„Der evangelisch-lutherische Superintendent Philipp Meyer aus Hameln sagte, Deufel sei für eine humanitäre Flüchtlingspolitik eingetreten, die zu kurz gekommen sei.“
„Meyer kritisierte, dass bei der Beurteilung von Härtefällen die individuelle Notlage von Flüchtlingen eine zu geringe Rolle spiele. Zu häufig stehe dagegen die soziale und wirtschaftliche Integration der Flüchtlinge im Vordergrund. Die Kommission brauche klarere Kriterien. Sie sei eine Härtefall- und keine Einwanderungskommission. … Bei den Kirchen herrsche Besorgnis darüber, dass humanitäre Gründe zu kurz kämen, sagte der Vorsitzende des Rates der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Friedrich Weber, am Mittwoch. Der braunschweigische Landesbischof kündigte Gespräche mit Ministerpräsident David McAllister (CDU) über die Asylpolitik an.“
Auch die Kommissionsvorsitzende Frau Dr. TinaAngela Lindner soll nach Presseberichten kurz davor sein, den Vorsitz aufzugeben.
Darüber hinaus wächst die Kritik an der schleppenden Abarbeitung der Kommissionsempfehlungen durch das Innenministerium. So hat laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung vom 30. September 2010 das Innenministerium von den 26 Fällen, die die Härtefallkommission positiv beschieden hat, bislang nur 9 Fälle bestätigt.
1. Warum wurden bereits bestehende Empfehlungen der Härtefallkommission noch nicht in die Praxis umgesetzt?
2. Wie bewertet die Landesregierung den Rückzug des ehemaligen Hildesheimer Oberstadtdirektors Deufel (CDU) und die in der Vorbemerkung genannte Kritik des Landesbischofs der Evangelischlutherischen Landeskirche Braunschweig Weber an der Landesregierung mit Blick auf die künftige Qualität der Arbeit der Härtefallkommission?
3. Welche Rolle spielt die Kategorie „Humanität“ für die Landesregierung bei der Behandlung von Flüchtlingsfragen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Asyl- und Flüchtlingsrecht handelt es sich um Bundesrecht, welches vorrangig durch bundeseigene Verwaltung, nämlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ausgeführt wird.
Das Bundesamt entscheidet dabei nicht nur über die Anerkennung politisch Verfolgter, sondern auch darüber, ob im Einzelfall aus humanitären oder persönlichen Gründen ein Abschiebungshindernis besteht und damit ein weiteres Aufenthaltsrecht in Deutschland eingeräumt werden kann.
Soweit die Ausführung des Abschnitts 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes, der u. a. die humanitären Zwecke für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen regelt, den Ländern obliegt, entscheiden die Ausländerbehörden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Das Aufenthaltsgesetz enthält eine Reihe von Aufenthaltszwecken, die einen vorübergehenden oder auch dauerhaften Aufenthalt ermöglichen. Den Ausländerbehörden in Niedersachsen wurde dazu im Jahre 2006 eine allgemeine Verwaltungsvorschrift an die Hand gegeben, um eine möglichst landeseinheitliche Praxis bei Ermessensentscheidungen zu erreichen. Seit dem letzten Jahr liegt eine Verwaltungsvorschrift des Bundes vor, die eine bundeseinheitliche Ent
Humanitäre Gründe stehen auch bei allen Entscheidungen der Innenminister der Länder in den Bereichen im Vordergrund, in denen der Bundesgesetzgeber ihnen die Möglichkeit einräumt, Ausnahmeregelungen im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern zu treffen. Danach sind Bleiberechtsregelungen für langjährig geduldete Ausländerinnen und Ausländer erlassen worden. Außerdem wurde die Aufnahme von irakischen Flüchtlingen aus Syrien und Jordanien, die Übernahme von afrikanischen Flüchtlingen aus Malta und die Aufnahme von oppositionellen iranischen Staatsangehörigen aus der Türkei vereinbart.
