Frau Ministerin, wie erklären Sie sich, dass die Christlich Demokratische Union Deutschlands die Partei ist, die nicht nur eine Bundeskanzlerin, sondern auch eine Parteivorsitzende stellt, während andere Parteien mit viel längerer Tradition bisher weder eine Kanzlerkandidatin aufgestellt noch eine Parteivorsitzende gewählt haben?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kann ich ganz einfach beantworten: Weil wir eine fortschrittliche Partei sind und die beste Kanzlerin haben, die mit ihrer Fachkompetenz überzeugen kann.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/2981 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.
Besprechung: Wie sieht die Bilanz der Übergangssysteme für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz in Niedersachsen aus? - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2735 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/3215
Das Verfahren nach § 45 Abs. 5 der Geschäftsordnung ist bekannt: Es beginnt mit der Fragestellung seitens der Fraktion, und danach spricht die Landesregierung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst gilt mein herzlicher Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedenen Ministerien für die umfangreiche Arbeit bei der Beantwortung unserer Anfrage.
Wir haben jetzt einen Überblick über die Situation der vielen jungen Menschen, die nach der Schule keine Lehrstelle und keine vollzeitschulische Ausbildung finden und im Übergangssystem landen. Das betrifft in Niedersachsen nach wie vor leider sehr viele. Selbst im wirtschaftlichen Boomjahr 2008 sind 28 100 Jugendliche neu in einer Maß
nahme des Übergangsystems gelandet. Das sind immerhin rund 41 % der Jugendlichen, die die allgemeinbildende Schule ohne Hochschulzugangsberechtigung verlassen haben. In Niedersachsen sind es übrigens deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, der bei 34 % liegt.
Es gibt in Ihrer Antwort, Herr Minister Bode, aber auch bezeichnende Datenlücken. Die Landesregierung weiß nicht, wie viele Altbewerber sich seit mehr als einem Jahr im Übergangssystem befinden. Sie weiß offenbar auch nur wenig über den Verbleib derjenigen, die eine Berufseinstiegsklasse, ein Berufsvorbereitungsjahr oder ein Berufsgrundbildungsjahr absolviert haben.
Zu einem geringen Teil besuchen diese jungen Leute die nächste Maßnahme an einer berufsbildenden Schule oder finden eine Lehrstelle. Wo aber bleibt der Rest? Schließt sich eine Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit, eine Jugendwerkstatt oder eine Einstiegsqualifizierung in einem Betrieb an, und wie viele geben eigentlich frustriert ganz auf?
Meine Damen und Herren, genau das macht das Dilemma des Übergangssystems deutlich: die Vielzahl der Akteure - das Land, zuständig für berufsbildende Schulen und weitgehend für Jugendwerkstätten, die Kommunen, die Bundesagentur für Arbeit, der Bund - und die damit zusammenhängende Unübersichtlichkeit. Eine Koordination der Maßnahmen und eine konsequente Beratung der Betroffenen finden jedenfalls für diejenigen, die nicht im Hartz-IV-Bezug stehen, nur unzureichend statt.
Herr Minister Bode, die angeblich so positive Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt, von der Sie in Ihrer Einleitung schreiben und auch heute Morgen wieder gesprochen haben, findet sich in den Zahlen der Landesregierung nicht wieder.
Von den Schulabgängern des Jahres 2009 haben nur 26 200 eine Ausbildung im dualen System begonnen. Das ist die geringste Zahl im abgefragten Zeitraum seit 2005. Auch prozentual hat sich kaum etwas getan. Der Anteil der Jugendlichen, die unmittelbar nach der allgemeinbildenden Schule eine Lehrstelle gefunden haben, stagniert seit Jahren bei ca. 30 % aller Schulabgänger des jeweiligen Jahrgangs. Da ist keine Verbesserung in Sicht. Der Anteil derer, die eine qualifizierte Ausbildung im Schulberufssystem begonnen haben,
Wenn wir uns anschauen, wie viele junge Leute nach der Schule im Übergangssystem landen, müssen wir feststellen: Auch da bewegt sich so gut wie nichts. 41 % der Abgängerinnen und Abgänger von den allgemeinbildenden Schulen ohne Hochschulzugangsberechtigung sind 2008 im Übergangssystem gelandet. 43 % waren es 2005. Von einer signifikanten Verbesserung kann da wirklich nicht die Rede sein.
