Protocol of the Session on June 9, 2016

Zu Frage 2: Welche Vorfälle mit welchem Verlauf sind der Landesregierung aus dem Linksextremismus in Göttingen bekannt?

Ausweislich der Berichte des niedersächsischen Verfassungsschutzes liegt seit Jahrzehnten ein Schwerpunkt der niedersächsischen autonomen Szene in Göttingen. Darüber hinaus befindet sich

in Göttingen mit dem Jugendzentrum Innenstadt ein sogenanntes Autonomes Zentrum. Hierbei handelt es sich um eine selbst verwaltete und unabhängige kulturelle und sozio-politische Einrichtung, welche Linksextremisten auch als Rückzugsraum zur Planung politischer Agitation und auch gewalttätiger Aktionen dient.

Seit dem Jahr 2014 ist es in Göttingen bzw. im Raum Göttingen zu erheblichen Straftaten mit möglicherweise linksextremistischer Motivation gekommen. So wurde am 5. Mai 2014 der Privat-Pkw eines Polizeibeamten der BFE in Brand gesetzt. Die in Göttingen ansässige BFE findet im linken Spektrum eine starke Thematisierung und Ablehnung.

Im Jahr 2015 kam es in Göttingen bzw. im Raum Göttingen zu einer Reihe von Brandstiftungen an Pkw von Personen, die von der linksextremistischen Göttinger Szene dem Rechtsextremismus zugerechnet werden, und zu Brandanschlägen auf Gebäude. Bei einigen der Brandstiftungen konnten im direkten Umfeld des Tatortes die gesprühten Symbole „Hammer und Sichel“ festgestellt werden.

Diese Symbole wurden neben einem weiteren Schriftzug ebenfalls auf der Hauswand der Studentenverbindung Corps Hannovera in Göttingen aufgefunden. Auf dem Gelände wurde durch unbekannte Täter am 17. April 2016 ein Schuppen neben dem Haus in Brand gesetzt. Dieser Brand schlug auch auf das benachbarte Wohngebäude über. Der Modus Operandi und die aufgesprühte Hammer-und-Sichel-Symbolik lassen auf einen linksextremistischen Hintergrund schließen.

Darüber hinaus ist es seit 2014 in Göttingen immer wieder zu Übergriffen auf einzelne Verbindungsstudenten sowie zu Sachbeschädigungen und Farbschmierereien an Gebäuden von Studentenverbindungen und Parteibüros gekommen, bei denen der linksextremistische Hintergrund auf der Hand zu liegen scheint. Klare Belege oder Bekennerschreiben liegen allerdings zu keiner dieser Straftaten vor.

Insgesamt wurden in Göttingen vom 1. Januar 2014 bis zum 6. Juni dieses Jahres 230 politisch motivierte Straftaten im Phänomenbereich Links polizeilich registriert. 74 dieser Taten wurden als extremistisch eingestuft. Darunter befinden sich 3 Branddelikte, 1 Raubstraftat, 15 Körperverletzungsdelikte, 36 Sachbeschädigungen, 1 Widerstandsdelikt, 2 Nötigungen, jeweils 1 Land- und Hausfriedensbruch, 9 Verstöße gegen das Vereinsgesetz sowie vereinzelte andere Taten. Von

den extremistischen Taten konnten 15 aufgeklärt werden, wobei 28 Tatverdächtige ermittelt wurden.

Hinzufügen muss ich leider aktuell, dass es in der Nacht zu heute erneut zu einem tätlichen Angriff auf ein Mitglied einer Turnerschaft in Göttingen kam. Dieses war durch Tragen einer Schärpe als solches erkennbar. Mehrere vermummte Personen attackierten das Opfer, indem sie es als Burschenschaftsmitglied beschimpften und auf es einschlugen, bis es am Boden lag. Kurz nachdem die Täter geflüchtet waren, erschienen erneut mehrere Täter und traten auf das am Boden liegende Opfer ein. Auch dessen weibliche Begleitung wurde körperlich attackiert.

Das ist verabscheuungswürdig und hoch kriminell, und ich kann nur hoffen, dass wir der Täter schnell habhaft werden.

(Beifall)

Zu Frage 3: Welche neue konzeptionelle Planung der Prävention im Bereich Linksextremismus hat die Landesregierung seit Amtsantritt vorgenommen?

Dazu erlaube ich mir, auf die ausführlichen Vorbemerkungen zu verweisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Die erste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Nacke. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, vor dem Hintergrund, dass die Frage des Linksextremismus auch in Göttingen ja nicht zum ersten Mal in diesem Hause thematisiert wird und Sie am 23. Januar 2014 hier im Plenum gesagt haben, eine Broschüre zum aktionsorientierten Linksextremismus befinde sich in Vorbereitung, frage ich Sie mit Blick auf den heutigen Vortrag: Handelt es sich bei dieser vor zweieinhalb Jahren angekündigten Broschüre um dieselbe Broschüre, von der Sie heute, am 9. Juni 2016, gesagt haben, sie befinde sich in der Abstimmung?

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Dr. Stefan Birkner [FDP])

Vielen Dank, Herr Nacke. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Pistorius.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es handelt sich leider um die gleiche Broschüre.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: So viel zum Thema Aktualität!)

