Protocol of the Session on February 18, 2011

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen in der Drs. 16/3292, den Antrag in geänderter Fassung anzunehmen.

Mit ihrem Änderungsantrag in der Drs. 16/3352 zielt die Fraktion der SPD auf eine Annahme ihres eigenen Antrages in einer geänderten Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten jetzt in die Beratung ein. Mir liegt bislang nur eine Wortmeldung vor. Ich erteile dem Kollegen Humke von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt nicht allzu oft vor, dass ein Vertreter einer nicht antragstellenden Fraktion hier den Aufschlag macht. Das ist aber kein Problem. Ich denke, dass gerade das, was wir alle von der Opposition dazu sagen werden, eine gute Ergänzung ist.

(Helge Stefan Limburg [GRÜNE]: Innovation!)

Nachdem der heute vorliegende Ursprungsantrag der SPD-Fraktion, zu dem jetzt ein Änderungsantrag nachgereicht wurde, vor über einem Jahr, nämlich im Januar letzten Jahres, eingebracht worden ist, konnte im Laufe der Diskussion tatsächlich der Eindruck entstehen, als würden wir in diesem Hause zu einem allgemeinen Konsens finden. Das war jedenfalls seinerzeit mein Empfinden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das denkt man öfter!)

Es gab eine Ausnahme - das gebe ich zu -: Die FDP mit Herrn Riese stellte sich außerhalb dieses Konsenses auf. Ich möchte jetzt nicht mehr alles wiederholen, was Herr Riese seinerzeit gesagt hat - ich habe es noch einmal nachgelesen -, sondern es dabei belassen, dass es so klang wie „tief, tiefer, Riese“. So kann man diese Rede beschreiben. Das muss man hier wirklich sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Antrag der SPD ist die Problemstellung deutlich umrissen. Die Vorschläge zu Früherkennung, Prävention und möglichen Hilfen sind klar benannt. Das unterstützen wir Linke voll und ganz.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Johanne Modder [SPD])

Jetzt noch einmal zur CDU: Frau Prüssner stellte die Positionen der CDU dar und sagte u. a., dass es um „die Organisation von Fürsorge, Nächstenliebe und sozialer Wärme“ gehe. Dabei verwies sie auf das Programm der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Mit Ihrer Orientierung auf genau dieses Programm hätten Sie heute auch den entsprechenden Antrag der SPD unterstützen müssen.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] - Johanne Modder [SPD]: Al- lerdings!)

Das tun Sie aber nicht.

Nachdem der Antrag viermal auf der Tagesordnung des Sozialausschusses erschienen ist - wobei er natürlich auch schon mal vertagt wurde; keine Frage -, hat die CDU-Fraktion zusammen mit der dann anscheinend etwas geläuterten FDP in der Sitzung des Fachausschusses vom 3. Februar dieses Jahres einen sogenannten Änderungsantrag eingebracht, der den Ausschussmitgliedern und den Oppositionsparteien eineinhalb Tage vorher zugestellt worden ist - und das mehr als ein Jahr nach der ursprünglichen Einbringung.

Das ist charakteristisch für den Umgang der Regierungsfraktionen mit allen Anträgen der Oppositionsfraktionen, auch objektiv unstrittigen Anträgen. Aber letztlich werden Sie damit auf Dauer nicht durchkommen. Dafür werden sowohl die Wählerinnen und Wähler als auch die Linksfraktion hier im Hause ihren Beitrag leisten. Verlassen Sie sich darauf!

(Beifall bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

Im Ergebnis wurde der Ursprungsantrag mit der heutigen Beschlussvorlage deutlich weichgespült - das kennen wir schon - und damit die Chance bewusst vertan, dass konkrete Beschlüsse mit einer klaren und vermittelbaren Handlungsanweisung beschlossen werden und zur Umsetzung kommen können. Damit verharmlosen Sie ein gesellschaftliches Thema und werten es ab, dessen Bedeutung zu erfassen Sie offensichtlich nicht in der Lage sind.

