Protocol of the Session on October 26, 2016

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 108. Sitzung im 39. Tagungsabschnitt des Landtages der 17. Wahlperiode. Gemeinsam mit den Schriftführern wünsche ich Ihnen einen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Das Plenum ist weitgehend besetzt. Jedenfalls können wir die Beschlussfähigkeit des Hauses bereits jetzt feststellen.

Zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest.

Ich darf bereits an dieser Stelle auf die gegen 10.15 bzw. 10.30 Uhr beginnende Aktuelle Stunde verweisen. Die Fraktionen sind übereingekommen - das letzte Signal fehlt mir allerdings noch -, die Reihenfolge in der Aktuellen Stunde umzustellen.

Wir beginnen mit Punkt a: „Widersprüchliches Abstimmungsverhalten zu Verbrennungsmotoren im Bundesrat - schadet solches Regierungshandeln dem Wirtschaftsstandort Niedersachsen?“ Das ist der Antrag der Fraktion der CDU.

Es folgt Punkt c: „Gute Luft in unseren Städten: Mit vorsorgenden Instrumenten die Gesundheit schützen!“ Das ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Danach kommt Punkt d: „Adieu GTI: Rot-grüne Verkehrswende bedeutet Bevormundung und Verbote“. Das ist der Antrag der Fraktion der FDP.

Und wir schließen mit Punkt b: „Niedersachsen geht voran - Strategie gegen Antibiotikaresistenz umsetzen!“ Das ist der Antrag der Fraktion der SPD.

(Christian Grascha [FDP]: Nein, son- dern: a, d, c, b! - Christian Grascha [FDP] spricht mit dem Präsidenten)

- Also: Zunächst Punkt a, dann Punkt d, danach Punkt c und dann Punkt b. Die Betroffenen und die Rednerinnen und Redner wissen Bescheid.

(Zurufe)

- Das war eine erste kleine Konzentrationsübung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn alles gut läuft, kann die heutige Sitzung gegen 19.45 Uhr enden.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler der IGS Oskar-Schindler aus Hildesheim mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Ottmar von Holtz dankenswerterweise übernommen.

(Beifall)

Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Multi-Media Berufsbildenden Schule werden im Laufe der kommenden Tage - Sie kennen das - wieder Sendungen im Rahmen des Projektes „Landtagsfernsehen“ erstellen. Sie halten sich während der Plenarsitzungstage im Vorraum zum Raum der Landespressekonferenz sowie im Raum der Landespressekonferenz auf und führen dort auch Interviews durch. Die einzelnen Sendungen stehen im Internet auf der Homepage der Schule - www.mmbbs.de - bereit und sollen über den Regionalsender LeineHertz 106.5 und den Fernsehsender h1 ausgestrahlt werden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Onay als Schriftführer mit.

Es haben sich für heute entschuldigt: von der Fraktion der CDU Herr Helmut Dammann-Tamke bis zur Mittagspause und Frau Ingrid Klopp für den gesamten Tag.

Danke schön, Herr Onay. - Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2: Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten zum Thema „Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab 2020“

Ich darf dazu Herrn Ministerpräsident Weil das Wort erteilen. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie gerne über die Ergebnisse der intensiven und schwierigen Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern am 13. und 14. Oktober in Berlin unterrichten, mit denen eine jahrelange Diskussion nun endlich zu einem Ergebnis gebracht werden konnte.

Folgendes ist der Hintergrund: Das Jahr 2020 ist wirklich ein Schlüsseljahr für die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern. Mit Ablauf des Jahres 2019 treten nämlich erstens die derzeit geltenden Grundlagen des Länderfinanzausgleichs und zweitens diejenigen für den Solidarpakt II außer Kraft. Drittens wird der Fonds Deutsche Einheit spätestens 2018 abfinanziert sein. Viertens und nicht zuletzt gilt ebenfalls von diesem Zeitpunkt an das Neuverschuldungsverbot des Grundgesetzes für die Länder, die sogenannte Schuldenbremse. Das alles kommt zusammen, und das ist eine echte Herausforderung für die Länder - auch für Niedersachsen.

Es bedurfte also einer Neujustierung der BundLänder-Finanzbeziehungen. Das war über etliche Jahre und Monate hinweg allerdings leichter gesagt als getan; denn einem zwangsläufig notwendigen Kompromiss standen erhebliche Interessengegensätze entgegen. Zunächst einmal gab es die Interessengegensätze zwischen dem Bund und den Ländern: Der Bund wollte seine Finanzbeiträge naturgemäß möglichst niedrig halten, und die Länder erwarteten ein deutlich höheres Engagement als bisher.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch innerhalb der Gemeinschaft der Länder gab und gibt es erhebliche Unterschiede bei den Ausgangsbedingungen. Die neuen Länder mussten nach dem Auslaufen der bisherigen Sonderregelungen massive Haushaltsprobleme befürchten, weil ihre Finanzkraft auch lange nach Herstellung der Deutschen Einheit bei Weitem noch nicht derjenigen der westdeutschen Länder entspricht. Und für die

Haushaltsnotlageländer, also für das Saarland und Bremen, ist eine höhere Finanzausstattung existenziell.

Dagegen gibt es im bisherigen System Geberländer, die sich überlastet sehen. Bayern und Hessen haben bekanntlich in dieser Hinsicht Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben.