Vielen Dank. - Wir fahren fort. Die erste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt Herr Kollege Dr. Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass die Vorkommnisse in Göttingen anzeigen, dass es dort weiterhin - man hat den Eindruck, zunehmend - zu entsprechenden Straftaten kommt, frage ich die Landesregierung: Wie messen Sie eigentlich den Erfolg Ihrer Präventionsarbeit, und können Sie messbar darlegen, dass dort positive Wirkungen eingetreten sind?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Bitte, Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Birkner, Sie wissen, dass Prävention in ihrer unmittelbaren Wirkung nicht messbar ist. Die Situation in Göttingen - darauf haben Sie zu Recht hingewiesen - ist keine, die in den letzten Jahren entstanden ist. Daran haben sich schon viele andere Landesregierungen mit unterschiedlichem Erfolg und mit unterschiedlicher Nachhaltigkeit abgearbeitet. Das gilt insbesondere auch für Präventionskonzepte, die es bis vor wenigen Jahren so gut wie gar nicht gegeben hat. Deswegen ist es notwendig, mit diesen Präventionskonzepten kontinuierlich weiterzuarbeiten und darauf zu setzen, dass sie im Zusammenhang mit Repression und klarer polizeilicher Einsatzvorgehensweise dann auch Wirkung zeigen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Nacke.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie ausweislich eines Zeitungsartikels der HNA vom 7. Mai 2014 zu dem in der Frage und auch in Ihrer Antwort aufgeführten Anschlag auf ein Fahrzeug eines Polizeibeamten der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit gesagt haben - Zitat -:

„Sollte sich bestätigen, dass es eine politisch motivierte Tat sei, wäre das eine neue Qualität, der wir entschieden entgegentreten werden. Wir werden alles tun, um diesen Anschlag aufzuklären, damit der- oder diejenige, die diese Tat begangen haben, dafür bestraft werden“,

frage ich Sie: Ist denn diese Tat aufgeklärt worden? Ist ein Täter bekannt und inzwischen bestraft?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Nacke, der Vorfall ist bislang leider nicht aufgeklärt worden. Die Polizei in Göttingen hat mit Nachdruck ermittelt. Sie können sich vorstellen, dass das Interesse, diese Tat einer Aufklärung zuzuführen, besonders ausgeprägt war. Leider ist es nicht gelungen, den Täter, die Täter oder die Täterinnen zu ermitteln. Demzufolge konnte auch keine Verurteilung erwirkt werden.

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage stellt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Dr. Birkner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass Sie die Präventionsarbeit in Bezug auf den Linksextremismus angeführt haben, frage ich Sie: Welchen Haushaltsansatz gibt es jeweils für die Prä

ventionsarbeit gegen Linksextremismus, gegen Rechtsextremismus und in Bezug auf den Salafismus?

Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Mitteleinsatz für den Bereich der Prävention insgesamt kann ich im Augenblick nicht benennen. Er wird jeweils so aufgeteilt, wie es benötigt wird. Ich liefere die Information gerne nach.

Vielen Dank.

(Zuruf von der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Die Ansätze liegen in ver- schiedenen Ressorts!)

- Ich darf wieder um Ruhe bitten.

Die nächste Zusatzfrage für die CDU-Fraktion stellt Herr Kollege Nacke. Bitte

(Jörg Bode [FDP] - zu den GRÜ- NEN -: Habe ich gemeckert? - Gegen- ruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Das hatte eine leichten Unterton!)

- Herr Bode, Herr Limburg! - Moment bitte, Herr Kollege! - Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass es am 3. Dezember 2014 ausweislich eines Berichts des Göttinger Tageblatts ein Gespräch unter Ihrer Beteiligung zur Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einer gesellschaftskritischen Protestbewegung in Göttingen unter dem Titel „Kommunikation auf Augenhöhe - für einen respektvollen Umgang“ gegeben hat - eine Veranstaltung, die durch eine Demonstration massiv gestört wurde und bei der das Fahrzeug des Landespolizeipräsidenten massiv beschädigt wurde; von Ihnen als politisch motivierte Tat eingeschätzt -, frage ich die Landesregierung: Sind diese Gespräche weitergeführt worden? Ist die Tat, die Beschädigung des Fahrzeugs des Landespolizeipräsidenten während dieser Veranstaltung, aufgeklärt, und ist eine entsprechende Verurteilung erfolgt?

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von den GRÜNEN: Das waren zwei Fragen!)

Vielen Dank. - Bitte, Herr Minister Pistorius!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Nacke, dieses Gespräch, das in der Tat im Dezember unter meiner Federführung stattgefunden hatte und von mir initiiert worden war, hatte zum Ziel, auf Augenhöhe mit gesellschaftlichen Gruppen aus Göttingen zu sprechen, um das über Jahrzehnte - so muss man schon fast sagen - gewachsene Spannungsverhältnis zwischen Teilen der Gesellschaft in Göttingen und der Göttinger Polizei zu verbessern, sich einander anzunähern, miteinander über die jeweiligen Sichtweisen zu sprechen und darüber zu einer Versachlichung der Diskussion und der Auseinandersetzung zu kommen. Dieses Gespräch hatte in einer Kirchengemeinde stattgefunden. Es war ein sehr konstruktives Gespräch.

Leider kam es zu diesem kriminellen Zwischenfall mit dem Brandanschlag auf das Auto des Landespolizeipräsidenten - in der Tat eine wieder einmal unverantwortliche und zu verurteilende Tat. Die Gespräche sind fortgeführt worden. Die Veranstaltung unter Beteiligung von mir war die Auftaktveranstaltung. Der Polizeipräsident vor Ort hat sie fortgeführt.

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage für die FDP-Fraktion stellt Herr Kollege Dr. Birkner.