Protocol of the Session on June 5, 2008

mussten. Ich bitte Sie sehr herzlich: Lassen Sie das Schwarze-Peter-Spiel stecken, helfen Sie mit, eine verbindliche Regelung zu finden und diesen Punkt, der noch gar nicht so lange in der Diskussion ist, auf die europäische Ebene zu tragen! Helfen Sie mit, die Rolle der Kommunen in dieser Frage zu stärken!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Herzog von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Altpapier erleben wir beispielhaft, wie die Politik mehr und mehr von Gerichten gemacht wird, allerdings nicht immer einheitlich, wie wir auch sehen. Wir Linken wissen uns an dieser Stelle mit den kommunalen Spitzenverbänden und Ihren Vorstößen einig. Meine Damen und Herren, wir wollen, dass gerade auch finanzschwache Kommunen ihren Auftrag der Daseinsvorsorge ausführen können, und zwar ohne Gesetzesschwächen über deutliche Gebührenerhöhungen ausgleichen zu müssen. Wenn eine Kommune den Bereich Altpapier nicht übernehmen kann oder will, ihn also auf Dritte überträgt, muss sie das kostenfrei und vor allen Dingen flächendeckend und verlässlich machen können.

Meine Damen und Herren, hierbei geht es um Daseinsvorsorge. Diese müssen wir sehr breit auslegen, damit Kommunen nicht wie ein Pingpong zwischen Gewinninteressen von Privaten hin und her fliegen, weil die Entsorgung in ländlichen strukturschwachen Räumen, in für die Privaten unrentablen Gebieten von den Kommunen selbst mit hohem Aufwand geleistet werden muss.

Die Definition von Begriffen wie „Daseinsvorsorge“ und „öffentliches Interesse“ ist nicht gottgegeben. Diese Begriffe sind im Fluss. Reglementierungen sind durchaus möglich, und zwar aus gutem Grunde. Wir haben im Umweltausschuss darüber beraten. Wo Investitionen von den Kommunen getätigt worden sind, wo es Umweltschutzaufgaben betrifft, ist dies völlig unstrittig.

Regierungsdirektorin Harries hat im Umweltausschuss allerdings eingeräumt, dass Kommunen noch detaillierter vortragen - Stefan Wenzel hat

das sehr gut ausgeführt - und die Betroffenheit - vor allem die Gebührenbetroffenheit - im Einzelnen darstellen müssen. Ebenso ist laut Regierungsdirektorin Harries die Einschränkung dieses meines Erachtens chaotischen Verdrängungswettbewerbs möglich und legitim, wenn dafür, wie sie ausgeführt hat, Maßstäbe gesetzt würden, so wie sie das Bundesverfassungsgericht im Prinzip für die Einschränkung der sogenannten freien Berufsausübung vorgesehen hat. Diese Maßstäbe fehlen bisher und müssen deshalb gesetzt werden. Dafür ist der Antrag der Fraktion der Grünen aus meiner Sicht absolut richtig.

An diesem Punkt knickt aber der engagierteste Redner der vergangenen Debatte, Herr Bäumer, leider komplett ein. Er will diesen Antrag in dieser Form nicht. Er hat Sympathien. Aber kommt etwas Eigenes? - Nein, es kommt nichts Eigenes. Wir Linken sind der Meinung, dass Politik wieder mehr strukturieren muss. Der hochgelobte freie Wettbewerb stößt an Grenzen und ist vielfach ressourcenverschwendend. Meine Damen und Herren, die kommunale Selbstverwaltung ist aus unserer Sicht ein sehr hohes Gut. Opfern wir es nicht dem sogenannten liberalen Markt; denn der mündet so oft - bei Strom und Gas haben wir es gesehen - bei explodierenden Preisen - - -

(Christian Dürr [FDP]: Das war der Staat, der die Preise in die Höhe ge- trieben hat! Gucken Sie in die Statis- tik!)

- Herr Dürr, Sie können gleich acht Minuten hier vorne reden. - Er endet bei explodierenden Preisen, die die Verbraucherinnen und Verbraucher auszubaden haben, und letztendlich bei einer Monopolbildung, die wir feststellen. Beides ist demokratiefeindlich. Herr Dürr, da können Sie so viel plappern, wie Sie wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Plappern tun Sie doch!)

Der nächste Redner ist Herr Bäumer von der CDUFraktion. Ich erteile ihm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema Altpapierentsorgung hat in den vergangenen Monaten vieles und viele bewegt: die Menschen, die Gemüter, die kommunalen und die

privaten Entsorger und letztlich auch viel Papier. Es wurde viel diskutiert und geschrieben. Dafür war der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch dienlich. Gleichwohl - damit will ich an dieser Stelle das Votum meiner Fraktion vorwegnehmen - wird der vorliegende Antrag unsere Zustimmung nicht erhalten. Ich werde Ihnen das später näher begründen.

