Protocol of the Session on October 26, 2016

Ein anderer Aspekt, meine Damen und Herren, ist die wirtschaftliche Betätigung unserer Kommunen. Ich halte es für gut, dass das geregelt wird. Aber ich halte es vom Grundsatz her für doch sehr fragwürdig, dass sich Kommunen, die sich wirtschaftlich betätigen wollen - über die Grundsätze dafür kann man sich durchaus unterhalten -, sogar über das eigene Gemeindegebiet hinaus in anderen Kommunen betätigen dürfen. Selbst der GBD hatte dagegen starke Bedenken. Meine Damen und Herren, das geht weit über das Maß des Vernünftigen hinaus.

(Beifall bei der CDU)

Man kann sich bei der Unterschiedlichkeit der Kommunen durchaus vorstellen, was passieren kann, wenn diese Barriere fällt, wenn sich jeder sozusagen auch im Gebiet des anderen wirtschaftlich betätigen kann. Ich kann mir zwar vorstellen, woher das gekommen ist, verehrte Frau Kollegin; man will sich nämlich an Windparks in anderen Kommunen beteiligen. Ich aber sehe das durchaus als Dammbruch an, und den sollten wir entsprechend deutlich formulieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ein dritter wichtiger Aspekt ist wohl in erster Linie dem Zeitgeist geschuldet, nämlich die Ausweitung von Bürgerbegehren. Hauptverwaltungsbeamte sollen in Zukunft Bürgerbegehren beraten. Die Quoren für die erforderlichen Unterstützerzahlen werden herabgesetzt. Die Finanzierung der Beschlüsse kann völlig außer Acht gelassen werden. Außerdem wird die notwendige Mindestbeteiligung heruntergeschraubt. - Ich denke, das alles, was Sie da vorhaben, ist durchaus ernst zu nehmen. Ich frage ernsthaft: Schafft man mehr Demokratie, wenn Rot-Grün das durchsetzt und dadurch die Durchsetzung reiner Partikularinteressen ermöglicht wird? Wenn Beschlüsse eines Bürgerentscheids umgesetzt werden, selbst wenn die Kommune sei eigentlich nicht finanzieren kann? - Ich halte das für sehr fragwürdig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der CDU: Ich auch!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an diesem Punkt aus einem Kommentar aus der Neuen Osnabrücker Zeitung zitieren, die es am 21. September auf der Titelseite sehr schön auf den Punkt gebracht hat. Ich zitiere:

„Je einfacher ein Bürgerbegehren anzuschieben ist, desto öfter es Bürgerentscheide gibt und je mehr Populisten von rechts wie von links darauf schielen, desto stärker werden die demokratisch legitimierten Räte in Gemeinden, Städten und Landkreisen entwertet“ und geschwächt.

Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund sehen wir Bürgerbeteiligung zwar als wichtig und auch als vom Grundsatz her richtig an. Aber wir wollen, dass die bestehenden Möglichkeiten der Teilhabe stärker genutzt werden und attraktiver sind. Mit den Bürgerbegehren, die heute im Raum stehen, wird hingegen das politische Ehrenamt entwertet.

(Angelika Jahns [CDU]: Jawohl!)

Eine zusätzliche Schwächung der Räte und der repräsentativen Demokratie kann nicht in unserem Sinne sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der CDU: Sehr richtig! - Sehr gut!)

Im Übrigen erinnere ich daran, dass das einheitliche niedersächsische Kommunalverfassungsrecht seinerzeit mit dem klaren Anspruch formuliert worden ist, ein ehrenamtsfreundliches Gesetz zu sein.

Meine Damen und Herren, in der rot-grünen Gesetzesnovelle gibt es weitere Einzelaspekte, die wir in der gegebenen Form nicht mittragen können. Ich denke, bei dem Zugriffsrecht des hauptamtlichen Bürgermeisters auf das Amt des Gemeindedirektors in Samtgemeinden ist ebenfalls sehr zu hinterfragen, ob also damit das Ehrenamt nicht doch geschwächt wird. Ich jedenfalls bin fest davon überzeugt, dass es eine Schwächung ist.

Ich finde, dass klare Regelungen bei Auskünften zu Nebentätigkeiten sinnvoll sind. Auch die Möglichkeit von Ton- und Videoaufzeichnungen in Vertretungen ist, glaube ich, so richtig geregelt.

Meine Damen und Herren, in allen drei Kernthemen - Gleichstellung, wirtschaftliche Betätigung und Bürgerbegehren - ist trotz frühzeitiger und massiver Kritik keine Bewegung bei Ihnen festzustellen gewesen. Insofern kann ich nicht so ganz nachvollziehen, dass Sie sagen, es hat sich vieles verändert. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf weiterhin ab. Die Novellierung des Kommunalverfassungsgesetzes ist überflüssig, sie ist rein ideologisch motiviert, und sie bringt erneut die Kommunalfeindlichkeit von Rot-Grün zum Ausdruck.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das finden wir schade. Das empfinden wir einmal mehr als eine verpasste Chance unserer Landesregierung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Hiebing. - Es liegt jetzt die Bitte um eine Kurzintervention vor. Frau Dr. Wernstedt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hiebich

(Zurufe von der CDU: Hiebing!)

