersprechen Sie diesen Statistiken?
Ich will denen gar nicht widersprechen. Aber das Beispiel Köln widerspricht diesem Einwand. Es gibt übrigens auch sehr gute Studien, die gezeigt haben, dass die nahezu flächendeckende Überwachung in London vor allem zu einer Verlagerung der Kriminalität in unbeobachtete Räume führt, in denen sich Straftäterinnen und Straftäter bei ihren Untaten sicher fühlen.
Von daher müssen wir etwas differenzierter an die Sache herangehen. Videoüberwachung allein ist keine Antwort auf die Sicherheitsherausforderungen unserer Gesellschaft.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Videoüberwachung ist immer ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Daher ist es wichtig, dass jede Nutzung der Videoüberwachungstechnik genau mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgewogen wird und dass geprüft wird: Ist es wirklich notwendig, eine Videokamera aufzustellen?
Soll es aus Sicht der FDP Videoüberwachung geben? - Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, an Brennpunkten, wo Videoüberwachung Straftaten verhindern oder aufklären kann.
Derzeit liegt uns der Gesetzentwurf zum Gefahrenabwehrgesetz vor. Er sieht vor, dass Videoüberwachung auch zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten genutzt werden darf. Das halten wir als Freie Demokraten für falsch. Der Ordnungswidrigkeitenbegriff sollte da gestrichen werden. Wir sollten nur auf die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten rekurrieren.
Meine Damen und Herren, wir als FDP haben uns in verschiedenen Anfragen erkundigt, was die Landesregierung im Bereich der Videoüberwachung plant.
An vielen Standorten, insbesondere auch hier in Hannover, haben wir alte Videotechnik, analoge Kameras. Wir sind der Überzeugung, dass wir dieses analogen Kameras möglichst schnell durch digitale Kameras ersetzen müssen. Warum? - Digitale Kameras ermöglichen es, Teilbereiche zu verpixeln, wenn in private Bereiche gefilmt wird. Digitale Kameras ermöglichen es, einen datenschutzrechtlich besseren Schutz zu gewährleisten. Deswegen erwarte ich von dieser Landesregierung, dass sie endlich einen konkreten Plan dafür
entwickelt, sehr geehrter Herr Minister Pistorius, wie dort, wo Videoüberwachung notwendig ist, die Umstellung von analogen auf digitale Kameras vorgenommen werden kann.
Es wurde gerade richtig gesagt: 77 Kameras in Hannover dürfen bald nicht mehr filmen und müssen abgeschaltet werden. Ein Gericht hat hier dem Datenschutz zur Geltung verholfen. Es hat klar festgestellt: So, wie die Kameras im Moment installiert sind, ist das ein Verstoß gegen den Datenschutz. - Wir haben die große Aufgabe, in diesem Bereich nachzusteuern. Verbleiben sollten Kameras nur an Standorten, deren Zulässigkeit datenschutzrechtlich abgeprüft und mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt ist.
Videoüberwachung in Bussen und Bahnen vorzuhalten - die Kollegin von der CDU hat auch dieses Thema angesprochen -, kann sinnvoll sein, und zwar dort, wo Sicherheitsgründe sie notwendig machen. Derzeit plant die Landesregierung jedoch eine flächendeckende und tageszeitunabhängige Aufzeichnung. Das ist aus meiner Sicht datenschutzrechtlich unzulässig. Ich erwarte von dieser Landesregierung und von Minister Lies - er ist im Moment nicht da -, diese datenschutzrechtlich unzulässigen Pläne zu stoppen.
Wir Freien Demokraten wollen keine flächendeckende und tageszeitunabhängige Totalüberwachung. Das ist nicht unser Weg. Tatsächlich helfen würde Videoüberwachung in Bussen und Bahnen nur in Form einer Echtzeitbeobachtung. Dafür, verehrte Kollegin Jahns, braucht man nicht 77 Menschen vorzuhalten.
Aber nur wenn sich jemand tatsächlich die Bilder ansieht, kann im Notfall geholfen werden - und das wollen wir in diesem Fall doch erreichen.
Videoüberwachung sollte maßvoll eingesetzt werden: dort, wo Sicherheitsaspekte sie notwendig machen und sie mit dem Grundrechtseingriff ordnungsgemäß abgewogen wurde. Ansonsten haben
Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Für die SPDFraktion hat jetzt der Abgeordnete Karsten Becker das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Jahns, ich greife einmal den Titel Ihres Antrages auf: „Videoüberwachung ist ein wertvolles Instrument für mehr Sicherheit“. Der Wahl des Begriffs „Instrument“ stimme ich zu. Mit dem Rest, insbesondere mit der Wahl des Attributs, habe ich so meine Probleme.
