Protocol of the Session on June 20, 2013

Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem freien Internet! Denn dann gilt ein anderes Prinzip. Dann gilt nicht mehr das Prinzip des freien Netzzugangs, sondern das Prinzip: Wer genug Geld mitbringt, der kann das Internet in seiner vollen Breite nutzen. - Ich glaube, das ist einfach falsch.

(Beifall bei der SPD)

Dadurch wird Innovation gebremst und letztlich auch die Informations- und Meinungsfreiheit eingeschränkt. Wir müssen uns also sehr genau überlegen, wie wir die Bedingungen für das Internet so regulieren, dass alle daran teilhaben können.

Es gab vor einigen Jahren - vielleicht erinnert sich der eine oder die andere noch daran - einen Wirtschaftsminister Michael Glos. Der hat zum Thema Internet den denkwürdigen Satz gesagt: Ich habe

Gott sei Dank Leute, die für mich das Internet bedienen. - Herzlichen Glückwunsch dazu!

Darf ich Sie kurz unterbrechen? - Vom Kollegen Bäumer liegt die Bitte für eine Zwischenfrage vor. Lassen Sie die zu?

Wenn es hilft, gerne.

Herr Kollege, Sie halten ja eine sehr euphorische Rede, was das Thema schnelles Internet angeht. Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen die Frage stellen, warum gestern Morgen beim Parlamentarischen Frühstück des VKU zwölf Abgeordnete der CDU da gewesen sind, aber nur eine Kollegin der SPD.

(Zurufe von der SPD: Oh! - Beifall bei der CDU)

Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Darauf kann ich Ihnen sehr leicht antworten: Frau Andrea Schröder-Ehlers hat uns dort wirklich wunderbar vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Der aktuelle Wirtschaftsminister nimmt sich hingegen tatsächlich des Internets an. Philipp Rösler, nachdem er nach Berlin gegangen ist, hat jetzt auch erkannt, dass ein freies Internet sowie der schnelle Zugang dazu wichtig sind. Er hat angekündigt, dass er auf dem Verordnungsweg die Netzneutralität gewährleisten will. Aber wenige Tage später ist diese Zusage schon wieder zurückgenommen worden; denn die sogenannten Managed Services, die die Telekom anbietet, sollen ausgenommen werden.

Worum geht es dabei? - Ich möchte versuchen, es zu erklären. Managed Services sind Zukaufangebote. Das heißt, man kauft sich einen Internetzugang im „Sandkasten“: Es entscheidet nicht mehr der Nutzer, sondern der Anbieter. Und das ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem freien, offenen Internet. Das ist der Einstieg in ein Zweiklasseninternet. Kleinere und mittlere Unternehmen, die auf diesem Gebiet Innovationen entwickeln, haben dazu dann keine Chance mehr. Sie kommen in

diesen gekauften „Sandkasten“ nicht hinein, weil sie nicht über die notwendigen Mittel dazu verfügen.

Wir wollen das ändern. Wir wollen Netzneutralität ohne Wenn und Aber. Wir wollen bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes die Netzneutralität gesetzlich festschreiben.

Bei der Gelegenheit wollen wir auch noch eine andere Sache regeln. Das hängt mit einer Diskussion zusammen, die zurzeit nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa eine große Rolle spielt. Wir wollen nämlich auch verhindern, dass Inhaltskontrollen stattfinden. Wir wollen nicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern in die Daten geguckt wird: weder durch den Staat noch durch die Anbieter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und wir wollen, dass das Ganze durch die Bundesnetzagentur kontrolliert und sanktioniert werden kann.

Ich glaube im Übrigen, dass das ein ganz großes Verbraucherschutzthema ist. Wir wollen, dass Kundinnen und Kunden sich wehren können. Wir wollen, dass, wenn „Flatrate“ oben draufsteht, auch Flatrate drin ist und man nicht mehr 20 Seiten Allgemeine Geschäftsbedingungen lesen muss, um herauszufinden, ob irgendetwas gedrosselt wird.

Wir wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch stärken, dass sie ein Sonderkündigungsrecht bekommen. In dem Moment, in dem die Netzneutralität eingeschränkt wird, soll der Kunde seine Vertragsbindung aufheben und sich einen Anbieter suchen können, der ihm solche Beschränkungen nicht auferlegt.

Und wir wollen beim Ausbau der InternetInfrastruktur etwas tun, der in den nächsten Jahren ganz wichtig ist. Ich bin der Landesregierung übrigens dankbar, dass jetzt schon die nächste EU-Förderperiode vorbereitet wird. Über den EFRE werden wir den Breitbandausbau künftig nur noch sehr schwer fördern können. Wenn wir damit über den ELER weitermachen, gerade im ländlichen Raum, muss aber eines gelten: Wenn Steuergelder in den Internetausbau fließen, dann dürfen die Anbieter nicht drosseln. Netzneutralität muss die Grundlage dafür sein, dass Steuergeld in den Breitbandausbau fließt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir hier nicht alles im Landtag regeln können. Deswegen werden wir uns über den Bundesrat dafür einsetzen, dass das für Deutschland und für Europa geregelt wird und dass wir uns daran auch international beteiligen.