- Hiebing; ich bitte um Entschuldigung; das sollte nicht sein -, das Herstellen von Gleichstellung in den Lebensbereichen ist Verfassungsauftrag.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das vergisst die CDU-Fraktion sehr gerne. Wenn wir uns die Veränderungen noch einmal vergegenwärtigen, die Ihre Regierung im Jahre 2005 vorgenommen hat und die zur Folge haben, den Arbeitsrahmen der Gleichstellungsbeauftragten auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fokussieren - so wichtig das Thema ist, so ist es doch nicht das einzige Thema von Gleichstellungsbeauftragten, und das führt letztlich zu einem Abdrängen ins Ehrenamt -, dann, meine ich, ist es ein bisschen zu wenig zu sagen, dass es hier nur auf Konnexitätsfragen ankäme. Ich hätte mir da von Ihnen noch ein bisschen mehr Aussagen dazu gewünscht, wie Sie die Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten eigentlich sehen, und ich hätte mir gewünscht, dass Sie sie eigentlich ein bisschen mehr wertschätzen. Dies zeigt einfach, dass es für Sie nicht bedeutsam ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Nennen Sie doch einmal ein paar Beispiele!)

Herr Hiebing, wollen Sie antworten? - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Dr. Wernstedt, ich habe grundsätzlich gesagt, dass es bei der Frage der Bedeutung der Gleichstellung überhaupt keinen Dissens gibt und dass wir alle hier im Hause die Gleichstellung wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich habe vorhin versucht, das deutlich zu machen. Wenn Sie die Gelegenheit geben, es nochmals deutlich zu sagen - umso besser!

Ich habe mich allerdings darüber ausgelassen, dass Sie damit, dass Sie den Kommunen nur die Hälfte der Kosten erstatten wollen, meiner Ansicht nach das Konnexitätsprinzip durchbrechen und gleichzeitig in die Organisationshoheit der Kommunen eingreifen.

(Belit Onay [GRÜNE]: Das sieht der GBD übrigens anders!)

Ich glaube, es ist unstrittig, dass es so ist. Auch die kommunalen Spitzenverbände haben dem zugestimmt und haben gesagt, dass es so nicht geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Jetzt hat sich Belit Onay für Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben das Wort.

(Zuruf von der CDU: Wie hätte sich damals Oberbürgermeister Pistorius entschieden? - Gegenruf von Minister Boris Pistorius: Das werde ich Ihnen gleich sagen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Innenminister Boris Pistorius! Ich freue mich sehr, dass wir diesen Gesetzentwurf nach langen und intensiven Beratungen im Ausschuss heute verabschieden können, im Zuge derer wir übrigens auch viele Anregungen der kommunalen Spitzenverbände bekommen haben, gerade zur rechtlichen Klarstellung. Auch die haben wir übernommen. Aber darüber hinaus haben wir sehr wichtige Punkte, glaube ich, behandelt und gut umgesetzt.

Das ist zum einen das Thema der direkten Demokratie. Ich glaube, gerade auf der kommunale Ebene gibt es naturgemäß die direkteste Demokratie im Land, allein schon wegen der Nähe zu den Menschen, weil Fragen vor Ort behandelt und in der Nachbarschaft entschieden werden. Da ist ein ganz direkter, klarer Bezug. Dieses System der repräsentativen Demokratie in den Kommunen wollen wir nicht ersetzen, sondern wir wollen es stärken und um Elemente direkter Demokratie ergänzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist wichtig, dass man nicht nur einmal in fünf Jahren Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern hat. Daher erhöhen wir mit den neu geschaffenen Möglichkeiten die Taktung. Es wird die Möglichkeit gegeben, zu Sachfragen auch zwischendurch einmal Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern aufzunehmen. Das führt zu einer Stärkung der Ratsmitglieder. Im Ergebnis muss und darf man meines Erachtens auch keine Angst vor demokratischen Mechanismen haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Onay, ich muss Sie kurz unterbrechen. Frau Schwarz, CDU-Fraktion, möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ich habe zwar gerade erst angefangen, aber gerne.

Bitte!

Danke, Herr Kollege. - Ich habe einfach eine Frage, weil Sie sagen, es soll auch zwischendurch die Möglichkeit geben, dass der Bürger seine Meinung kundtut. Wie bewerten Sie im Zusammenhang mit den Bauleitplanverfahren die - sogar frühzeitige - Bürgerbeteiligung? Würden Sie das außen vor halten wollen?

(Zuruf von den GRÜNEN: Ich habe die Frage nicht verstanden!)

Ich habe die Frage, ehrlich gesagt, auch nicht ganz verstanden. Spielen Sie auf den Ausschlusskatalog an, oder was meinen Sie genau?

Entschuldigung. Ich beziehe mich nicht auf den Ausschlusskatalog, sondern darauf, dass es in anderen Gesetzen im Zusammenhang mit Bauleitplanverfahren sehr wohl Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger gibt. Darauf wollte ich hinaus. Da haben die Bürger sehr wohl vielfach die Möglichkeit, ihre Meinungen, Anregungen und Bedenken vorzutragen. Diese müssen in die Abwägung mit eingestellt und gerichtsfest abgewogen werden.