Protocol of the Session on September 14, 2016

Ein anderer Punkt: Der § 38 des Gesetzentwurfes - wie er jetzt vorliegt - behandelt die Beauftragung von Sachverständigen. Das ist vorhin kurz angesprochen worden. Es geht um eine Art von Ermittlungsbeauftragten, den man hier einführen will. Dies ist ein durchaus wichtiges Instrument, das wir auch in anderen Gesetzen finden, die sich mit Untersuchungen befassen. Hier ist das aber nicht mehr als ein Minderheitenrecht ausgestaltet. Es ist nicht mehr - wie noch im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgeschlagen - ein Einfünftelquorum ausreichend, sondern das wird jetzt plötzlich auf ein Zweidrittelquorum hochgezont. Damit wird doch die Wahrnehmung von Minderheitenrechten, die eine parlamentarische Kontrolle insbesondere ausmacht - die Kontrolle durch die Minderheit gegenüber der Mehrheit -, ausgehöhlt und geht ins Leere. Aus unserer Sicht inakzeptabel!

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere für uns wesentliche Punkte sind in der Tat nicht in diesem Gesetzentwurf enthalten. Es hieß, das wolle man dann irgendwie in der Geschäftsordnung regeln. Einen entsprechenden Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung gibt es aber nicht. Man kann doch am Ende nicht zustimmen, wenn es im Gesetzentwurf nicht drinsteht, ohne zu wissen, was in der Geschäftsordnung tatsächlich geregelt wird. Da geht es um diese Vereinbarung im Hinblick auf das Akteneinsichtrecht. Wir kennen keinen Entwurf seitens der Landesregierung dazu, wie so etwas aussehen sollte. Das Recht, Auskunftspersonen anzuhören, ist nicht richtig geregelt. Auch die Frage der Aufhebung der Vertraulichkeit von Akten, Unterlagen usw. durch den Ausschuss ist nicht im Gesetzentwurf geregelt, sondern soll in einer Geschäftsordnung geklärt werden. Näheres wissen wir aber bis heute nicht.

Meine Damen und Herren, auch noch eine Datenschutzfrage: Wenn Daten aufgenommen worden sind, die womöglich in den absolut geschützten Kernbereich fallen, soll über das weitere Verfahren die Leiterin oder der Leiter des Verfassungsschutzes entscheiden. Der GBD hat uns ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum BKA-Gesetz nicht vereinbar sein dürfte. Das muss eine unabhängige Stelle sein, also der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Das ist nicht berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, das sind wesentliche Punkte, die uns eine Zustimmung nicht möglich machen.

Es geht aber noch weiter. Folgendes ist eine politische Frage, Herr Limburg. Wir teilen bei der Frage, ob man Daten über 14- bis 16-Jährige erfassen darf, komplett die Auffassung des Kollegen Nacke und der CDU-Fraktion, dass diese Möglichkeit dem Verfassungsschutz eröffnet werden muss - so wie es Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen als Konsequenz aus dem Fall Safia S. vorsieht. Sie machen doch nichts anderes, als zu versuchen, gesichtswahrend aus der Nummer herauszukommen und den Konflikt, den sie mit der SPD hatten, am Ende irgendwie zu lösen. Das geht zulasten der Möglichkeiten, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen. Das ist unverantwortlich und wird der aktuellen Gefährdungslage in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Abschließend, meine Damen und Herren: Die Kontrollrechte sind nicht ausreichend. Die Beschränkung bei Minderjährigen ist angesichts der aktuellen Gefährdungslage nicht zu verantworten. Im Übrigen ist ein Grundrechtsschutz durch viele verfahrenssichernde Maßnahmen hier natürlich gewährleistet.

Schließlich noch zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss: Es ist doch absurd, dass wir erst jetzt die Möglichkeit haben, uns im Untersuchungsausschuss mit dem Verfassungsschutz zu befassen, wir aber gleichzeitig ein Gesetz beschließen, ohne die Möglichkeit zu haben, die entsprechenden Erkenntnisse noch in dieses Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen. Auch das ist ein Punkt, der uns dazu bringt, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen.

Abschließend, meine Damen und Herren, Herr Brunotte: Ich werde nicht müde, es zu wiederholen. Sie haben das hier schon oft gesagt. Sie haben gesagt, eine Instrumentalisierung des Verfas

sungsschutzes hätte es ja gar nicht gegeben. Das hat es sehr wohl gegeben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, aber vor 2013!)

Herr Minister Pistorius hat in Zusammenarbeit mit der Leiterin des Verfassungsschutzes, Frau Brandenburger, behauptet, dass der Amtsvorgänger, Herr Schünemann, gezielt linke Publizisten durch den Verfassungsschutz hat beobachten lassen, um sie auszuforschen. Diese Behauptung ist nachweislich unwahr. Sie ist ehrenrührig und trägt zu einem katastrophalen Verständnis von Umgang mit Verfassungsschutz bei, indem hier sozusagen Dinge instrumentalisiert werden, um bei einem Kommunalwahlkampf einem unliebsamen politischen Mitbewerber in die Parade zu fahren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der CDU: So ist es!)