Ich komme zum Schluss. Hier im Landtag ist es ja nicht wie auf Facebook. Hier ist ein Antrag noch nicht dadurch beschlossen, dass man nur auf „gefällt mir“ klickt, sondern hier ist eine Offline-Beratung im Fachausschuss notwendig. Darauf freue ich mich, und ich freue mich sogar über Ihre vielleicht physische Zustimmung per Handzeichen.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gudrun Pieper von der CDU-Fraktion. Frau Pieper!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmidt, Sie haben sich eingangs dazu geäußert, dass unsere Bundeskanzlerin gesagt hat: „Internet ist Neuland“. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Jeder, der das Internet nutzt, trifft dort jeden Tag auf Neuerungen. Zu behaupten, dass es nicht immer wieder etwas Neues ist, finde ich schon ein bisschen arrogant. Ich denke, da sollten wir doch etwas andere Worte wählen.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Frau Gabriela König [FDP])

Aber der wahre Grund für die heutige Debatte ist ja nicht dieses Zitat der Bundeskanzlerin, sondern der vorliegende Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Schauen wir uns diesen Antrag doch einmal genauer an.

Hintergrund sind natürlich die von der Deutschen Telekom angekündigten neuen Tarife. Das Unternehmen hatte - das hat Herr Schmidt dargstellt - laut darüber nachgedacht, künftig keine FlatrateTarife für das Internet mehr anzubieten. Diese Ankündigung hat für eine teils heftige öffentliche Reaktion gesorgt. Das kann ich verstehen, das können wir alle verstehen, und insofern besteht auch Konsens.

Ein Streitpunkt in diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage, ob die Telekom mit derartigen Tarifen, die zwischen „umsonst“ - gleich langsam - und „ich zahle drauf“ - gleich schnell - liegen, gegen das Prinzip der Netzneutralität verstoßen würde. Das ist auch die Frage, die uns meines Erachtens berechtigt, uns in die Entscheidung des Unternehmens Telekom einzumischen. Darüber sollten wir auch ganz intensiv im Ausschuss beraten.

Liest man aber den Antrag weiter, frage ich mich schon: Was soll das denn jetzt?

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich den Antrag zweimal lesen musste. Nicht, weil ich ihn nicht verstanden hätte, sondern weil darin Dinge miteinander vermischt werden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Trotzdem werfen Sie alles in eine große Schüssel - die Netzneutralität, die Inhaltskontrollen, die Bundesnetzagentur, den Verbraucherschutz, den Breitbandausbau, die LTE-Infrastruktur und die Europapolitik -, verrühren es und heraus kommt dann ein Werk mit der Überschrift „Antrag“.

Diesen „Brei“, meine Damen und Herren, gilt es, jetzt erst einmal zu entschlüsseln. Das möchte ich versuchen, und dazu möchte ich mich Punkt für Punkt an dem Antrag entlang hangeln.

Ich beginne mit der Nr. 1. Dort findet sich leider eines Ihrer üblichen Muster, so wie wir es heute Morgen ja auch schon bei Wirtschaftsminister Lies erlebt haben. Sie zeigen zuallererst mit dem Finger auf die anderen - hier wie so oft auf die Bundesregierung -, anstatt sich erst einmal selbst zu fragen, was man tun kann. Also, Sie wollen, dass der Landtag den Bund auffordert, die Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben.

Dazu darf ich Ihnen aber einmal den § 41 a des Telefonkommunikationsgesetzes vorlesen:

„Die Bundesregierung wird ermächtigt,... gegenüber Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern...“

(Zurufe von der CDU: Aha!)

Merken Sie was? - Das steht bereits im Gesetz. Die Arbeit war also schon erledigt, bevor Sie Ihren Antrag geschrieben haben.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Gabriela König [FDP])

Ich komme zu Nr. 2. Auch hier findet sich wieder eines Ihrer üblichen Muster: die Schaffung oder die Aufblähung einer Behörde. Wir kennen das ja von den Regionalbeauftragten. - Sie wollen Kontrolle, und Sie wollen Regulierung. Sie wollen die Internetdienstanbieter noch mehr Fragebögen ausfüllen und Statistiken erstellen lassen. Das aber ist in unseren Augen kontraproduktiv und nicht am Kunden orientiert. Auch darüber sollten wir im Ausschuss noch eingehend beraten.

(Maximilian Schmidt [SPD]: Das ist schon sehr gewagt, was Sie da sa- gen!)

Damit komme ich zu Nr. 3. Darunter fordern Sie Sanktionen gegen Unternehmen, und gleichzeitig mischen Sie auch noch ein wenig den Verbraucherschutz auf. Angesichts dessen würde ich empfehlen, den neu gebildeten Unterausschuss „Verbraucherschutz“ mit auf den Plan zu rufen, damit wir auch hier eine fachkundige Beratung bekommen.

Auch die Nr. 4 folgt Ihrem üblichen Muster. Sie wollen Vorschriften und engste Vorgaben für die Wirtschaft. Sie verbinden das Projekt des Breitbandausbaus mit der Forderung nach Mindestgeschwindigkeiten und fordern, dass die EU nur solche Projekte fördert, die diese Vorgaben einhalten - sprich: die Guten, die vielleicht in Ihr Muster passen.

Abschließend komme ich zu Ihrem letzten Punkt, zu Nr. 5. Dort fordern Sie eine internationale Verständigung zur Sicherung der Netzneutralität. Das wird der Punkt sein, über den wir im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien und Regionalentwicklung sehr genau diskutieren sollten. Denn auf EU-Ebene laufen ja schon einige Initiativen. Ich nenne als Stichwort nur die Initiative von EU-Kommissarin Neelie Kroes.

Also, wir haben großen Diskussionsbedarf. Ich freue mich auf den Austausch der Meinungen. Und abschließend, Herr Schmidt: Freies Internet gibt es immer noch nicht. Rufen Sie mal Herrn Ai Weiwei an! Dann werden Sie sehen, ob Sie freies Internet haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Gabriela König [FDP] - Zurufe von der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion.