Protocol of the Session on August 18, 2016

Bitte schön, Herr Grascha!

Vielen Dank. - Herr Kollege Lechner, vor dem Hintergrund, dass sich der Finanzminister in dieser Debatte bereits eingebracht hat - nebenbei gesagt: mit einer recht vernünftigen Position gegenüber den Koalitionsfraktionen -, frage ich Sie: Wie bewerten Sie den Umstand, dass der Finanzminister an der Debatte hier nicht teilnimmt?

Herr Lechner, Sie haben das Wort.

Herr Grascha, vielen Dank. Sie haben auf etwas Wichtiges hingewiesen. Dass es anderthalb Jahre

dauert, bis der Antrag behandelt wird, dass die Beratung zweimal verschoben wurde und dass zudem der Finanzminister nicht anwesend ist, zeigt, welchen Stellenwert dieses Thema bei der aktuellen Landesregierung genießt - nämlich keinen. Und das ist sehr, sehr schade.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das zeigt auch die Beschlussempfehlung: Aus allen Zeilen spricht Skepsis. Der Rundblick hat es heute so treffend formuliert: Bloß keinen Pakt mit dem Kapital! Das ist das, was Sie befürchten.

Ich gebe Ihnen einmal drei Beispiele:

Erstens. ÖPP-Modelle können viele Vorteile haben. Man braucht das Risiko nicht allein zu tragen. Private bauen effizienter, wodurch Kosten gespart werden können. Der Vertragspartner hat von Anfang an eine Kalkulation über den gesamten Lebenszyklus. Man kann das Fachwissen und die Kompetenz von Privaten nutzen. Man kann neben dem normalen Kreditmarkt eine zusätzliche Refinanzierungsquelle heben. - Alles wunderbar dargestellt in der Pro-Rubrik des Rundblicks.

Natürlich gibt es auch Nachteile. Wenn ÖPPModelle falsch gemacht werden, kann ÖPP auch zu finanziellen Nachteilen führen. Und ÖPP bedarf einer effektiven Kontrolle.

Die Nachteile, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, zitieren Sie in Ihrer Beschlussempfehlung vollumfänglich. Es findet sich aber kein einziges Wort zu den Vorteilen von ÖPP. Das zeigt, in welchem Geist Sie diese Beschlussempfehlung geschrieben haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. In dem Expertenbericht des Bundeswirtschaftsministers - seines Zeichen SPD-Mitglied - wird klar empfohlen, dass Bund und Länder Infrastrukturgesellschaften schaffen sollen. Diese sollen den Kommunen helfen, von verschiedenen Projekt- und Beschaffungsvarianten die für sie beste und wirtschaftlichste Alternative auszuwählen und den Planungs- und Umsetzungsprozess zu stärken. Damit sollen sie genau das bewirken, was wir in unserem Antrag fordern, eben auch in Richtung ÖPP beraten und Unterstützung leisten. In einer Pressemitteilung zu dieser Expertenkommission fordert der Bundeswirtschaftsminister, Infrastrukturgesellschaften zu schaffen und einen Teil der öffentlichen Infrastruktur wie Straßen, Schulen und Brücken über ÖPP-Projekte zu finanzieren.

(Zuruf von der FDP: Ach was!)

Liebe Rot-Grüne, Herr Gabriel hat recht, aber Ihre Position in Ihrem Antrag heute steht dem diametral entgegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens. Das ist für mich schon fast ein wenig unverschämt. Sie wollen, dass der Landtag feststellt, dass - ich zitiere aus Ihrem ÖPP-Antrag -:

„ÖPP eingedenk der Erfahrungen auch in Niedersachsen als Instrument allerdings zu risikoreich und daher häufig ungeeignet zur Finanzierung staatlicher Aufgaben sind.“

In der Begründung führen Sie dann für diese These genau ein Beispiel aus Niedersachsen an, die JVA Bremervörde.

(Zuruf von der FDP: Ziemlich dane- ben!)

Der niedersächsische Rechnungshof hat schon in der Ausschusssitzung gesagt, dass es zur Wirtschaftlichkeit dieses ÖPP-Vorhabens noch gar kein Ergebnis gibt. Jetzt frage ich Sie ganz ehrlich: Sonst gibt es für Sie in Niedersachsen nichts wirklich Erwähnenswertes? Ich helfe Ihnen einmal auf die Sprünge: Kita und Familienzentrum Langenhagen - Effizienzvorteil 8 %, Freizeitbad Seelze - Effizienzvorteil 20 %, Erweiterung Gymnasium Twistringen - Effizienzvorteil 13,5 %, Gymnasium Nordheim - Effizienzvorteil 8 % und - jetzt hören Sie zu, Herr Schmidt - Feuerwehrhauptwache Celle - Effizienzvorteil 18 %. Das Beste ist, der Erfolg dieser Projekte wird in einer Antwort Ihrer Landesregierung