Das, Herr Brunotte, ist ein weiterer Punkt, der nicht ausgeräumt ist. Diesen werden wir immer wieder zu diskutieren haben; denn darüber kann man nicht hinweggehen. Das berührt das Grundverständnis, wie wir mit Sicherheitsbehörden - auch seitens der Regierung - umgehen, wie verantwortungsvoll man sein muss, um tatsächlich so ein Amt auszuführen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt hat Helge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Herr Kollege Dr. Birkner: Ich finde es ja immer gut, wenn Sie sich Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen zum Vorbild nehmen. Das sollten Sie viel, viel häufiger tun, auch in ganz vielen anderen Bereichen. Im konkreten Fall haben wir in Niedersachsen aber die etwas bessere Regelung. Wir schauen hier sehr genau hin und schaffen eine sehr differenzierte Regelung, die den Fall Safia S. erfassen würde, aber nicht mit Übermaß reagiert.

Herr Dr. Birkner, dass gerade Sie, der Sie öffentlich allen Ernstes behauptet haben, Sie hätten Erkenntnisse dahin gehend, dass man diesen Fall

hätte verhindern können, Kritik an dieser Regelung üben, halte ich schon für sehr merkwürdig. Es gibt keinerlei Erkenntnisse und Hinweise darauf, dass man dieses schreckliche Verbrechen schon im Vorfeld hätte verhindern können, schon gar nicht durch eine Datenspeicherung, Herr Dr. Birkner.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich kann nicht auf alles eingehen, was Sie hier unterstellt haben. Sie beide, Herr Nacke und Herr Dr. Birkner, haben mit Ihren Angriffen auf die Verfassungsschutzpräsidentin erneut - - - Ich erkenne ja die Kühnheit an, mit der Sie hier allen Ernstes unterstellt haben, in dieser Legislaturperiode sei der Verfassungsschutz instrumentalisiert worden. Richtig ist doch, dass während Ihrer Regierungszeit, Herr Dr. Birkner, Atomkraftgegnerinnen, Tierschützer und andere Ihnen missliebige zivilgesellschaftliche Gruppen vom Verfassungsschutz beobachtet worden sind. Diese Landesregierung und diese Präsidentin haben mit dieser politischen Instrumentalisierung endlich Schluss gemacht. So ist es gewesen, nicht aber so, wie Sie es hier geschichtsklitternd komisch dargestellt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Das ist schlicht die Unwahrheit! Das wissen Sie ganz genau!)

Es gibt eine Bitte um eine Kurzintervention aus der FDP-Fraktion. Herr Dr. Birkner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Limburg, wenn Sie den Verhandlungen des Untersuchungsausschusses aufmerksam gefolgt wären, wüssten Sie sehr wohl, dass es konkrete Erkenntnisse darüber gibt, dass es aufseiten der Sicherheitsbehörden Versäumnisse gegeben hat, über deren politische Auswirkungen wir noch an anderer Stelle zu sprechen haben werden und die in der Gesamtschau mindestens einen anderen Verlauf der Dinge nahelegen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass, wenn man alle Daten zusammengeführt und bewertet hätte, hier sehr wohl anders gehandelt worden wäre. - Das vorweg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Entscheidend aber ist, Herr Limburg, dass Sie in bestimmten Konstellationen verhindern wollen, dass der Verfassungsschutz überhaupt Möglichkeiten hat. Das Gesetz würde dem Verfassungsschutz, wenn die geltende Regelung in dem Alter zwischen 14 und 16 Jahren beibehalten wird, nach unseren Vorstellungen die Möglichkeit geben, diese Altersstufe weitergehend zu erfassen. Sie aber wollen diese Möglichkeit von vornherein eingrenzen. Wenn es im Gesetz steht, erübrigt das natürlich keine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, unter Berücksichtigung verfahrensmäßiger Absicherungen.

Was Sie machen - dabei bleibe ich -, ist, aus politischer Motivation heraus und aufgrund parteipolitischer Vorgaben zu ignorieren, was sich in der Sicherheitslandschaft verändert hat, und zu glauben, dass Sie damit ein großes Signal setzen würden.

Ich glaube, Sie verkennen die Realitäten und stellen sich nicht den tatsächlich vorhandenen Herausforderungen. Sie vertrauen dem Verfassungsschutz auch nicht, dass er mit diesem Rahmen verantwortungsbewusst umgeht und im Einzelfall eine verhältnis- und auch gesetzmäßige Entscheidung trifft. Dieses Misstrauen müssen Sie überwinden. Denn sonst wird es nichts mit der Sicherheit in Niedersachsen, solange Sie in der Verantwortung sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Limburg, bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Dr. Birkner, wir haben ja häufiger das Phänomen, dass ich mich nach den Sitzungen des Untersuchungsausschusses frage, in welcher Sitzung Sie eigentlich gewesen sind oder welche geheimen Informationen Sie haben, die uns jedenfalls nicht vorliegen.

