Protocol of the Session on August 18, 2016

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Frau Joumaah. - Jetzt hat sich für die FDP Björn Försterling gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zutreffend ist festgestellt worden, dass die Zahl der Frühgeburten weltweit und somit auch in Deutschland steigt. Demzufolge ist in den letzten Jahren - das kann man dankenswerterweise feststellen - auch die Versorgung von Frühgeborenen in den Kliniken deutlich verbessert worden mit der Folge, dass die Überlebenschancen deutlich gestiegen sind.

Natürlich stellt sich dann auch immer die Frage, wie diese Frühgeborenen am besten zu versorgen sind. Unstrittig ist - das ist eben schon mehrfach gesagt worden -, dass die beste Versorgung die Muttermilch ist. Deswegen sind wir sehr dankbar dafür, dass die Fraktionen von SPD und Grünen diesen Antrag in den Landtag eingebracht haben. Ich glaube, wir werden im Sozialausschuss spannende Beratungen haben.

Ich möchte an dieser Stelle aus der Neuen Presse vom 15. August dieses Jahres zitieren, und zwar Frau Professorin Bettina Bohnhorst, die Oberärztin an der MHH-Kinderklinik. Sie sagt:

„Die Diskussion über Milchbanken ist ideologisch angehaucht. Natürlich sei die Milch der Mutter für das Neugeborene das Beste. Ersatzprodukte seien aber heutzutage auch für Frühgeborene super. Ein Liter Muttermilch aus der Milchbank könne an der Klinik Kosten von etwa 65 Euro verursachen. Das ist ein teures Unternehmen, man muss genau abwägen.“

Ich glaube, diesen Abwägungsprozess sollten wir im Sozialausschuss gemeinsam vornehmen. Die

Kollegin von der CDU hat zu Recht gesagt, dass die Finanzierungsfrage bisher ausgeklammert worden ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass es Eltern von Kindern, die im Kinderkrankenhaus Auf der Bult geboren worden sind, gibt, die sich selbst organisieren, sozusagen eine kleine Milchbank unter klinischer Begleitung. Wir sollten in unsere Erwägungen mit einbeziehen, wie wir private Initiativen, die Müttern die Möglichkeit geben, sich gegenseitig zu helfen, unterstützen können, indem wir z. B. auch die entsprechenden Untersuchungen begleiten.

Ich glaube, uns eint doch das Ziel, dass Mütter, dass Eltern von Frühgeborenen nicht darauf angewiesen sind, im Internet Muttermilch bestellen zu müssen, ohne zu wissen, woher sie kommt. Das muss unser Ziel sein. Wenn wir dieses Ziel gemeinsam verfolgen - wie auch immer; ob das dieser Vorschlag ist oder ob wir im Ausschuss zu einem anderen Vorschlag kommen -, dann werden wir, glaube ich, einen Beitrag dazu leisten, die Frühgeborenen in diesem Land noch besser zu versorgen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Försterling. - Es hat sich jetzt die Ministerin gemeldet. Frau Ministerin Rundt, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, dass eine Muttermilchbank ein wichtiger Beitrag ist, um das hohe Qualitätsniveau bei der Versorgung frühgeborener Kinder in Niedersachsen noch weiter zu verbessern. Insofern begrüße ich sowohl den Antrag als auch die bisherige Diskussion, die sehr konstruktiv verlaufen ist.

Bis in die 70er-Jahre hinein waren Muttermilchbanken an vielen Krankenhäusern angeschlossen. Allein in der ehemaligen DDR gab es bis zur Wiedervereinigung 60 Annahmestellen für Muttermilch. Als jedoch in den 80er-Jahren das HIV-Virus bekannt wurde, nahm die Zahl der Muttermilchbanken dramatisch ab, da das Virus eben auch durch Muttermilch übertragen werden kann. Heute haben wir in Deutschland nur noch 15 Muttermilchbanken an Krankenhäusern, 13 davon in den neuen Bundesländern. In den alten Bundesländern gibt es

diese Muttermilchbanken nur im Klinikum Dortmund und im Klinikum Großhadern bei München.

