Protocol of the Session on August 18, 2016

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind der festen Überzeugung, dass sich das Thema der öffentlich-privaten Partnerschaft definitiv nicht zum Klassenkampf eignet. Der auf Sie zurückgehende Beschlussvorschlag, der uns heute vorliegt, ist eher ein ÖPP-Verhinderungsantrag, als dass er sich wirklich sachdienlich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Herr Grascha, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Herr Schmidt würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Grascha, ich frage, weil Sie gerade gesagt haben, dass Sie den schon wieder zurückgezogenen Änderungsantrag der CDU unterstützt haben: Haben Sie ihn gelesen? Er ist nämlich wortgleich mit dem Ausgangsantrag. Insofern macht das keinen Sinn. Vielleicht können Sie uns erhellen, welche Neuigkeiten er enthält.

(Ulf Thiele [CDU]: Er hat überhaupt nicht zugehört! - Björn Thümler [CDU] - zur SPD -: Er meinte Ihre Beschlus- sempfehlung!)

Sie haben das Wort, Herr Grascha.

Nein! Da haben Sie, wie so häufig in diesem Haus, nicht zugehört, Herr Schmidt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Ich habe gesagt, dass ich den Vorschlag unterstützen könnte, dass die CDU ihren Antrag zurückzieht. Dann würde nämlich auch Ihre Beschlussempfehlung verschwinden. Das ist der alleinige Hintergrund, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In der Tat, in dieser Beschlussempfehlung steckt eine Menge Klassenkampf, es hat auch eine Menge Klassenkampf hier am Redepult bei Ihrem Beitrag gegeben, Herr Schmidt. Aber eine sachdienliche Auseinandersetzung sieht auf jeden Fall anders aus.

Aber es gibt ja auch vernünftige Sozialdemokraten, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, beispielsweise der Bundeswirtschaftsminister, bei dem man in der Regel nicht ganz genau weiß, wo er steht. Aber zumindest bei dem Thema hat er in der Vergangenheit Flagge gezeigt. Er hat damals eine Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen in Deutschland eingesetzt. Dieser Bericht liegt vor.

Darin wurde eindeutig festgestellt, dass es eine signifikante Investitionsschwäche in Deutschland gibt. Um diese Investitionsschwäche in unserem Land zu überwinden, brauchen wir einen breiten Ansatz, zu dem verschiedene Instrumente gehören. Hierzu gehören natürlich öffentliche Investitionen, aber auch Investitionen, die von öffentlichen

Stellen und Privaten getragen werden, um privates Kapital zu mobilisieren. Ein breiter Ansatz ist hierfür erforderlich.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich kann übrigens auch die Abwesenheit des Herrn Finanzminister am Anfang der Debatte durchaus nachvollziehen; denn was er in der Öffentlichkeit zu dem Thema gesagt hat, steht ja diametral im Gegensatz zu dem, was Sie hierzu in den Landtag eingebracht haben. In Ihrer Beschlussempfehlung heißt es: Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf,

„sicherzustellen, dass ÖPP-Projekte und -Maßnahmen nicht dafür genutzt werden, die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Verschuldungsregeln auszusetzen oder gar zu umgehen“.

Der Herr Finanzminister lässt sich im Rundblick vom 29. Juli 2016 allerdings folgendermaßen zu dem Thema ein:

