- Herr Kollege, Sie brauchen das nicht zu wiederholen. Das ist von allen als Diskriminierung aufgefasst worden. Das wollte ich hier ausdrücklich zurückweisen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir fas- sen hier auch manches als Diskrimi- nierung auf!)
Unterbindung des Mülltourismus nach Niedersachsen - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/211
- Ich bitte darum, dass hier wieder Ruhe einkehrt, damit wir die Beratungen in Ruhe und ordnungsgemäß fortführen können.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der größten Importeure von Abfallstoffen entwickelt. Allein 2007 wurden nach Schätzungen des Umweltbundesamts Abfälle mit einem Gewicht von mehr als 5 Millionen t importiert. Für die deutschen Abfallfirmen ist die Beseitigung des Mülls aus Neapel ein gewinnbringendes Geschäft. Die Inhaber der Müllverbrennungsanlagen kassieren zwischen 170 und 200 Euro pro Tonne Müll. Es hilft den Menschen im italienischen Neapel nicht, wenn ihr Müll vermehrt nach Deutschland exportiert wird; denn wenn deutsche Überkapazitäten einfach mit italienischem Müll ausgelastet werden, entsteht in Italien kein Innovationsdruck, um endlich dort moderne Entsorgungsstrukturen aufzubauen.
Herr Kollege, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. - Ich bitte jetzt mit allem Nachdruck darum, dass die Gespräche auch in den Bänken eingestellt werden. Wenn der Wunsch besteht, den einen oder anderen Vorgang nachzudiskutieren, dann kann das auch draußen gemacht werden. Ich möchte aber darum bitten, dass jetzt den Ausführungen des Kollegen Wenzel zugehört wird.
In Deutschland wird die fällige Stilllegung von technologisch veralteten Anlagen überdies weiter hinausgezögert. Dem Ziel der Müllvermeidung wird so weder in Italien noch in Deutschland gedient. Das beschriebene Verfahren widerspricht dem allgemein in Europa geltenden Grundsatz, dass Abfälle nach dem „Prinzip der Nähe“ beseitigt werden sollen.
In Niedersachsen werden darüber hinaus zusätzlich zu bestehenden Anlagen für den Einsatz von meist importierten Althölzern neue Anlagen zum Einsatz von Ersatzbrennstoffen wie in Langelsheim oder Dahlenburg geplant. Zusammen mit ebenfalls geplanten neuen Kohlekraftwerken ist davon auszugehen, dass die Belastung der Luft mit gesundheitsschädigenden Schadstoffen durch die Ver
brennung fossiler Brennstoffe und von Abfallstoffen erheblich zunehmen wird. Zudem wird das Erreichen von Klimaschutzzielen, die Verminderung des CO2-Ausstoßes in Niedersachsen, gefährdet.
1. Welche Mengen an importierten Abfällen bzw. Ersatzbrennstoffen werden in Verbrennungsanlagen in Niedersachsen eingesetzt, und welche weitere Entwicklung dieser Mengen wird von der Landesregierung erwartet?
2. Welche Mengen an gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen werden durch die importierten und bei uns verbrannten Abfälle, Ersatzbrennstoffe und Kohle freigesetzt bzw. in welcher Weise wirken sie sich auf die Ziele zur Verbesserung der Luftqualität, etwa beim Feinstaub, aus?
3. Wie will die Landesregierung verhindern, dass weitere Überkapazitäten bei Abfallverbrennungsanlagen, Anlagen zum Einsatz von Ersatzbrennstoffen und auch Überkapazitäten bei Kohlekraftwerken aufgebaut werden, die mit importierten Abfällen bzw. Importkohle zulasten der Gesundheit der Menschen und der Umwelt in Niedersachsen betrieben werden?
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Jetzt doch noch nicht! Erst die Antwort! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Antworten sind heute nicht dran!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schicke voraus: Den von Ihnen genannten Mülltourismus nach Niedersachsen, Herr Wenzel, gibt es nicht.
Für die Auslandsverbringung von Abfällen gelten das Basler Übereinkommen und die EU-Abfallverbringungsverordnung. Bei Beseitigungsabfällen
und Hausmüll gelten das Prinzip der Nähe und der Autarkie. Hier gibt es schon begrifflich keinen Mülltourismus. Bei den Ersatzbrennstoffen handelt es sich um Abfälle zur Verwertung. Hier gilt in der EU grundsätzlich der freie Warenverkehr. Einwände gegen Verbringungen von Ersatzbrennstoffen können nur in engem Rahmen geltend gemacht werden.
Meine Damen und Herren, bei der aktuell anstehenden Entsorgung des Abfalls aus Italien handelt es sich um ein Nothilfeprogramm, bei dem in einer konzertierten Aktion die Unterstützung durch die Bundesregierung zugesagt worden ist. Dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit liegt das von der italienischen Regierung am 22. Mai beschlossene Notstandspaket vor. Es trifft daher nicht zu, dass in Italien keine Maßnahmen ergriffen werden, um dort moderne und gesicherte Entsorgungsstrukturen aufzubauen. Hier, im konkreten Fall, geht es um Hilfsmaßnahmen für ein anderes EU-Land. Das hat mit Mülltourismus nichts zu tun. Den betroffenen Menschen vor Ort ist schon damit geholfen, wenn ordentliche Verhältnisse geschaffen werden und wieder ein Leben unter hygienisch akzeptablen Bedingungen möglich ist. Hierzu sind wir grundsätzlich bereit zu helfen. Für eine Beseitigung in Niedersachsen liegen bisher nur Voranfragen, aber keine konkreten Anträge vor.
