Protocol of the Session on August 19, 2016

(Hermann Grupe [FDP]: Super Bei- spiel!)

Aber ich gehe davon aus, dass Länder wie China in absehbarer Zeit durchaus in der Lage sind,

(Frank Oesterhelweg [CDU]: In ab- sehbarer Zeit!)

die für sie notwendige Produktion z. B. von Milchpulver selbst zu realisieren. Und dann entsteht genau das, was wir jetzt erleben, nämlich ein Einbruch der Märkte, der zu Strukturwandel führt. Wenn Sie es wollen, dass nur noch ein landwirtschaftlicher Betrieb pro Gemeinde übrigbleibt, weil das andere durch Strukturwandel den Bach hinuntergegangen ist, dann ist das Ihre Zielsetzung; unsere ist es nicht.

Das war es auch für Sie. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Sagt doch, dass es um Renationalisierung geht!)

Wenn es ruhig ist, geht es mit dem Kollegen Helmut Dammann-Tamke weiter, der den Wortbeitrag für die CDU-Fraktion liefern wird. - Bitte sehr, Herr Kollege!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich, bevor ich zu meinen eigentlichen inhaltlichen Ausführungen komme, ein paar grundsätzliche Vorbemerkungen mache.

Als wir vor einigen Jahren die internationale Finanzkrise hatten, war Niedersachsen froh und glücklich, neben der Fahrzeugindustrie einen weiteren wichtigen Wirtschaftszweig zu haben, nämlich die Agrar- und Ernährungsindustrie. Sie hat sich in Krisenzeiten als relativ robust erwiesen, weil Menschen auch in Krisenzeiten Nahrungsmittel zu sich nehmen; in Krisenzeiten vielleicht sogar

noch ein wenig mehr, Schokolade, Knabbereien und Sonstiges, um ihre Zukunftsängste zu verlieren.

Deshalb sollten wir in Niedersachsen ein ganz besonderes und immanentes Interesse daran haben, wie sich unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft derzeit zeigt und wie die Zukunft der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen, was Rahmenbedingungen angeht, aufgestellt wird.

Ich bin überzeugt davon, dass der Antrag der FDPFraktion, der von einem Generalangriff spricht, nicht ganz die richtige Zielrichtung aufweist, viel zu plakativ ist, aber eine durchaus richtige und berechtigte Fragestellung aufwirft.

(Zustimmung bei der CDU)

Nachdem ich die Debattenbeiträge meiner drei Vorredner angehört habe, habe ich den Eindruck, dass der eine oder andere Redner nur klargemacht hat, dass er den eigentlichen Kern des Themas noch nicht erfasst hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn wer das Thema der Krise der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen auf die gegenwärtige Marktlage reduziert, springt viel zu kurz.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Schweinehalter, die immer mit freien Märkten gelebt haben, haben harte Jahre hinter sich. Der Schweinepreis ist jetzt gut. Sie sind voller Optimismus.

Die Hähnchenhalter haben all die Jahre hindurch gutes Geld verdient. Von ihnen kommt niemand mit dem Begriff „Krise“ um die Ecke.

Die Ackerbauern haben sehr gute Jahre gehabt, haben jetzt, weil sie zu Weltmarktpreisen arbeiten müssen - zugegeben -, vermutlich zwei schlechte Jahre nacheinander. Aber auch sie sind bereit und in der Lage, sich den Märkten und dem Weltmarkt zu stellen, und auch sie würden nicht von einer marktinduzierten Krise sprechen.

Eine Krise haben wir in der Landwirtschaft, weil die Rahmenbedingungen, die wir insbesondere unseren Landwirten stellen, im Moment so unsicher sind, wie sie nie zuvor in unserer Geschichte waren.

Ein junger Landwirt, der sich heute überlegt, ob er den Betrieb übernehmen soll, hat keine Angst vor Märkten. Er hat Angst, weil er seinen Betrieb entwickeln muss. Er muss ihn ständig weiterentwickeln, weil Stillstand Rückschritt ist und auch Gebäude abgeschrieben werden. Jeder, der ein bisschen Ahnung von Wirtschaft hat, weiß, dass ständig weiterinvestiert werden muss. Dieser Landwirt bekommt auch von der Beratung und auch von der Wissenschaft keine Hinweise darauf, wie er seinen Betrieb weiterzuentwickeln hat.

Das ist etwas, was insbesondere uns in Niedersachsen in höchstem Maße beunruhigen sollte. Ich habe den Stellenwert dieses Wirtschaftszweigs und seine Bedeutung gerade für Niedersachsen dargelegt.

Jetzt komme ich zu der gesellschaftspolitischen Diskussion, in der wir uns derzeit hier bewegen, und zitiere die Rheinische Post Online vom 16. August - das ist wenige Tage alt -: Fleischproduktion steigt auf neuen Höchstwert. Schweinefleisch am beliebtesten. 4,1 Millionen t Fleisch im ersten Halbjahr. 29,2 Millionen Schweine geschlachtet. 2,8 Millionen t Schweinefleisch, 1,7 Millionen t Rindfleisch und 758 000 t Geflügelfleisch.

