Protocol of the Session on August 18, 2016

Meine Damen und Herren, mit diesem gemeinsamen Antrag wollen alle Fraktionen die Leistungen der niedersächsischen Gedenkstätten anerkennen, ihren Wert für die Zukunft betonen und damit natürlich auch finanziell absichern.

Die Erinnerungsarbeit hatte früher - das sprach ich kurz an - die Opfer im Blick, dann - also jetzt vor allem - die Täter und die Schuldfrage, und für die Zukunft, denke ich, ist die Frage nach der Verantwortung menschlichen und politischen Handelns gerade im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus ausgesprochen wichtig. Max Frisch sagt - das gefiel mir in dem Zusammenhang sehr -: „Die Würde des Menschen be

steht in der Wahl.“ Das heißt, Menschen können entscheiden, wie sie handeln, haben damit Verantwortung für ihr Tun und damit auch für das mögliche Maß an Würde oder Schuld mit allem, was dazwischen liegt. Diese Haltung zu vermitteln, ist für das Zusammenleben der einzelnen Menschen ebenso wichtig wie für die Zukunft der Völker und der Staaten. Nicht zuletzt dafür brauchen wir unsere niedersächsische Gedenkstättenarbeit.

Lassen Sie mich mit einem Motto aus Yad Vashem abschließen: „Remembering the Past - Shaping the Future.“ Indem wir uns an die Vergangenheit erinnern, gestalten wir die Zukunft. Das heißt, wie wir uns an die Vergangenheit erinnern, ist wichtig für die Art der Gestaltung unserer Zukunft. Hier laufen die Fäden zwischen Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft wieder zusammen und auch zwischen der Arbeit in Yad Vashem und unserer niedersächsischen Gedenkstättenarbeit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock.

Um noch einmal zu erklären, worum es vorhin ging: Herr Präsident Busemann hatte ja angeregt, die Große Anfrage vorher zu besprechen. Das entspricht nicht dem Stand der Diskussion zwischen den Fraktionen. Im Augenblick wird abgestimmt, ob die Drucksache 17/2122 oder die Punkte 10 und 11 auf den Vormittag vorgezogen werden. Das ist zurzeit in der Abstimmung. Es ist aber klar, dass noch ein oder zwei Tagesordnungspunkte vorgezogen werden.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Julia Willie Hamburg. Bitte schön!

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen - sei es durch die Stiftung der niedersächsischen Gedenkstätten, seien es die vielen regionalen Gedenkstätten oder aber auch die vielen, vielen ehrenamtlich organisierten Gedenkorte vor Ort - leistet eine großartige und bedeutende Arbeit. Hier ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte schwierig und bedarf Fingerspitzengefühls. Mein Dank hierfür gilt von unserer Seite aus allen diesen Akteuren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In diesem Zusammenhang ist es auch essenziell wichtig, dass der Landtag immer eine Praxis lebt, die auf Einigung, Verständigung und gemeinsames Voranschreiten und Weiterentwickeln bei diesem Thema ausgerichtet ist.

Der CDU-Antrag zum Thema Yad Vashem wurde in unserem Ausschuss behandelt. Es ist zu einer Anhörung gekommen. In dieser Anhörung ist sehr deutlich geworden, dass dieser Antrag an Breite zu wünschen lässt, die sich die Gedenkstätten von uns als Landtag wünschen, und dass wir als für die Gedenkstätten zuständiger Ausschuss, aber auch als Landtag insgesamt dieser Breite und vor allem den Herausforderungen, vor denen die Gedenkstätten derzeit stehen, Rechnung tragen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte hier nur einige nennen. So geht es immer auch darum, neue Zielgruppen zu erschließen. Es geht darum, sich auf neue Zielgruppen einzustellen. Es geht darum, den Schülerinnen und Schülern, die zu Gedenkstätten kommen und die mit unserer Geschichte nicht unmittelbar in Berührung sind, trotzdem Verständnis zu vermitteln. Es geht darum, die Gedenkstättenarbeit weiterzuentwickeln und eine Breite der Vernetzung herzustellen, sei es bundesweit oder international, um dieses Thema gemeinsam voranzubringen. Es geht darum, mit neuen Formaten die Ansprache von jungen Menschen weiterhin aufrechtzuerhalten. Es geht auch darum, den Landtag verstärkt darüber zu informieren, was die Gedenkstättenarbeit eigentlich leistet und wo Bedarfe bestehen, und zwar über den Gedenkstättenausschuss hinaus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben vor diesem Hintergrund den Antrag überarbeitet und sind in interfraktionelle Gespräche gegangen, um den Antrag auf breitere Füße zu stellen, den Fokus zu weiten und der Anhörung gerecht zu werden.