Lassen Sie mich zunächst zu der Entwicklung in den vergangenen Wochen Stellung nehmen. Ich will das genauso differenziert tun wie schon in der ersten Beratung am 7. Mai 2008. Ich hoffe, dass man mir auch genauso differenziert zuhören wird.

Das Altpapier - so hatte ich es in meiner ersten Rede im Mai formuliert - gehört in erster Linie dem Bürger.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Er kann entscheiden, in wessen Hände er es entsorgt. Das hat in den vergangenen Wochen dank einer intensiv geführten Diskussion auch funktioniert. In Hannover hat der neu aufgetauchte private Entsorger dem in der Vergangenheit nicht gerade umsorgten Bürger eine blaue Tonne vor die Tür gestellt. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist gut so.

(Zustimmung von Christian Dürr [FDP])

Im Landkreis Leer sind die Bürgerinnen und Bürger über die Konsequenz der Sammlung von Altpapier durch private Entsorger für den Müllgebührenhaushalt informiert worden. Die Kreisverwaltung hat den Bürgern ein Schild mit der Aufschrift „Hier keine blaue Tonne aufstellen“ zur Verfügung gestellt und damit gemeinsam mit den Bürgern dafür gesorgt, dass die privaten Entsorger die Verteilung der blauen Tonnen kurzfristig wieder eingestellt haben. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ebenfalls gut.

Die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen haben verstanden, dass es gut ist, wenn der Service bei der Entsorgung durch den Einsatz privater Unternehmen verbessert wird. Sie haben aber auch verstanden, dass die Kosten für die Müllentsorgung steigen werden, wenn dem kommunalen Entsorger die Erlöse aus dem Verkauf von Altpapier fehlen. Diese Tatsache wird inzwischen nur noch von wenigen bestritten, wie wir vorhin gehört haben. Im Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hannover zu dem Fall hier in der Region wurde der Wert mit 3 bis 4 % beziffert. Die Region selbst spricht inzwischen sogar von 9 %. Die Region

Hannover hat auch ermittelt, dass der positive Effekt durch das Altpapier bei 10 Euro pro Einwohner und Jahr liegt. Wir reden bei 1,1 Millionen Einwohnern hier in der Region von einem positiven Effekt von mehr als 11 Millionen Euro. Nach einer von mir selbst errechneten Faustformel kann man auch davon ausgehen, dass es einen linearen Zusammenhang zwischen dem Altpapier, das der kommunale Entsorger nicht mehr entsorgt, und der Auswirkung auf den Gebührenhaushalt gibt. Je nach dem Preis für das Altpapier, der gewaltig schwankt, kann das bedeuten: Reduziert sich das Altpapiervolumen um 10 %, steigt die Müllgebühr um 1 %.

Man muss aber auch kalkulieren, dass sich durch den Einsatz der Privaten das Volumen dessen, was an Altpapier gehoben werden kann, manchmal vergrößert. Im Landkreis Vechta war es so, dass die Vereine bislang 2 400 t gesammelt haben. Nachdem ein Privater Tonnen aufgestellt hat, sammeln Vereine und Privater nun die doppelte Menge. Das zeigt, dass es Sinn hat, auch Private zuzulassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lage an der Altpapierfront, wie es bei den Grünen so martialisch heißt, hat sich nach meiner Beobachtung zwischenzeitlich wieder ein wenig beruhigt. Dazu tragen sicherlich auch die Diskussion und die für den Bürger hergestellte Transparenz bei wie auch die Tatsache, dass der Preis für ein Megagramm Altpapier von einem Preishoch von zum Teil über 100 Euro inzwischen wieder um fünf bis zehn Euro pro Megagramm gefallen ist.

Doch nun zu dem vorliegenden Antrag und der Begründung für unsere Ablehnung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag, dass die Kommunen rechtssicher im Rahmen der Daseinsvorsorge sollen entscheiden können, ob sie die Altpapierentsorgung über eigene kommunale Entsorgungsbetriebe wahrnehmen können. Dabei können Einnahmen aus der Verwertung zur Senkung und Stabilisierung der Abfallgebühren eingesetzt bzw. Defizite über die Gebühreneinnahmen ausgeglichen werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir hier im Landtag aber nicht beschließen. Das entspricht der schon heute geltenden Rechtslage.