Dazu passt Minister Busemanns Aussage vom gestrigen Tage, dass er keine Utopie habe. Das glaube ich ihm und im übertragenen Sinn sicherlich auch der gesamten Fraktion auf der rechten Seite dieses Hauses. Denn wie anders könnte man eine rückwärtsgewandte Politik und Ignoranz der Mehrheit hier im Parlament gegenüber dem politischen Diskurs bezeichnen?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sehr schade! - Jens Nacke [CDU]: Wo ist denn Ihre Fraktion, Herr Kollege?)

Wir Linke unterstützen jedwede stärkere Ausrichtung der ambulanten psychologischen Versorgung auf die Gerontopsychiatrie und die Erweiterung der Aus- und Weiterbildung von Hausärzten, Pflege

personal usw. und wollen den Aus- und Aufbau von Hilfen, die im Ursprungsantrag benannt werden und die Sie mit einem Federstrich weggelassen haben.

(Beifall bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. Mein letzter Satz: Die Politik von Ihnen auf der rechten Seite des Hauses ist verantwortungslos. Das werden auch die Wählerinnen und Wähler sicherlich merken.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Damit Sie es wissen, Herr Nacke: Mitglieder meiner Fraktion sind selbstverständlich draußen bei der Bürgerinitiative Wietze zu einer Aktion auf der Treppe zum Portikus. Das gehört zur Politik eben auch dazu und nicht wie ein Napoleon hier vorn in der ersten Reihe - - -

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Ach, so ist das! Das verstößt gegen die Geschäftsordnung! - Jens Nacke [CDU]: Aber dann von der Be- deutung des Themas sprechen! - Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Das gehört nicht mehr zum Thema. Ihre Redezeit ist überschritten, und ich sehe keine Möglichkeit mehr. - Ich erteile jetzt dem Kollegen Riese von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zunächst mitteilen: Die FDP muss nicht geläutert werden. Die FDP ist lauter!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Laut, aber inhaltsleer!)

Herr Humke hat, wie wir es von ihm kennen, den Beratungsgang verkürzt und unzutreffend dargestellt. Richtig ist, dass wir zu dem Antrag umfassende Beratungen durchgeführt haben, u. a. eine öffentliche Anhörung im Fachausschuss am 29. September 2010. Das ist noch gar nicht so lange her.

Diese öffentliche Anhörung hat zahlreiche wichtige Aspekte zur Thematik des Alterssuizids zutage gefördert. Zum Beispiel hatten wir einen Referenten vom Nationalen Suizidpräventionsprogramm. Aus der Anhörung ist klar geworden, dass von dieser Ebene bis hin zu der ehrenamtlichen Tätig

keit bei Caritas und Diakonie viele Menschen in unserem Lande mit dieser Thematik beschäftigt sind und ernsthaft daran arbeiten.

Frau Corman-Bergau, die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer, hat uns darüber unterrichtet, dass die Selbstmordraten seit 100 Jahren kontinuierlich sinken. Das ist erfreulich. Allerdings war auch der Aspekt dabei, dass das für Ältere nicht gilt. Hier haben wir derzeit noch leicht steigende Tendenzen zu verzeichnen. Allerdings hat der Referent Herr Professor Dr. Künemund von der Universität Vechta die Auffassung vertreten, dass Gesichtspunkte dafür sprechen könnten, dass die Alterssuizidquote, bedingt durch bereits eingetretene gesellschaftliche Entwicklungen, künftig sinken könnte. Herr Mehring vom Pflegerat hat bildhaft beschrieben, dass in der Frage der Beratung zu dieser Thematik „viele Äste im Baum“ seien.

Die Anhörung hat uns allen deutlich gemacht, meine Damen und Herren, dass das von der SPDFraktion aufgegriffene Problemfeld bedeutend ist. Zugleich hat sich aber auch gezeigt, dass vom Bund über die Akteure in der Gesundheitswirtschaft bis hin zu den schon erwähnten ehrenamtlich Tätigen bei den Trägern freier Wohlfahrtspflege viele unterwegs sind, um Einsamkeit vorzubeugen sowie bei seelischen und psychischen Problemen gerade auch Älterer Hilfe gezielt anzubieten und damit einen Beitrag zur positiven Entwicklung zu leisten. Einmütig wurde die Arbeit des Bündnisses gegen Depression als beispielhaft gelobt.