Die Expertinnen und Experten sind sich einig, dass Muttermilch für Neugeborene besonders gesund ist. Insbesondere betrifft das die Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1 500 Gramm; denn die profitieren besonders von der Ernährung durch Muttermilch. Deshalb macht es auch für Niedersachsen Sinn, eine Muttermilchbank einzurichten, damit gerade diese Frühgeborenen eine gute Chance haben, sich normal und gesund zu entwickeln.

Mit großer Sorge darf man aber beobachten, dass es eine spürbare Zunahme des privaten Handels und des Internethandels mit Muttermilch gibt. Der private Handel - das ist gesagt worden - birgt Risiken für die Frühgeborenen; denn durch Muttermilch kann eben nicht nur HIV übertragen werden. Auch andere für Säuglinge und Frühgeborene lebensbedrohliche Krankheiten wie z. B. Hepatitis oder Tuberkulose können über die Muttermilch weitergegeben werden. Außerdem ist bei dem weitgehend nicht qualitätskontrollierten privaten Handel mit Muttermilch nicht auszuschließen, dass die Muttermilch infolge von Tabak-, Alkohol- oder Drogenkonsum Schadstoffe enthält.

Aber nicht nur der Ausschluss bestehender Vorerkrankungen der Spenderinnen in der Muttermilchbank muss sichergestellt werden. Gerade für die Frühgeborenen und ihre speziellen Bedürfnisse muss unter Umständen die Muttermilch über Verstärker mit Proteinen und Mineralstoffen angereichert werden. Auch diese individualisierte Therapie kann nur in speziellen Zentren garantiert werden.

Im Hinblick auf die Vorteile der Versorgung mit Muttermilch für Frühgeborene ist es bedauerlich, dass wir in ganz Norddeutschland kein Krankenhaus haben, welches über eine Muttermilchbank verfügt. Gerade für die Versorgung von Frühgeborenen, die es eben nicht leicht haben, später ein normales Leben zu führen, halte ich die Einrichtung einer solchen Muttermilchbank in Niedersachsen für wichtig.

Gleichzeitig begrüße ich sehr, dass im Entschließungsantrag auch gefordert wird, auf Bundesebene dafür zu sorgen, dass der private Handel mit Muttermilch so weit wie möglich eingeschränkt wird. Gerade die vielfältigen Möglichkeiten des Onlinehandels bergen die große Gefahr, dass Muttermilchbestände eben nicht qualitätskontrolliert sind. Diesem Handel weiter zuzuschauen, bedeutet gleichzeitig, dass wir die Gefahr einer

lebensbedrohlichen Erkrankung von Säuglingen und Frühgeborenen in Kauf nehmen würden.

Ich begrüße daher außerordentlich, dass der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dieses wichtige Thema aufgreift. Ich hoffe, dass es uns schnell gelingen wird, die Diskussion weiterzuführen und in Niedersachsen eine Muttermilchbank an einem Krankenhaus und einem Zentrum für die Behandlung von Frühgeborenen einzurichten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Ministerin. - Wir sind am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Vorgesehen ist die Beratung im Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Jetzt kommen wir zu der angekündigten Unterrichtung durch den Wirtschaftsminister:

Außerhalb der Tagesordnung: Unterrichtung über die Situation bei Volkswagen wegen Zuliefererschwierigkeiten - Unterrichtung durch den Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Herr Minister Lies, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst einmal für die Möglichkeit bedanken, Sie jetzt noch zu unterrichten. Wie Sie zum Teil bereits den Medien entnehmen konnten, wird Volkswagen in Absprache mit der Bundesagentur für Arbeit in mehreren Werken prüfen, Kurzarbeit zu beantragen. Fest steht bereits, dass im Emder Passat-Werk ab heute, Donnerstag, rund 7 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für zunächst fünf Tage in Kurzarbeit gehen.

Der Hintergrund ist hier, dass der Zulieferer Car Trim GmbH - eine Gesellschaft aus Plauen in Sachsen, die Textilien und Leder für Fahrzeugsitze

anfertigt - seit Anfang August keine Sitzbezüge mehr liefert. Dies hat zu gravierenden Engpässen in der Fahrzeugproduktion geführt.