Herr Minister Bode, in Ihrer Antwort schreiben Sie, 2009 sei die Zahl der Teilnehmer an Maßnahmen des Übergangssystems schlagartig auf 11 % zurückgegangen. Schön, wenn es so wäre! Nur leider stimmt das keineswegs mit der Realität überein. Da haben Sie heute Morgen das Parlament wirklich hinters Licht geführt.
Der scheinbare Rückgang kommt nur deshalb zustande, weil Sie die einjährige Berufsfachschule für junge Leute, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, jetzt nicht mehr zum Übergangssystem zählen. Sie begründen diesen statistischen Trick damit, dass die einjährige Berufsfachschule jetzt berufsqualifizierend sei und die Jugendlichen gleichwertig zum ersten Lehrjahr ausgebildet würden. Das mag sein. Die Krux ist nur: Wie viele der Jugendlichen, die die einjährige Berufsfachschule erfolgreich absolviert haben, bekommen diese auch als erstes Ausbildungsjahr anerkannt? Das geht doch nur, wenn der Betrieb zustimmt. Und woher kommen eigentlich die zusätzlichen Lehrstellen, die dafür nötig wären?
Meine Damen und Herren, man muss keine Prophetin sein, um sagen zu können: Die Mehrheit der Absolventinnen und Absolventen der einjährigen Berufsfachschule wird nicht in das zweite Lehrjahr in einen Betrieb gehen, wird dieses erste Jahr nicht anerkannt bekommen. Deshalb, Herr Bode, ist diese Schulform faktisch doch ein Übergangssystem. Da helfen Ihre statistischen Tricks überhaupt nicht.
Meine Damen und Herren, unsere Kernfrage war, wie erfolgreich die einzelnen Maßnahmen des Übergangssystems sind.
Von den Teilnehmern des Berufsvorbereitungsjahrs, des BVJ, die zu 95 % ohne Schulabschluss kommen, beginnen im Anschluss 17 bis 19 % eine Lehre oder eine vollzeitschulische Ausbildung.
Rund 35 % besuchen nach dem BVJ eine weitere Maßnahme im Übergangssystem an einer Berufsschule. Es bleiben knapp 50 % übrig. Wo bleiben die? Gehen die in ungelernte Erwerbsarbeit? Landen die im Hartz-IV-Bezug? - Die Landesregierung weiß es nicht. Das ist das eigentliche Problem Ihrer Berufsbildungspolitik, meine Damen und Herren von der FDP. Bei Ihnen gehen einfach zu viele junge Menschen verloren.
Wenn man Ihre lückenhafte Erfassung betrachtet, muss man zu dem Schluss kommen: Diese jungen Menschen wollen Sie offenbar gar nicht sehen.
Zurück zu der Frage: Wie erfolgreich sind die Maßnahmen? - Ich glaube, da kann man trotz aller Schwierigkeiten Vergleiche zwischen dem BVJ und den Jugendwerkstätten ziehen. Die Teilnehmer an Maßnahmen der Jugendwerkstätten haben sehr vielfältige Problemlagen. Im Vergleich können wir jedoch nach den Auskünften der Landesregierung feststellen, dass mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendwerkstätten anschließend eine Berufsausbildung beginnen oder eine Beschäftigung finden als Schülerinnen und Schüler des BVJ.
Das ist auch kein Wunder. Jugendliche, die im Schulsystem bis dahin gescheitert sind, sind mit weiteren vorwiegend schulischen Maßnahmen eben nur schwer zu erreichen. Da müssen wir andere Wege gehen: mit Produktionsschulen, mit Werkstattschulen, auch bei und mit den berufsbildenden Schulen.
Meine Damen und Herren, das alles haben wir Ihnen bei der Novelle des Schulgesetzes vor einiger Zeit vorgeschlagen. Sie haben alles schlankweg abgelehnt. Die Antwort auf diese Große Anfrage macht deutlich, dass das falsch war.
Wir müssen gerade für die Jugendlichen, die in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht haben, andere Wege finden, als sie wieder in eine Schule zu schicken.