Ja, es hat einzelne Versäumnisse gegeben. Es gibt aber überhaupt keinen Hinweis darauf, dass es in Kenntnis aller Sachverhalte für einen Haftbefehl gegen Safia S. ausgereicht hätte. Nur ein Haftbefehl hätte die Tat eindeutig verhindern können. Tun Sie doch nicht so, als ob eine Datenspeicherung einen Messerangriff hätte verhindern können! Das ist doch abenteuerlich, Herr Dr. Birkner!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es gab auch keine politisch verordnete Zurückhaltung im Bereich des Islam. Sie wissen ganz genau, was alles im Bereich des Islamismus beobachtet und in den Blick genommen wird.

Herr Kollege Dr. Birkner, wenn Sie die Whistleblower-Regelung kritisieren und hier so tun, als würden wir jetzt erst eine Regelung dahin gehend schaffen, dass die Eingaben nur im Ausschuss behandelt werden dürfen, dann empfehle ich Ihnen dringend einen Blick in das jetzt noch geltende Verfassungsschutzgesetz. Dort wird nämlich geregelt, dass die Whistleblower-Regelungen bislang überhaupt nur direkt an den Ausschuss gehen dürfen. Insofern kann von der Einschränkung, die Sie hier suggerieren, überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil, wir erweitern die Möglichkeiten, weil man sich auch an einzelne Abgeordnete wenden und Abgeordnete seines Vertrauens ins Vertrauen ziehen kann.

Abschließend bleibt zu sagen: Bei aller Einigkeit, bei aller Konstruktivität, die es immer wieder gab, haben Sie sich am Ende darauf zurückgezogen: Herr Dr. Birkner hat hier mehr parlamentarische Kontrolle gefordert, Herr Nacke weniger. Lösungsvorschläge haben Sie beide nicht gemacht. Von daher war es leider zu erwarten und abzusehen, dass es nicht zu einer Gesamteinigung kommen konnte. Rot-Grün geht einen ausgewogenen Weg.

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

- Nein, als wir über den Aspekt Whistleblower diskutiert haben, haben Sie, Herr Kollege Nacke - wenn ich Sie daran erinnern darf; schauen Sie in die Protokolle -, die Regelung grundsätzlich kritisiert. Sie haben uns vorgeworfen, dass diese Regelung ein Ausdruck des Misstrauens sei. Gleichzeitig hat Herr Dr. Birkner, der neben Ihnen saß, gesagt: Wir müssen die Regelung noch viel mehr ausweiten und ausufern. - Das sind Situationen, in denen eine Mehrheit nichts anderes tun kann, als den Mittelweg zu gehen, den gesunden Kompromiss dazwischen, um hier mit Augenmaß zu reagieren.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Ich möchte das aufklären: Herr Limburg hat als letzter Redner die Restredezeit seiner Fraktion in Anspruch genommen. Darauf gab es

eine Kurzintervention von Ihnen. Darauf hat Herr Limburg jetzt geantwortet.

Jetzt hat der Minister des Innern das Wort. Herr Minister Pistorius, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist seit Beginn der Legislaturperiode das erklärte Ziel dieser Landesregierung, unseren Verfassungsschutz leistungsstark und modern aufzustellen. Schon damals war - das dachte ich jedenfalls - unstrittig, dass der Verfassungsschutz dazu Reformen braucht, auch, aber nicht nur in Niedersachsen. Ein wesentlicher Grund dafür - das scheint der eine oder andere vergessen zu haben - waren die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem sogenannten NSU-Komplex. Diese haben nämlich wesentlich dazu beigetragen, dass der Verfassungsschutz kein gutes Image hatte und dass es in weiten Teilen unserer Gesellschaft ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber den Verfassungsschutzbehörden gegeben hat.

Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt von Vertrauen sprechen, das diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen gegenüber den Sicherheitsbehörden angeblich nicht hätten, dann ist das an Absurdität kaum zu überbieten. Wir sind diejenigen, die ein starkes Gesetz für einen starken modernen Verfassungsschutz auf den Weg gebracht haben. Wir sind diejenigen, die sich vor die Mitarbeiter stellen, wenn Fehler passieren. Wir sind nicht diejenigen, die Behördenleitungen und andere in den Senkel stellen und öffentlich an den Pranger stellen und beleidigen. Dafür sind Sie zuständig, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will gerne an die Situation in Niedersachsen erinnern, auch wenn Sie das nicht gerne hören. Unsere Task-Force kam hier zu dem Ergebnis, dass mehr als ein Fünftel der personenbezogenen Speicherungen fehlerhaft war und umgehend gelöscht werden musste. Dies war - da beißt die Maus keinen Faden ab - das Erbe aus Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: So ist es!)