Das Landgericht Braunschweig hatte Car Trim bereits Ende letzter Woche im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Lieferung der Sitzbezüge wieder aufzunehmen. Dieser Verpflichtung ist der Zulieferer bislang nicht nachgekommen.

Car Trim gehört letztlich zur Prevent-Gruppe und ist ein international agierender Zulieferer der Automobilindustrie mit Sitz in Plauen, der insbesondere Sitzbezüge herstellt.

Das ebenfalls zur Prevent-Gruppe gehörende Schwesterunternehmen ES Automobilguss GmbH (ES Guss) verweigert Volkswagen nun zusätzlich seit dem 4. August 2016 entgegen vertraglicher Vereinbarung die Lieferung von Ausgleichsgetriebegehäusen, auch für das Volkswagenwerk Kassel in Baunatal.

Auch ES Guss wurde durch das Landgericht Braunschweig bereits Ende letzter Woche im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, vertraglich vereinbarte Lieferungen von Ausgleichsgetriebegehäusen wieder aufzunehmen.

Im Werk Kassel stockt deshalb die Getriebeproduktion, besonders für die Modelle Golf und Sportsvan. Für diese Fahrzeugtypen können derzeit keine Getriebe mehr nach Wolfsburg und Zwickau geliefert werden, was dazu führt, dass ohne Belieferung deren Produktion vorübergehend eingestellt werden muss.

Da die weitere Entwicklung der Versorgungskette derzeit nicht absehbar ist, wird nun gemeinsam mit der Agentur für Arbeit für Teilbereiche der Werke Kassel, Wolfsburg, Braunschweig und Zwickau eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und Kurzarbeitsmöglichkeiten geprüft. Das ist inzwischen auch intern bekannt gemacht worden. An den Standortwerken gibt es eine Veröffentlichung, die eine vorsorgliche Prüfung der Beantragung von Kurzarbeit beschreibt.

Ich glaube, dass das eine Größenordnung ist, für die es gerechtfertigt ist, Sie darüber rechtzeitig zu informieren.

Die Kurzarbeit, meine Damen und Herren, soll zunächst fünf Tage andauern. Für die Zeiten der Kurzarbeit verringert sich der Anspruch auf Vergütung. Zu dem verringerten Monatsentgelt erhält der

Beschäftigte Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit sowie einen Zuschuss von Volkswagen.

Es ist nicht einfach, die Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und der Preventgroup vollständig zu durchschauen. Volkswagen selber hat uns gegenüber erklärt, Hintergrund sei eine eskalierte Auseinandersetzung zu einem Entwicklungs- und Liefervertrag zwischen Volkswagen und den Unternehmen der Preventgroup. Uns liegen bisher noch keine weiteren ausreichenden Informationen für eine Gesamtbewertung vor. Vielmehr ist es aber nach meinen bisherigen von Volkswagen bekommenen Schilderungen ein unglaubliches und für mich nicht nachvollziehbares Verhalten der betroffenen Unternehmen der Preventgroup. Sie machen z. B. von einem vorgeblichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch und verweigern damit weitere Lieferungen an die Volkswagen AG.

Meine Damen und Herren, es ist für Volkswagen und vor allem für die betroffenen Beschäftigten in allen beteiligten und darüber hinaus indirekt betroffenen Unternehmen eine schwere Belastung, nun Teilbereiche in mehreren Werken ruhen zu lassen.

Ich appelliere dringend an alle Beteiligten, möglichst zügig eine Lösung herbeizuführen, damit die Produktion fortgesetzt werden kann und die Beschäftigten an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können.

Ich habe mich mit den Fraktionen darauf verständigt, dass wir nicht, wie sonst üblich, im Anschluss noch in eine Aussprache gehen, sondern selbstverständlich werde ich Sie gegebenenfalls schon morgen wieder über den aktuellen Sachstand informieren und Sie auf dem Laufenden halten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Das weitere Verfahren hat der Minister gerade erläutert.

Wir sind jetzt am Ende des letzten Tagesordnungspunktes angelangt. Vielleicht gehen Sie zum Parlamentarischen Abend. Ansonsten einen schönen Abend! Wir sehen uns morgen um 9 Uhr.

Schluss der Sitzung: 18.08 Uhr.