Meine Damen und Herren, da es sich bei der Emission von Treibhausgasen um ein globales Problem handelt, ist nicht der Ort der Entstehung, sondern die Menge entscheidend. Auch die Einhaltung der Klimaziele ist nicht gefährdet. Bekanntlich nimmt Deutschland am europaweiten Emissionsrechtehandel teil. Ersatzbrennstoffe tragen zur Deckung des Energiebedarfs bei. Die Verbrennung dieser heizwertreichen Abfälle, wie z. B. Holz, Papier und Pflanzenfasern, führt zu keinen zusätzlichen CO2-Emissionen. Der Einsatz von Abfällen aus nachwachsenden Rohstoffen kann somit im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Treibhauseffekt als klimaneutral angesehen werden.
Auch in Bezug auf die Luftqualität kann der Einsatz von Ersatzbrennstoffen in Kraftwerken nicht als nachteilig bewertet werden. Sofern Abfälle in Kraftwerken eingesetzt werden, sind die Anforderungen der 17. BImSchV für die Mitverbrennung von Abfällen zu berücksichtigen. Die Verbrennung von Abfällen unterliegt damit strengeren Anforderungen als die Verbrennung von fossilen Energieträgern.
Zu 1: Nach Niedersachsen sind im Jahre 2007 470 000 t Abfälle bzw. Ersatzbrennstoffe importiert und in Verbrennungsanlagen eingesetzt worden. Die weitere Entwicklung ist nicht belastbar abzuschätzen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die importieren Mengen zunehmen werden.
Zu 2: Für die Emissionen einer Anlage ist es belanglos, ob diese aus importierten oder heimischen Abfällen oder Stoffen stammen. Nur wenn sichergestellt ist, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch den Betrieb einer Anlage verursacht werden, kann eine Genehmigung erteilt werden.
Im Genehmigungsverfahren für große Anlagen werden die Vorbelastung des Beurteilungsgebietes, die Zusatzbelastung durch das beantragte Vorhaben und die daraus resultierende Gesamtbelastung ermittelt und bezogen auf die Schutzziele bewertet. Die Errichtung neuer Anlagen zum Einsatz von Ersatzbrennstoffen oder neuer Kohlekraftwerke kann deshalb nicht zu einer gesundheitsgefährdenden Erhöhung der Luftbelastung mit Schadstoffen führen. Neue Anlagen sind sogar ein Mittel, um die Klimaziele zu erreichen, weil sie Energie effizienter nutzen und in Relation weniger CO2 ausstoßen.
Bei den weiteren bedeutenden Luftschadstoffen Staub, Schwefeloxide und Stickstoffoxide sind Reduzierungen von mehr als 50 % möglich.
Zu 3: In Niedersachsen werden die in der Anfrage genannten Anlagen üblicherweise von Unternehmen gebaut. Diese bauen Anlagen nur - was in der Marktwirtschaft eigentlich üblich ist -, wenn sich die Investitionen auch rechnen. Überkapazitäten werden somit bereits im Ansatz vermieden. Die angesprochenen Anlagen sind durch das BundesImmissionsschutzgesetz einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Kann der Betreiber gegenüber der Genehmigungsbehörde nachweisen, dass die Anlage die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, dann hat er einen Rechtsanspruch darauf, dass ihm die Anlage genehmigt wird.
heil Ihre Müllwelt ist, möchte ich erstens nachfragen, wie die Landesregierung die Stoffströme mit importierten Abfällen erfasst, insbesondere auch bei den Ersatzbrennstoffen und insbesondere beim sogenannten freien Warenverkehr.
Zweite Frage: Welche konkreten Anlagen für die „klassische“ Müllverbrennung und für die Verbrennung von Ersatzbrennstoffen sind in Niedersachsen mit welchen Kapazitäten vorangefragt, geplant oder in Bau?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abfälle, die nach Niedersachsen importiert werden, unterliegen einem Notifizierungsverfahren. Danach wird eine Genehmigung erteilt, oder wir können zumindest feststellen, welche Stoffe nach Niedersachsen zur Verwertung kommen; Herr Kollege Herzog, Sie haben ja insbesondere von heizwertreichen Fraktionen gesprochen.
Im Jahre 2007 wurden folgende Abfallmengen aus anderen Staaten nach Niedersachsen importiert und in dafür zugelassenen Anlagen behandelt: Direkt in Biomasseheizkraftwerke und sonstige Feuerungsanlagen sind 412 000 t verbracht worden. Hierbei handelt es sich insbesondere um Altholz, Schlämme, Tiermehl aus der Nahrungsmittelproduktion sowie um heizwertreiche Fraktionen aus der Gewerbeabfallsortierung.
In Vorbehandlungsanlagen zur Aufbereitung der Abfälle für Biomasseheizkraftwerke und sonstige Feuerungsanlagen ist eine Menge von ca. 58 000 t verbracht worden. Dabei handelt es sich insbesondere um heizwertreiche Fraktionen und Störstoffe aus der Abfallbehandlung - also aha oder der Schaumburger Bereich -, um Altholz sowie um Abfälle aus der Papierherstellung.
Darüber hinaus wurde eine Menge von ca. 1 700 t von verschiedenen Sonderabfällen aus Drittstaaten in Niedersachsens Sonderabfallverbrennungsanlagen behandelt sowie die vergleichsweise sehr geringe Mengen von ca. 30 t aus Säureteeren in der Hausmüllverbrennung.
Zu Ihrer Frage, welche weiteren Müllverbrennungsanlagen - so habe ich Ihre Frage verstanden - hier in Niedersachsen gebaut werden sollen, kann ich mitteilen, dass zwei Anfragen für EBS