Ich möchte allen Fraktionen danken, dass wir hier so konstruktiv zusammengekommen sind. Natürlich war eines der Hauptthemen - das wird in diesem Antrag auch deutlich - die Stärkung der pädagogischen Arbeit in den Gedenkstätten. Denn es ist sehr deutlich geworden, dass das Hinfahren zur Gedenkstätte allein bei Weitem nicht ausreicht, sondern dass dort gerade junge Menschen päda

gogisch begleitet werden müssen, damit der Besuch einer Gedenkstätte auch den gewünschten Effekt erzielt. Diese pädagogische Arbeit wollen wir hiermit stärken.

Deswegen haben wir gemeinsam beschlossen, die Mittel aufzustocken. Wir werden im kommenden Haushaltsjahr 100 000 Euro statt 50 000 Euro in den Haushalt einstellen. Danach, 2018, werden wir weitergehend 150 000 Euro für die pädagogische Arbeit und für Schülerfahrten in den Haushalt einstellen. Das ist ein wichtiges Signal.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Entscheidung über die Mittelverwendung wollen wir explizit an den Stiftungsrat übertragen; denn er leistet gemeinsam mit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten eine wunderbare Arbeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit seinen Geldern. Die Weiterentwicklung ist sehr beeindruckend. Im Stiftungsrat sind alle Fraktionen des Landtags beteiligt, sodass wir auch hier interfraktionell weiter voranschreiten können.

Ich möchte noch einmal darauf eingehen, welch große Bedeutung es hat, dass wir hier tatsächlich noch zueinandergefunden haben und diesen Weg mit großer Ernsthaftigkeit weiterhin vollziehen. Denn es wird von uns erwartet und dem Thema gerecht, dass wir alle hieran miteinander wirken und in großer Ernsthaftigkeit darüber reden, was die richtigen Wege sind, gerade im Zuge der Herausforderungen, vor denen die Gedenkstättenarbeit heute steht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat jetzt Frau Dr. Silke Lesemann für die SPD-Fraktion. - Entschuldigung, Frau Dr. Lesemann, Frau Bertholdes-Sandrock möchte auf Frau Hamburg kurzintervenieren. - Sie haben für 90 Sekunden die Möglichkeit. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte nicht intervenieren, aber ein bisschen ergänzen und insofern vielleicht auch ein bisschen geraderücken.

Liebe Kollegin Hamburg, im Mittelpunkt steht die Freude über das Gemeinsame. Daran werde ich

auch nicht rütteln. Nur, Ihre Aussage, dass unser Antrag zu wenig in die Breite ging, war weniger zutreffend. Ich wollte kein Wasser in den Wein gießen. Deswegen habe ich das nicht genannt. Aber es ist schwierig, wenn in der Anhörung Worte fallen wie: Das Anliegen des Antrages, Fortbildungen für Lehrkräfte in Kooperation mit Yad Vashem zu fördern, verkennt zum einen die Pluralisierung der Fragerichtung und Perspektiven der internationalen Holocaustforschung. - Das ist nur ein Beispiel; es gibt mehrere.

Es wurde auch gesagt, man brauche einen reflektierten Umgang, frei von Emotionen und Empfinden, auch keine billigen und einfachen Morallernsachen. Ich finde es sehr bedauerlich, wenn so etwas aus dem teilweise wissenschaftsorientierten Raum kommt und es dann immer heißt, der Antrag zu Yad Vashem leiste dazu nichts.

Ich finde es sehr, sehr gut, dass wir - auch mit Ihrer Hilfe, Frau Hamburg - dazu gekommen sind, den Kern und das Wesen von Yad Vashem in unseren gemeinsamen Antrag mit hineinzutragen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Auch wenn es „Kurzintervention“ heißt, sind es Ergänzungen in Reaktion auf die jeweiligen Reden. - Frau Hamburg hat aber das Recht, jetzt auch 90 Sekunden zu antworten. Bitte schön!

Verehrter Herr Präsident! Frau Bertholdes-Sandrock, natürlich haben Sie recht. Man kann über die inhaltliche Bewertung einzelner Punkte in der Anhörung auch streiten. Nichtsdestotrotz sollte man nicht verhehlen, worin der Anlass bestand, diesen Antrag deutlich zu weiten. Sie wissen, dass wir ihn interfraktionell überarbeitet haben und erst dann in die Anhörung gegeben haben. Trotzdem kam danach großer Unmut auf, weil viele zu Recht gesagt haben: Liebe Leute, wir stehen vor massiven Herausforderungen in der Gedenkstättenarbeit!