Weil wir wissen, dass jedes dritte Schwein und jedes zweite Masthähnchen in Niedersachsen gehalten wird und die Schlachtkapazität auch hier in Niedersachsen angesiedelt ist, wissen wir auch, dass das für den nachgelagerten Bereich normalerweise eine super Botschaft ist. Damit sind Arbeitsplätze gesichert. Diese Nachricht zeigt uns auch, dass zumindest unsere Schlachtbranche offensichtlich im Weltmarkt agieren kann. Sie kann nicht nur den heimischen Markt bedienen. Die deutschen Produkte, insbesondere Fleisch- und Wurstwaren, haben international ein enorm hohes Renommee. Diese niedersächsischen Betriebe stehen fest im Markt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Aber niemand ist bereit, diese Jubelmeldung aufzugreifen. Die gesamte gesellschaftspolitische Diskussion um unsere Nahrungsmittel, insbesondere um Fleisch, wird einzig und allein auf unsere Bauern abgewälzt. Unsere Bauern sind die Übeltäter, wenn sie auf das Kupieren von Schwänzen zurückgreifen, unsere Bauern sind die Übeltäter, weil sie angeblich Antibiotika einsetzen, ohne dass jemand dazu sagt, dass die Bilanz, was die Reduktion von Antibiotika im Zuge der AMG-Novelle angeht, beeindruckend ist.

(Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Frau Staudte - entschuldigen Sie, dass ich Sie zuerst nenne; aber alle anderen haben bisher aufmerksam zugehört -,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

insbesondere von Ihrer Seite stellt sich niemand derzeit in öffentlichen Diskussionen schützend vor unsere konventionellen Landwirte. Ihr Landwirtschaftsminister war in den letzten dreieinhalb Jahren noch in keinem konventionellen Hähnchenmastbetrieb. Er war in den letzten drei Jahren noch in keinem konventionellen Schweinemastbetrieb. 99 % unserer Produktion in diesem Bereich sind konventionell. Dies blendet er völlig aus, weil er mit ideologischen Scheuklappen seine Agrar- und Landwirtschaftspolitik hier in Niedersachsen betreibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas. Da spanne ich den Bogen bewusst sogar über die Bundesebene hinaus, Herr Kollege Siebels. Ich spreche von den Hermes-Bürgschaften. Mit 52 Millionen Euro Hermes-Bürgschaften, also aus dem Bundeswirtschaftsministerium gegebenen Sicherheiten, sollte in der Ukraine eine Entenmastanlage für 780 000 Enten auf Drahtböden aufgebaut werden. Gleichzeitig wurden Assoziierungsabkommen abgeschlossen, dass dieses Fleisch auch auf den bundesdeutschen Markt kommt. Die Investition tut sich im Moment schwer. Die ersten 5 Millionen Euro Hermes-Bürgschaften sind fällig geworden.

Und wir glauben hier in Niedersachsen, dass, wenn wir unsere kleine heile Welt mit HeiteiteiLandwirtschaft zusammenstricken, mit unserem Wesen das internationale Ernährungssystem geheilt wird? Das ist absolut blauäugig und naiv.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen Folgendes - da möchte ich einen Wissenschaftler zitieren, um nicht in den Verruf zu kommen, hier in Wahlkampfzeiten Parteipolitik zu machen -: Folkhard Isermeyer hat in einem Interview in Agra-Europe erklärt:

„‚Zu den grundlegendsten Fragen der Nutztierhaltung gibt es nach wie vor keine Übereinkunft.‘ Solange jedoch in den Kernfragen keine klare Linie existiere, ‚werden Tier- und Umweltverbände ebenso wie Journalisten weiterhin Missstände anprangern, und die Bedingungen für investitionswillige Landwir

te werden sich weiter verschlechtern. … Wer jetzt einfach nur die Auflagen verschärft, treibt viele Tierhaltungen in den Ruin und fördert die Verlagerung der Produktion ins Ausland.‘“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben hier eine Verantwortung insbesondere für unsere 23 000 Vollerwerbsbetriebe, die 20 000 Nebenerwerbsbetriebe und ihre Familienangehörigen, aber wir haben auch eine Verantwortung für die vielen Tausende von Mitarbeitern im vor- und nachgelagerten Bereich.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb wird die CDU-Fraktion dieses Thema in den Ausschussberatungen mit dem nötigen Weitblick bearbeiten. Der Antrag ist viel zu kurz gegriffen. Das Thema ist richtig. Wir sind gerne bereit, mit jedem, der bereit ist, sich diesem Thema wirklich aufrichtig und auch mit dem nötigen Ernst zu stellen, zusammenzukommen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Auf Ihre Rede gibt es die Wortmeldung zu einer Kurzintervention des Kollegen Siebels. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dammann-Tamke, großes Kompliment für Ihren Wortbeitrag! Das ist ganz ernst gemeint; das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen.

Ich will einen Punkt herausgreifen, nämlich die Äußerung von Professor Isermeyer, die Sie zitiert haben, die ich ausdrücklich teile und unterstütze. Ich halte das für einen der vielen Gründe, weshalb wir in Bezug auf die Tierhaltung tatsächlich zu einer bundesweiten Regelung kommen sollten, nämlich zu einem Bundestierschutzplan, damit es schlussendlich nach einer intensiven Debatte eine gesellschaftliche Übereinkunft über diese Fragen der Tierhaltung geben kann; denn nur dann sind, wie Sie richtig beschrieben haben, die Landwirte in der Lage, nachhaltig in diesen Bereich zu investieren. Im Moment weiß keiner genau, wohin es geht.

Also, ein ganz großes Kompliment für Ihren Wortbeitrag!

Ich will trotzdem Folgendes sagen: In dem Antrag findet sich das nun alles nicht richtig wieder. Das haben Sie ja auch gesagt. Aber wenn dieser Antrag dazu führt, dass wir eine solche intensive und richtige Diskussion über genau diese Frage führen, dann ist er vielleicht doch nicht ganz umsonst gewesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)