Diese Liste der Interessengegensätze zwischen den Ländern ist durchaus noch länger; dazu könnte ich noch weiter ausführen.

Niedersachsen hat demgegenüber keine spezifischen Sonderinteressen. Wir sind seit jeher ein Land mit einer unterdurchschnittlichen Finanzkraft bei gleichzeitig voller Ausgabenlast. Diese Ausgaben haben wir aber erkennbar im Griff, wie die erfreuliche Entwicklung unserer Haushalte in den letzten Jahren gezeigt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auf dieser Grundlage konnten wir Ihnen übrigens für das Jahr 2018 zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Niedersachsen einen Haushaltsplan ohne neue Schulden vorlegen. Das ist nun wirklich ein sehr beachtlicher Erfolg auf einer sehr soliden Grundlage!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das sagen Sie schon seit zwei Jahren! - Christian Grascha [FDP]: In diesem Jahr wäre es auch schon gegangen! - Unruhe)

Herr Ministerpräsident, eine Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen an verschiedenen Stellen im Plenarsaal, bitte wahren Sie die Ruhe! Die Unterrichtung ist wichtig und interessant. Jeder sollte ihr lauschen, damit man entsprechend reagieren kann. Aber dafür ist Ruhe die Voraussetzung.

Bitte!

Herzlichen Dank.

Für den Länderfinanzausgleich musste das Interesse Niedersachsens unter diesen Bedingungen darin bestehen, in etwa wie andere westdeutsche Flächenländer abzuschneiden. In äußerst intensiven Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern ist es, wie ich sagte, am 13. und 14. Ok

tober gelungen, in dieser Hinsicht einen Durchbruch zu erzielen. Gleichzeitig sind Ihnen die Ergebnisse bereits seit fast einem Jahr bekannt.

Wie lässt sich dieser scheinbare Widerspruch erklären? - Bereits am Ende des vergangenen Jahres, also des Jahres 2015, hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz auf ein gemeinsames Modell zum bundesstaatlichen Finanzausgleich verständigt. Darüber ist auch in diesem Hause bereits diskutiert worden, nämlich in der Plenarsitzung am 15. Dezember 2015. Das Modell, auf das sich die 16 Länder untereinander haben einigen können, ist dadurch gekennzeichnet, dass der streitige Länderfinanzausgleich mit Geber- und Nehmerländern als eigener Stufe abgeschafft wird. Stattdessen werden Zu- und Abschläge über die Umsatzsteuer getätigt. Außerdem wird sich der Bund durch höhere Zuweisungen an dem Ausgleich beteiligen.

Gegen dieses Modell ist in der Diskussion immer wieder eine systematische Kritik erhoben worden. Ich erlaube mir dazu nur den Hinweis, dass wir nach etlichen Streitchens und nicht enden wollenden Diskussionen feststellen mussten: Der Konsens, den wir vor einem Jahr in der Ministerpräsidentenkonferenz gefunden haben, ist der einzig erkennbare Weg, um innerhalb der Ländergemeinschaft zu einer gemeinsamen Position zu finden. Und das wiederum war der einzig erkennbare Weg, um mit dem Bund zu einer Einigung zu kommen. - Das ist Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der entscheidende Fortschritt unserer Verhandlungen vor etwa zwei Wochen besteht nun darin, dass sich auch die Bundesregierung, und zwar in Absprache mit den Koalitionsfraktionen im Bundestag, diesem System angeschlossen hat. Der Bund wird ab 2019 rund 9,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen - teils durch das Abtreten von Umsatzsteueranteilen, teils durch Zuweisungen. In dieser Summe gehen auch die bisherigen Entflechtungsmittel in Höhe von 2,6 Milliarden Euro auf. Das sind die Mittel, die derzeit für ÖPNV, sozialen Wohnungsbau, Hochschulbau etc. gezahlt werden.

Die nun gefundene Lösung hat - und das ist der entscheidende Vorteil - keine Verlierer.

(Christian Grascha [FDP]: Doch, den Steuerzahler!)

Alle Länder werden künftig, ab dem Jahr 2020, höhere Einnahmen erzielen. Damit ist es auch gelungen, die Handlungsfähigkeit aller 16 Länder in der Zukunft zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist insgesamt ein Erfolg für den Föderalismus in Deutschland, der ja immer wieder streitig gestellt wird. Wir haben gezeigt, dass Bund und Länder auch in schwierigen Fragen einen Kompromiss finden können. Das ist ausdrücklich zu begrüßen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Aber deshalb schafft man ihn doch nicht ab!)

Was heißt diese Einigung für Niedersachsen? - Nun, es handelt sich - abgesehen von graduellen Änderungen durch neue Steuerschätzungen - um dieselben Zahlen, über die Sie die Landesregierung bereits im Dezember des vergangenen Jahres unterrichtet hat. Danach erwarten wir eine Erhöhung unserer Einnahmen um jährlich etwa 600 Millionen Euro. Davon abzuziehen sind die jetzt schon außerhalb des Systems gezahlten Entflechtungsmittel, sodass es strukturell bei zusätzlichen etwa 400 Millionen Euro bleibt. Aber: Nach geltendem Recht sollten diese Entflechtungsmittel im Jahr 2020 auslaufen, hätten uns also tatsächlich gefehlt. Das ist verhindert worden, und deswegen können wir den Ertrag für Niedersachsen mit Fug und Recht auf 600 Millionen Euro jährlich beziffern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Schöngerechnet!)