(Zuruf von der FDP: Wo?)

auf eine Anfrage der FDP zu ÖPP sogar noch bestätigt. Ich zitiere, Herr Schmidt, in Bezug auf Ihre Heimatstadt und auf die Feuerwehrhauptwache: „Der abschließend ermittelte Barwertvorteil lag bei 18,11 %.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Ronald Schminke [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz ehrlich, man muss die Augen schon wirklich ganz stark zudrücken, damit man diese Vorteile von ÖPP in Niedersachsen nicht findet. Das ist reine Verweigerungshaltung, die Sie an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie reihen hier in Ihrem Antrag Voraussetzung an Voraussetzung und erhöhen damit die Hürden für ÖPP-Projekte. Ich weiß, Sie werden gleich sagen:

Alles falsch! Nein, wir wollen ÖPP nicht verbieten. - Aber im Grunde verhalten Sie sich genauso, als wenn Sie sich hier hinstellen und sagen würden: Ja, ein 400-m-Hürdenlauf ist weiterhin zulässig, aber leider sind die Hürden jetzt 3,50 m hoch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie legen vielen Initiativen unnötig Knüppel in den Weg. Und warum? - Weil Sie ÖPP im Grunde Ihres Herzens ablehnen. Das ist der Unterschied. Wir trauen unseren Unternehmern und unserem Mittelstand, wir glauben, dass wir mit ihnen zum Wohle aller unserer Menschen im Land gemeinsam über ÖPP etwas bewegen können. Wir hätten uns eine konstruktive Debatte gewünscht; konstruktiv wie der Beitrag heute im Rundblick. Wir hätten vielleicht sogar gemeinsam einen guten Antrag schaffen können, aber dazu sind Sie nicht bereit. Das ist schade. Deshalb lehnen wir die Beschlussempfehlung ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Lechner. - Jetzt hat sich Maximilian Schmidt, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Schmidt!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lechner, bis auf den Umstand, dass Sie tatsächlich die Zeilen unseres Antrags richtig gezählt haben, haben Sie beim Thema ÖPP wirklich gar nichts verstanden.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie haben eine zwar lautstarke, aber betreffend die konkreten Inhalte, die hier in Rede stehen, ziemlich dünne Rede gehalten. Ich will beim Thema ÖPP, das zu Recht in der öffentlichen Debatte häufig eine große Rolle gespielt hat, eine Überschrift aus einem Bericht des Deutschlandradio zitieren:

„Öffentlich-private Partnerschaften - eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen.“

Das ist die andere Seite der Medaille. Dort wird weiter ausgeführt:

„Die Diskussion über Vor- und Nachteile öffentlich-privater Partnerschaften ist eine Geschichte mit vielen Protagonisten und komplexen Umständen. Banken, Versicherungen und Baukonzerne; die Schuldenbremse

und knappe öffentliche Kassen; kaputte Straßen und marode Schulen, niedrige Zinsen; geschönte Zahlen und geheime Verträge.“

(Ronald Schminke [SPD]: Richtig!)

Ein solches Beispiel ist der Autobahnbau. Ich will an der Stelle die A 7 und unseren Kollegen Ronny Schminke, der sich diesem Irrweg in den Weg gestellt hat, nennen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - La- chen bei der FDP)

Ich will unseren Wirtschaftsminister Olaf Lies zitieren, der zum Thema ÖPP klar Position bezogen hat. Er hat gesagt:

„Ich habe die ja nicht ideologisch abgelehnt - ich habe sie aufgrund von Zahlen, Daten und Fakten abgelehnt.“

Genau darum geht es. Es geht nicht um Fragen der Ideologie, sondern um die Frage, wie öffentliche Infrastruktur solide und nachhaltig finanziert werden kann. Hier sehen wir ÖPP eben sehr kritisch, übrigens nicht allein. Der Landesrechnungshof und die Gewerkschaften teilen diese Forderung, und

(Christian Grascha [FDP]: Das stimmt überhaupt nicht, im Gegenteil!)

- das müsste Ihnen nun wirklich ganz besonders zu denken geben - die mittelständische Bauwirtschaft sieht dieses Instrument ebenfalls sehr kritisch. Da müssten doch bei Ihnen alle Alarmglocken angehen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen brauchen Sie sich über unsere Verlässlichkeit eigentlich nicht zu wundern. Wir haben das in unsere Wahlprogramme geschrieben. Die haben wir übrigens selbst geschrieben und nicht kopiert.

(Christian Grascha [FDP]: Es wundert mich auch nicht, dass sie unzulässig sind!)