haben wir in unserem Änderungsvorschlag zum Ausdruck gebracht. Das Mindeste wäre, dass man diesen so leicht zu Wählenden dann nicht acht Jahre, sondern nur fünf Jahre im Amt hat. Das wäre doch viel demokratischer.
Ich habe mir die ganze Zeit überlegt, was überhaupt Ihr Motiv ist: Sie wollen einen zweiten Wahlgang vermeiden. Da wird deutlich, welch unterschiedliches Demokratieverständnis wir haben. Sie betrachten Demokratie offenbar als etwas Lästiges, als etwas, das man auf das notwendige Minimum reduzieren muss.
Sie wollen das auf das notwendige Minimum reduzieren. Unser Demokratieverständnis, Herr Nacke, ist genau umgekehrt.
Wir möchten mehr Demokratie und nicht weniger Demokratie. Das ist der Unterschied zwischen unseren beiden Parteien, Herr Nacke. Das müssen Sie mal begreifen!
(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das darf ja wohl nicht wahr sein! Das ist unglaublich! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Da hat er recht! - Weitere Zurufe - Unruhe)
Meine Damen und Herren, wenn Sie das weiter ausdiskutieren möchten, dann kann ich die Sitzung gerne unterbrechen. Wird das gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann rufe ich jetzt den nächsten Kollegen auf. Das ist der Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Momentan haben wir eine sehr interessante Debatte in der Republik. Wir reden nämlich über das große und schwierige Thema: Inwieweit haben sich Politik, insbesondere Berufspolitik, und Parlamente von der allgemeinen Bevölkerung entfernt? - Dieses Thema wird schon lange diskutiert und ist nicht ganz neu. Bereits seit 20 Jahren reden wir darüber, wie weit Berufspolitik und Parlamentarismus von der originären Bevölkerung entfernt sind.
Es ist zumindest Konsens, dass wir bessere Kommunikationsprozesse brauchen. Das ist z. B. ein Resultat aus dem ganzen vertrackten Verfahren von Stuttgart 21. Die Kommunikation muss besser werden.
Wir brauchen aber nicht nur bessere Kommunikation, sondern wir brauchen auch mehr direkte Demokratie. Wir brauchen mehr Beteiligungsrechte. Wir brauchen einfach mehr Plebiszite in diesem Land. Wir brauchen mehr Beteiligung für die Bevölkerung. Nicht immer nur die Parlamente sollen entscheiden, sondern insbesondere bei großen und schwierigen Sachfragen kann die Bevölkerung auch einmal direkt gefragt werden.
Herr Busemann, Sie sind immerhin der Einzige in der Landesregierung, der sich über dieses Thema, das momentan durch die ganzen Gazetten geht, Gedanken gemacht hat. Aber es reicht nicht, zu sagen, dass wir einen Konsultationsprozess brauchen, sondern wir brauchen einfach mehr effektive Beteiligungsrechte. Das können Sie momentan in wirklich vielen Medien lesen. Das ist momentan eine große Forderung der Bevölkerung, aber auch vieler Initiativen.
Was passiert in Niedersachsen? Haben wir eine Diskussion über mehr Plebiszite oder Bürgerbeteiligung? - Nein. Wir haben genau das Gegenteil: In Niedersachsen werden momentan Beteiligungsrechte abgeschafft. Wir reden nicht über mehr Beteiligung, sondern hier soll ein Wahlgang abgeschafft werden. Statt mehr Legitimation also Abbau von Legitimation, statt demokratischer Aufbruch demokratischer Abbruch. In diesen Zeiten muss man schon ganz schön weit von der Debatte und auch von der Bevölkerung entfernt sein, um Wahlgänge abzuschaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Das ist doch Quatsch! Sie wissen genau, dass das Unfug ist!)
Die Motivationslage ist von verschiedener Seite hinlänglich beschrieben worden. Kamen eigentlich von irgendwoher, von den kommunalen Spitzenverbänden, von der Forschung, von der Empirie, Debattenbeiträge, Untersuchungen, in denen gefordert wurde: „Niedersächsischer Landtag, denk mal über die Stichwahl nach! Die hat sich nicht wirklich bewährt. Da brauchen wir ein neues Verfahren!“?