„‚Wenn für das Land die Schuldenbremse gilt, können wir Großvorhaben nicht mehr wie bisher über eine größere Kreditaufnahme bezahlen‘, sagte Schneider gestern in Hannover. Dann werde man ‚neu nachdenken müssen‘ über die Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Investoren bei der Finanzierung. ‚Ein Projekt wie der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven lässt sich anders gar nicht mehr verwirklichen‘“.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Punkt steht also diametral zu Ihrer Beschlussempfehlung. Der Finanzminister kann froh sein, dass er hier im Plenum keine Stimme hat. Ansonsten müsste er heute mit Nein stimmen und müsste Ihren Antrag definitiv ablehnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu Ihren Floskeln in der Beschlussempfehlung wie „Einzelfallprüfung“, „Aufstellung von Kriterienkatalogen“ usw.: Es gibt in diesem Land eine Landeshaushaltsordnung. Darin ist die Wirtschaftlichkeit klar und eindeutig definiert. Das ist der Kriterienkatalog, der gilt. Da braucht man nicht noch zusätzliche Bürokratie, die Sie uns hier aufhalsen wollen, nur um diese Projekte zu verhindern. Das ist definitiv komplett am Thema vorbei.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte nun noch etwas zum Thema Wirtschaftlichkeit sagen, weil das immer so dahergesagt wird. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit muss man natürlich auch den Faktor Zeit einbeziehen. Wenn ein Projekt nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt - das hat der Finanzminister in seiner Stellungnahme bestätigt - in Gänze umgesetzt werden kann und man dafür privates Kapital benötigt, spielt der Faktor Zeit natürlich eine entsprechende Rolle. Häufig steht das öffentliche Kapital gar nicht zur Verfügung. Dann braucht man privates Kapital, und das hat auf jeden Fall einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Sie werden mit diesem Antrag dem Thema ÖPP, dem Ziel, die Investitionsschwäche in Deutschland tatsächlich nachhaltig zu beseitigen, in keiner Weise gerecht. Sie streben mit diesem Antrag eher an, aus Gründen des Klassenkampfes ÖPP zu verhindern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Grascha. - Jetzt hat sich Gerald Heere für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Öffentlich-private Partnerschaften sind ein zweischneidiges Schwert. Mittels ÖPP können staatliche Aufgaben - z. B. bei größeren Investitionen - mit der Hilfe privater Partner schneller und kosteneffizienter ausgeführt werden, als es der Staat alleine schaffen könnte. So zumindest die Theorie.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Daher gehören ÖPP zum möglichen Instrumentarium aller staatlichen Ebenen. Sie will keiner verbieten - auch wenn das hier einfach unwahr von der Opposition behauptet wird. Kommen Sie bitte an dieser Stelle zur Sachdebatte zurück!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Zweischneidigkeit ergibt sich vor allem dadurch, dass die vermeintliche Kosteneffizienz häufig nicht realisiert werden kann. So hat z. B. der Bundesrechnungshof eine milliardenschwere Verschwendung von Steuergeldern durch ÖPP beim Fernstraßenbau angeprangert. Ähnlich sieht es bei ÖPP-Projekten von Bund, Ländern und Kommu

nen deutschlandweit aus. Davon zeugen diverse Prüfberichte. Problematisch sind zudem die Reduzierung der demokratischen Kontrolle und der Einflussnahme gewählter Gremien während des Projektverlaufs sowie - ganz besonders - der Umstand, dass ÖPP zum Teil einfach nur umgesetzt werden, um Verschuldungsregeln wie die Schuldenbremse elegant zu umgehen. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig, alle ÖPPProjekte kritisch zu begleiten. Das beabsichtigen wir mit diesem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Damit stellen wir uns ganz klar gegen Ihren ursprünglichen Entschließungsantrag, der öffentlichprivate Partnerschaften völlig undifferenziert befürwortet und bewirbt. Auf dieser Basis können wir nicht zusammenkommen.

Obwohl wir zu ÖPP eine unterschiedliche Grundauffassung haben, hätte ich mir von Ihnen, Herr Lechner und Herr Grascha, schon gewünscht, dass Sie die Beschlussempfehlung nicht einfach pauschal ablehnen, sondern sich differenziert damit befassen. Wir wollen ÖPP nicht verbieten. Das ergibt sich aus unserem Änderungsvorschlag nun wirklich nicht. Wir Grüne wollen, dass Unwirtschaftlichkeiten vermieden werden sollen und dass die Schuldenbremse nicht umgangen werden darf. Über diese Ziele müsste eigentlich allgemeine Einigkeit bestehen. Aber offensichtlich sehen Sie das anders.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn Sie Kritik an der Schuldenbremse äußern, dann doch bitte dahin gehend, dass die Schuldenbremse bei Zukunftsinvestitionen ein Hindernis darstellt.

(Christian Grascha [FDP]: Ich habe keine Kritik an der Schuldenbremse geäußert!)

Deshalb muss man nicht über die ÖPP nachdenken, sondern darüber, wie man die Schuldenbremse in dieser Hinsicht verändern kann, um eine zukunftsfähige Schuldenregel, die Zukunftsinvestitionen möglich macht, einzusetzen. Dafür stehen wir Grüne.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der FDP)

Außerdem sagen wir: Nur in den Fällen, in denen eindeutig und öffentlich transparent nachgewiesen

wird, dass dem Staat auf lange Sicht keine finanziellen Nachteile entstehen, können ÖPP sinnvoll sein. Schade, dass Sie sich auch zur Unterstützung dieser eindeutigen Aussage nicht durchringen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Evaluation der ÖPP-Projekte des Landes Niedersachsen ist eine höchst sinnvolle Maßnahme. Auf der Basis dieser Ergebnisse sowie der genannten Prüfberichte auf anderen Ebenen kann man im Anschluss über die Bedingungen von öffentlich-privaten Partnerschaften diskutieren. RotGrün zeigt damit das Interesse an sachlichen Grundlagen für eine sparsame Finanzpolitik und nicht an Ideologie - so wie es bei Ihnen der Fall ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich finde es schon sehr bezeichnend, dass Sie all dies nicht mittragen wollen und lieber bei Ihrem Werbeantrag bleiben. Rot-Grün steht hingegen für differenziertes und kritisches Denken bei ÖPP. Dafür bitte ich um Unterstützung.

Vielen Dank.