Die Grünen fordern weiterhin, dass die Kommunen sollen entscheiden können, ob sie die Altpapierentsorgung in Teilen ihres Gebietes mithilfe von Sammlungen durch gemeinnützige Vereine und Institutionen wahrnehmen wollen. Diese Forde

rung, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht noch hinter die aktuelle Rechtslage zurück. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz lässt bereits heute Sammlungen durch gemeinnützige Vereine wie die örtlichen Kolpingvereine oder Sportvereine ausdrücklich zu. Wer dies - wie die Grünen - ändern will, der leistet den engagierten ehrenamtlichen Sammlern vor Ort einen Bärendienst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt nicht in unserem Interesse.

Drittens fordern die Grünen, dass die Kommunen sollen entscheiden können, ob sie die Altpapierentsorgung im Rahmen eines EU-rechtskonformen Vergabeverfahrens auf Dritte übertragen und dabei an Einnahmen aus der Verwertung beteiligt werden bzw. Defizite Dritter über Gebühreneinnahmen ausgleichen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann auch heute schon passieren. Dazu müsste die aktuelle Rechtslage nicht geändert werden.

Schließlich fordern die Grünen, dass die Kommunen sollen entscheiden können, ob sie die Altpapierentsorgung nicht selbst als Aufgabe wahrnehmen, wenn durch private Entsorger auf ihrem Gebiet die Einsammlung und Verwertung für die Bürgerinnen und Bürger kostenfrei und flächendeckend sichergestellt wird. Bei dieser Option - so steht es im vorliegenden Antrag - hat die entsorgungspflichtige Kommune dann, wenn sich Entsorgungsfirmen vom Markt zurückziehen, wieder für geeignete und ausreichende Entsorgungsmöglichkeiten zu sorgen, um Altpapier einer Verwertung zuzuführen. Auch diese Forderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, entspricht bis auf das Wort „flächendeckend“ der aktuellen Rechtslage.

Fazit: Der vorliegende Antrag stellt Forderungen auf, die fast überwiegend der aktuellen Rechtslage entsprechen. Wir können den vorliegenden Antrag daher mit aller Ruhe ablehnen.

Was Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann mit dem vorliegenden Antrag machen, bleibt ganz allein Ihnen überlassen. Sie können ihn abheften, so wie ich das machen werde. Sie können ihn aber auch entsorgen. Wenn Sie das tun, dann bitte in die richtige Tonne.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bäumer, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Herzog?

(Martin Bäumer [CDU]: Ich bin jetzt fertig!)

- Er ist schon fertig. - Herr Hagenah möchte jetzt eine Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Bäumer machen. Bitte schön!

Herr Bäumer, ich habe Ihre Rede vor vier Wochen und Ihre heutige Rede gehört. Ich muss sagen: Das war wie Tag und Nacht. Vor vier Wochen konnte man Sie verstehen, weil Sie auf das Thema eingegangen sind. Heute aber haben Sie einen wirren unlogischen Beitrag geleistet und am Thema vorbeiargumentiert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Das ha- ben Sie nicht verstanden!)

Ihre Position ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Die Position von Herrn Dürr hingegen ist nachvollziehbar. Dazu kann ich nachher auch noch etwas sagen. Er will, dass die Privaten Rosinen picken können und die Allgemeinheit die Zeche zahlen muss. Das haben Sie letztes Mal kritisiert. Dass Sie den Antrag der Grünen, der genau das verhindern will, ablehnen und die derzeitige Rechtslage, die ausweislich der Urteile nicht klar ist, nicht ändern wollen, macht deutlich, dass Sie Herrn Dürrs Position beigetreten sind. Darum haben Sie eben herumgeredet.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Das ha- ben wir alles erläutert!)

Jetzt hat der Kollege Dürr das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute im Plenum zum zweiten Mal über das Thema Altpapier. Heute lässt sich eines feststellen: Der von Rot-Rot-Grün prophezeite Häuserkampf, der geradewegs ins Chaos führen sollte, ist nicht eingetreten.

(Beifall bei der FDP)

Die Menschen haben nicht zig verschiedene Tonnen vor ihren Häusern stehen. Dort, wo es bislang an adäquaten Entsorgungsmöglichkeiten gefehlt hat, ist es vielfach zu Verbesserungen durch private Unternehmen gekommen. Dort, wo man seine Hausaufgaben gemacht hat, sind Unternehmen, die eine zweite Tonne aufstellen wollten, auch schnell wieder verschwunden.

(Beifall bei der FDP)

Nun kann man in der Abfallpolitik durchaus unterschiedlicher Meinung sein, Herr Kollege Hagenah. Aber am Ende geht es doch nur um eine einzige Frage, meine Damen und Herren: Wem gehört das Altpapier der Bürgerinnen und Bürger? - Natürlich denken die Parteien, die von Eigentum nicht so viel halten, als allererstes an den Staat. Nein, meine Damen und Herren, das Altpapier gehört den Bürgern selbst; sie sollten auch darüber entscheiden dürfen, wem sie es am Ende zur Entsorgung geben.