Ich kenne solche Stellungnahmen nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie haben die Abschaffung der Stichwahl ziemlich leise und klammheimlich in dem Gesetz versteckt. Irgendwann ist das dann ruchbar geworden. Es ist deutlich geworden, dass das eine rein parteipolitische Motivation war. Das ist der ganze Hintergrund der Debatte.
Herr Schünemann, Sie haben sich grundsätzlich ganz schön weit von den Kommunen entfernt, nicht nur bei der Debatte um die Gewerbesteuer. Da weiß man bis heute nicht, was Sie eigentlich wollen. Auch da lassen Sie die Kommunen im Regen stehen. Ebenfalls bei dem großen und schwierigen Thema der Gebietsreform ist völlig ungeklärt, was Sie wollen. Auch da existiert ein großes Fragezeichen bei den kommunalen Spitzenverbänden.
Bei der Debatte um die Abschaffung der Stichwahl ist es das Gleiche; das ist bei der Anhörung doch deutlich geworden. Zwei von drei kommunalen Spitzenverbänden haben ganz eindeutig gesagt: Nein, wir wollen die Stichwahl in Niedersachsen behalten. Wir wollen nicht, dass die Stichwahl abgeschafft wird. - Das ist der O-Ton der Kommunen. Sie betreiben also ein absolut paternalistisches Verfahren über die Köpfe der Kommunen hinweg.
Ein weiteres starkes Argument, das gegen die Abschaffung der Stichwahl spricht, ist: In den letzten Jahren haben wir die hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Niedersachsen deutlich gestärkt. 1995/96 haben wir die Eingleisigkeit eingeführt. Damit wurde der hauptamtliche
Bürgermeister deutlich gestärkt; er hat eine stärkere Rolle in der Kommune bekommen. Dann haben Sie auch noch die Wahlzeit auf acht Jahre verlängert. Die Bürgermeisterposition ist damit noch stärker geworden. Jetzt aber soll die Legitimation reduziert werden. Herr Biallas - er ist anscheinend gar nicht mehr da; er interessiert sich gar nicht für die weitere Debatte - - -
(Helge Limburg [GRÜNE] und Christi- an Meyer [GRÜNE]: Hinterbänkler! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Das ist ein guter Platz für Sie da hinten, Herr Biallas. - Wenn sich ein Kandidat in zwei Wahlgängen bewährt hat, dann ist die Legitimation einfach größer. Dann hat er sich schon im ersten Wahlgang legitimiert - er muss ja mindestens Zweiter geworden sein - und dann noch bei der Stichwahl.
Einen Moment bitte, noch nicht! Es ist immer noch viel zu unruhig, Herr Briese. Gleich geht es wieder los. - Jetzt dürfen Sie.
Zwei Wahlgänge bedeuten in meinen Augen eine deutlich stärkere Legitimation als ein einzelner Wahlgang.
In Ihrer Argumentation gibt es ja einen großen Wertungswiderspruch. Auf der einen Seite wollen Sie beim kommunalen Bürgerentscheid eine Min
destbeteiligung. Sie wollen ein relativ hohes Quorum und erwarten, dass sich mindestens soundso viele Leute beteiligen, weil sonst die Legitimation nicht gegeben sei. Das ist Ihr Argument. Auf der anderen Seite, also bei der Abschaffung der Stichwahl, gehen Sie zumindest das Risiko ein, dass bei einer Wahlbeteiligung von 50 % jemand mit 20 % im ersten Wahlgang gewählt wird. In meinen Augen ist das ein absoluter Wertungswiderspruch.
In dem gesamten Verfahren ist auch zu kritisieren, dass Alternativmodelle überhaupt nicht beraten worden sind. Beispielsweise „Mehr Demokratie e. V.“ hat ein sehr interessantes Alternativmodell auf den Tisch gelegt. Deswegen stelle ich heute den Antrag auf Rücküberweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss, damit wir uns die Modelle von „Mehr Demokratie e. V.“ einmal anschauen können. Denn es gibt Alternativmodelle, die wir im Innenausschuss noch diskutieren können. Wir müssen die Stichwahl nicht komplett abschaffen. Aber das, was heute hier beschlossen werden soll, wird über die Köpfe der kommunalen Spitzenverbände hinweg beschlossen.
- Mein letzter Gedanke, Frau Präsidentin. - Welchen Effekt wird diese Abschaffung haben? - Es wird mehr Kungeleien und mehr Vorabsprachen bei den Kandidaturen geben.