Ein multifunktionales Mittel mit durchschlagender Wirkung gegen den Terrorismus ist die Videoüberwachung jedenfalls ganz bestimmt nicht. Trotz aller Euphorie sollten wir nicht vergessen, dass sie einen sehr empfindlichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Meine Vorredner haben das völlig zu Recht so gewertet. Ich meine, mit diesem Aspekt gehen Sie in Ihrem Antrag - insbesondere in der Begründung - ein bisschen oberflächlich um, wenn Sie dort ohne tragfähige Begründung feststellen, dass der Staat bei seiner Verpflichtung, die Menschen zu schützen, durch überzogene Datenschutzregelungen behindert werde.
Ich wäre sehr daran interessiert, zu erfahren, wie das Bundesverfassungsgericht Ihre hingeworfene Begründung werten würde, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Vorstellung der 80er-Jahre entspreche und nicht mehr zeitgemäß sei. Da machen Sie es sich ein wenig zu leicht, meine Damen und Herren von der CDU.
Aber Ihr Timing ist wirklich gut. Wenn Ihr Antrag Begleitmusik zu der von Bundesinnenminister de Maizière angedachten Videoüberwachungsoffensive sein sollte, dann hätten Sie ihn terminlich kaum besser platzieren können. Auch bei Herrn de Maizière können wir uns bedanken, nämlich dafür, dass er offensiver und prägnanter deutlich gemacht hat, wie die CDU das Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbst
Videoüberwachung an öffentlichen Orten wie Einkaufszentren, Sportstätten, Parkplätzen, in Bussen und Bahnen soll es im Kampf gegen den Terrorismus jetzt also richten - unterstützt von Technik zur automatischen Gesichtserkennung. Das ist es ja wohl, was Sie im Forderungsteil Ihres Antrags mit „modernen Formen der ‚intelligenten‘ Videoüberwachung“ umschreiben.
Meine Damen und Herren, es wäre grundfalsch, den Herausforderungen der terroristischen Bedrohungen mit Ignoranz zu begegnen; davon bin ich auch weit entfernt. Ich bin sehr dafür, neue technische Überwachungsmöglichkeiten auf ihre Eignung für den Einsatz gegen Kriminalität und Terrorismus zu untersuchen. Aber den Anspruch, nicht nur alten Wein in neue Schläuche zu gießen, sollten wir schon haben.
Welche Wirkung wir von einer Videoüberwachung ganz konkret erwarten dürfen, können wir eigentlich heute schon recht präzise beschreiben, Frau Jahns. Das sieht etwas anders aus, als Sie es gerade im Rahmen Ihrer Kurzintervention auf den Beitrag des Kollegen Onay beschrieben haben.
Mit Videoüberwachung werden eigentlich drei Erwartungen verknüpft - die Verhinderung von Straftaten, eine bessere Unterstützung bei der Ermittlung von Tätern und die Verbesserung des Sicherheitsempfindens der Bevölkerung -,
die aber nur eingeschränkt auf die bisherigen Erfahrungen mit dieser Technik gestützt werden können.
Ich will mit der Unterstützung bei der Ermittlung von Tätern beginnen. Dass Kameras bei der Ermittlung von Tätern hilfreich unterstützen können, hat sich in der Praxis bestätigt. Das ist so.
Allerdings ist auch nie untersucht bzw. überprüft worden, wie viele Taten auch ohne Videobilder hätten aufgeklärt werden können. Dennoch bleibt es dabei: An der Stelle können wir von auswertfähigen Videoaufnahmen tatsächlich etwas erwarten.
Die Hoffnung, dass das Sicherheitsempfinden deutlich verbessert wird, wurde hingegen nicht bestätigt. Wenn überhaupt, nimmt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nur sehr kurzzeitig zu. Außerdem tauchen sehr schnell Fragen nach den unterstellten Sicherheitsdefiziten an einer Örtlichkeit auf, an der videoüberwacht wird. Es stellt sich die Frage: Warum stehen hier eigentlich Kameras?
Wer sich einmal in britischen Städten die Ankündigungen von Videoüberwachung, diese Großplakatierungen, anschaut, der kann das auch recht gut nachvollziehen. Ich will es einmal so sagen: Lawinenartige Wohlfühleffekte lösen diese Hinweise jedenfalls nicht aus.
Zum dritten Effekt: Dass Kameras abschrecken und so der Verhinderung von Straftaten dienen, ist ebenfalls zweifelhaft. Es gibt dazu sehr dezidierte, weitgehende Erfahrungen aus Großbritannien. Dort wird zwar ein moderater Rückgang der Kriminalität ausgewiesen - das stimmt -, allerdings hauptsächlich in Parkhäusern. Auch dieser Effekt wird in entsprechenden Untersuchungen aus den USA nicht bestätigt. Auch da wird man noch einmal genauer hingucken müssen.