Die Interkulturalität, die Frage der Erschließung neuer Zielgruppen, die Frage des Aktuell-Bleibens in Zeiten von Internet und von Social Media und die Frage der Vermittlung vor dem Hintergrund, dass viele Leute keine Broschüren mehr lesen, sind Herausforderungen, auf die sich Gedenkstät

tenarbeit einstellen muss und denen wir gerecht werden müssen.

Auch die Tatsache, dass man heutzutage nicht zu einer Gedenkstätte fährt, dort einmal hindurchläuft und dann mit den Emotionen allein wieder nach Hause fährt, sondern dass man diese bearbeitet, ist eine Herausforderung, der die Gedenkstätten heutzutage nicht mehr zu 100 % gerecht werden können. Bitte befasst euch auch damit! - Vor diesem Hintergrund - nur das wollte ich sagen - haben wir alle gemeinsam diesen Antrag deutlich ausgeweitet, um dem entgegenzukommen.

Mehr wollte ich hier eigentlich nicht deutlich machen: Ich freue mich, dass wir das in Ernsthaftigkeit getan und nicht nur gesagt haben: Das ist aber unser Antrag, der ist okay, wir stimmen ihn durch. - Vielmehr haben wir ihn deutlich überarbeitet. Dafür bin ich insbesondere auch Ihnen sehr, sehr dankbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Hamburg. - Jetzt geht es tatsächlich weiter mit dem bereits versuchten Aufruf der Wortmeldung von Frau Dr. Silke Lesemann von der SPD-Fraktion. Bitte, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In Niedersachsen ist es eine gute Praxis, das Thema Gedenkstättenarbeit konsensual zu diskutieren. Ich freue mich deshalb sehr und möchte mich meinen Vorrednerinnen anschließen, dass dies mit einem gemeinsam getragenen Entschließungsantrag aller im Niedersächsischen Landtag vertretenen Fraktionen gelungen ist.

Freilich - da kennen Sie den Kultusausschuss und die Debatten, die wir hier immer wieder gemeinsam führen, gut genug - ist dieser Konsens nicht gleichbedeutend damit, dass es keine Diskussion über die Weiterentwicklung der Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen gegeben hätte. Die gab es, und zwar so ausführlich und tief, wie wir es aus dem Kultusausschuss gewohnt sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das hat letzten Endes dazu geführt, dass wir den Antrag qualitativ weiterentwickelt haben, ein quantitatives Zusatzangebot, was das Finanzielle an

geht, aufgenommen haben und trotzdem insgesamt eine gemeinsame Lösung gefunden haben.

Dass der Ursprungsantrag - Frau Hamburg sprach es eben an - gründlich überarbeitet werden musste, bestätigte sich durch die im Kultusausschuss durchgeführte Anhörung. Sie brachte nämlich die notwendigen fachlichen Impulse und Anregungen, und zwar auf einem durchweg hohen Niveau. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei allen Beteiligten bedanken. Sie haben uns mit dem Forschungsstand, den wissenschaftlichen Diskussionen sowie den Bedarfen der Gedenkstättenarbeit stärker vertraut gemacht.

Meine Damen, meine Herren, zahlreiche dieser wertvollen Anregungen finden sich in unserem gemeinsamen Entschließungsantrag wieder. Darunter befinden sich einige weiterreichende Ergänzungen des ursprünglichen Antrags der CDU-Fraktion.

Wir haben nun eine gute und gemeinsam getragene Lösung im Interesse der Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen gefunden. Wir stärken deren Arbeit auf mehrerlei Weise.

Wie gewünscht, soll das Antragsverfahren für Schulfahrten entbürokratisiert und beschleunigt werden. Der Stiftungsrat wird entscheiden, wie die Summen vor Ort verteilt werden - ob für die Steigerung der Qualität der pädagogischen Arbeit in den Gedenkstätten oder für die quantitative Ausweitung der Schulfahrten.

Wir kommen dem Wunsch nach flexibler Vergabe nach und erreichen hierdurch eine Intensivierung und Qualitätsverbesserung. Noch einmal zur Erinnerung: Eine einseitige Ausweitung der Zahl der Schulfahrten würde wenig Sinn machen. Denn bereits jetzt - das hat uns auch die Anhörung gezeigt - kann in etlichen Gedenkstätten Niedersachsens mangels personeller und räumlicher Ressourcen Wünschen der Schulen nach einer Intensivierung der pädagogischen Begleitung während des Aufenthalts in den Gedenkstätten nicht nachgekommen werden. So können wir die Flexibilität gewährleisten, dass die Gedenkstätten das Geld dort einsetzen, wo es benötigt wird.