In die gleiche Richtung weisen auch die Ergebnisse der Maßnahmen im Rahmen der Einstiegsqualifizierung innerhalb eines Unternehmens. Zwei Drittel der Jugendlichen, die 2008/2009 im Rahmen des EQJ gefördert wurden, hatten ein halbes Jahr nach Beendigung der Maßnahme eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, davon die
allermeisten als Auszubildende. Das ist zwar die höchste Erfolgsquote im Übergangssystem, aber wir erfahren leider nichts über die Zusammensetzung und die Eingangsvoraussetzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was für einen echten Vergleich nötig wäre.
Meine Damen und Herren, ich will noch kurz darauf eingehen, wie die Jugendlichen, die sich schwertun nach der Schule, begleitet werden. Wie finden sie sich im Dschungel der Maßnahmen zurecht, um die für sie passende zu finden? - Herr Bode, da bleibt Ihre Antwort wirklich wolkig. Für die jungen Leute ohne Ausbildung, die gleichzeitig im Hartz-IV-Bezug stehen, gibt es Fallmanager der ARGEn oder Optionskommunen. Und für die anderen? - Wenn die nicht selbst zum Arbeitsamt oder ins Pro-Aktiv-Center kommen, dann passiert gar nichts. Und wir wissen doch genau, dass genau diese jungen Menschen damit Schwierigkeiten haben, das alles selbst in die Hand zu nehmen. Die fallen bei Ihnen durch den Rost. Das kann es doch nicht sein!
Am vergangenen Freitag haben wir im Kultusausschuss einen sehr detaillierten Bericht aus Hamburg über das dortige sehr ambitionierte Übergangsmanagement bekommen. Das A und O ist dort die verantwortliche Ansprechperson, die sich um den jungen Menschen, der es braucht, kümmert, bis er in Ausbildung, Erwerbstätigkeit oder Studium angekommen ist. Dort bemüht man sich um passgenaue Lösungen. Ich finde, wir sollten davon lernen. Ich hoffe, die Bestandsaufnahme unserer Großen Anfrage gibt auch in Niedersachsen den Anstoß dazu. Erste Anregungen haben wir bereits mit unserem Grünen-Antrag zur umfassenden Berufsorientierung an allen Schulen gegeben.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich fasse zusammen: Beim Thema „berufliche Bildung“ ist bei Ihnen in den letzten Jahren so gut wie gar nichts vorangegangen. Die Landesregierung betreibt nicht viel mehr als Reparaturmaßnahmen im Anschluss an ein unzureichendes, zu früh sortierendes Schulsystem. Obwohl das sehr viel Geld kostet, findet eine Evaluierung nicht in ausreichendem Maße statt.
Die Kenntnislücken, die in der Antwort der Landesregierung zutage getreten sind, sind groß. Ich sage: Sie sind viel zu groß. Aber manches wollen Sie vielleicht gar nicht sehen, damit Sie sich weiter die
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Korter, es überrascht mich schon, dass man bei den vorliegenden objektiven Zahlen zu solch einer völlig unterschiedlichen Einschätzung der tatsächlichen Lage kommen kann. Unstrittig ist aber hoffentlich zumindest, dass unsere Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte benötigt. Von der Ausbildung, von der Qualifizierung unserer Jugend hängt auch die Innovationskraft unserer Unternehmen, unserer Wirtschaft ab. Deshalb ist die Sicherung des Fachkräftenachwuchses mit der dualen Berufsausbildung ein ganz besonders wichtiger Baustein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Landesregierung ist die Berufsausbildung im dualen System eine tragende Säule der ökonomischen Stärke unseres Landes. Sie sichert für die Mehrheit der Jugendlichen die berufliche, die persönliche Startposition für ein eigenständiges, für ein wirtschaftliches unabhängiges Leben. Gerade auch angesichts der demografischen Entwicklung können wir es uns nicht leisten, dass Jugendliche den Einstieg in Ausbildung und Arbeit verpassen. Die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung ist erfolgreich darauf ausgerichtet, Jugendliche dabei zu unterstützen, diesen Schritt zu tun und auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei setzen wir uns gemeinsam mit unseren Partnern im Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs und auch in der Qualifizierungsoffensive Niedersachsen ein.