Worum geht es nun? - Es geht darum, dass wir die Landschaft der psychiatrischen Versorgung in Niedersachsen dergestalt entwickeln, dass sich die Wartezeiten für Beratung und Behandlung im Ergebnis deutlich verkürzen. Das ist eine Frage der Verteilung der Spezialisten in der Fläche, mit der wir uns zu beschäftigen haben. Weitere Aufklärung und Vernetzung der vorhandenen Akteure - das ist das Gebot der Stunde. Deswegen ist der Beschlussvorschlag des Ausschusses richtig.

Vielfach ist betont worden - das ist ein Aspekt, mit dem wir uns noch zu beschäftigen haben werden -, dass in der Ausbildung medizinischen und pflegerischen Fachpersonals der Gesichtspunkt der Altersdepression und möglicher Suizidneigung künftig einen größeren Stellenwert einnehmen muss. An dem Thema werden wir noch arbeiten müssen.

Auch die in Niedersachsen aufgebaute Hospizarbeit wurde als beispielhaft gelobt. Sie ist noch ausbaufähig, aber sie hat eine gute Verknüpfung

mit der Landschaft der Pflegeheime und arbeitet auch in diesem Themenbereich.

(Beifall bei der FDP)

Es fehlt nicht an Forschung zu diesem Problemfeld. In der Anhörung ist nicht das Bild entstanden, dass der Alterssuizid ein Problemfeld mit einer bedrohlichen Entwicklung wäre. Vielmehr zeigte das Gesamtbild: Beratungsangebote und Begleitungen sind zahlreich vorhanden. Multiplikatoren müssen noch besser informiert werden, sind aber bereits gut informiert. Mit weiterer Vernetzung und Aufklärung kann noch viel erreicht werden. Ich bin überzeugt davon, dass die Gesundheitsregionen, an denen die Landesregierung arbeitet, auch in diesem Feld Gutes bewirken können.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Kollegin Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Auch wir Grüne unterstützen voll und ganz den Antrag der SPD-Fraktion „Suizid im Alter: Früherkennung und Prävention stärken - Landesprogramm auflegen“. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um den Kollegen der SPD ganz ausdrücklich dafür zu danken, dass sie dieses Thema hier im Landtag problematisiert haben. Ich denke, es ist all denjenigen, die sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben, deutlich geworden, dass gerade die Tabuisierung eines der Kernprobleme bei der Bekämpfung des Alterssuizids ist.

Uns liegt nun der Änderungsantrag der CDU „Suizid im Alter - beraten, aufklären, Kompetenzen stärken“ vor. Er ist in weiten Teilen, nämlich immer da, wo es um die Beschreibung des Problems geht, bei der SPD abgeschrieben worden. Wir haben ja nun in den letzten Tagen erfahren, dass Abschreiben bei der CDU gar nicht so unüblich ist.

(Lachen und Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Hans-Henning Adler [LINKE]: Das war die CSU!)

- Okay, es war nur die Schwesterpartei.

Der gravierende Unterschied im Änderungsantrag der CDU ist allerdings, dass Sie keine Handlungsschlüsse vonseiten des Landes ziehen. Sie wollen

eben kein Landesprogramm auflegen, obwohl das dringend notwendig wäre. In der Anhörung ist deutlich geworden, dass gerade diejenigen, die im engen Kontakt mit älteren Menschen stehen, also die Hausärzte, die Apotheker, das Pflegepersonal und die Sozialarbeiter, für diese Problematik sensibilisiert werden müssen und dass das Curriculum der Studien- bzw. Ausbildungslehrgänge erweitert werden muss. Das wäre ein Punkt, an dem das Land aktiv werden müsste.