Neben diesen sehr differenziert festgelegten Regelungen gibt § 23 a Aufenthaltsgesetz den obersten Landesbehörden die Möglichkeit, über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen hinaus vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern in Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht, also ein Härtefallersuchen stellt. Die Entscheidung für ein Härtefallersuchen setzt voraus, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe, die die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen, durch eine qualifizierte Mehrheit in der Härtefallkommission festgestellt werden. Für Härtefallentscheidungen besteht daher nur in außergewöhnlichen Einzelfällen Raum, in denen die Anwendung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt hat. Das Härtefallverfahren dient somit dem Einzelfall.
Nach der gesetzlichen Regelung in § 23 a des Aufenthaltsgesetzes treffen Härtefallkommissionen keine abschließenden Entscheidungen, sondern ihre Ersuchen sind Empfehlungen für die Innenministerien. Die abschließende Entscheidung, ob dem Härtefallersuchen gefolgt wird, hat der Bundesgesetzgeber in die Verantwortung des jeweiligen Innenministers gegeben. Dieser hat zu entscheiden, ob einem Härtefallersuchen gefolgt wird. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der Rückführung ausreisepflichtiger Personen und die in der Person der Ausländerin oder des Ausländers liegenden Gründe für einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auch die wirtschaftliche Situation der Betroffenen zu berücksichtigen. In § 23 a Abs. 1 heißt es:
„kann im Einzelfall unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgen, ob der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert oder eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird.“
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass bereits nach der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung ein Härtefallersuchen in der Regel ausgeschlossen ist, wenn zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes für die Ausländerin oder den Ausländer öffentliche Leistungen in Anspruch genommen werden.
Zu Frage 1: Wenn die Härtefallkommission ein Ersuchen beschlossen hat, ist das Ersuchen im weiteren Verfahren dem Ministerium zuzuleiten. Dazu wird der Text des Ersuchens nach der Beschlussfassung in der Kommission von dem oder der Vorsitzenden formuliert, was nach der Absprache in der Kommission eine vorherige Abstimmung mit dem Kommissionsmitglied voraussetzt, welches den Fall eingebracht oder die Berichterstattung übernommen hat.
Die Härtefallkommission hat in diesem Jahr insgesamt 28 Ersuchen beschlossen, von denen das Ministerium 17 angenommen und 2 abgelehnt hat. Über die restlichen 9 Ersuchen wurde noch nicht entschieden, weil sie noch nicht formuliert sind bzw. dem Ministerium erst vor wenigen Tagen von der Geschäftsstelle der Härtefallkommission zugeleitet wurden.
Zu Frage 2: Der frühere Hildesheimer Oberstadtdirektor Dr. Deufel hat von Anfang an in der Niedersächsischen Härtefallkommission auf Vorschlag des Niedersächsischen Städtetages zunächst als stellvertretendes und seit Anfang dieses Jahres als stimmberechtigtes Mitglied mitgewirkt. Er hat in einem persönlichen Brief mitgeteilt, künftig nicht mehr in der Härtefallkommission mitwirken zu wollen.
Auch wenn Herr Dr. Deufel sich jetzt öffentlich äußert, wird die Landesregierung dazu keine Stellungnahme abgeben, weil es um interne Vorgänge der Härtefallkommission geht, die in der Kommis
sion geklärt werden müssen. Die Landesregierung respektiert die Entscheidung von Herrn Dr. Deufel und bedankt sich für seine vierjährige ehrenamtliche Mitwirkung in der Härtefallkommission. Der Niedersächsische Städtetag wird gebeten, einen neuen Vorschlag zu machen, wer künftig aus seinen Reihen als stimmberechtigtes Mitglied in der Härtefallkommission mitwirken soll. An der letzten Sitzung der Härtefallkommission habe ich selbst teilgenommen und dabei über den bevorstehenden Wechsel im Vorsitz der Härtefallkommission informiert.
Die Landesregierung teilt nicht die öffentlich aus der evangelischen Kirche geäußerte Besorgnis, dass humanitäre Gesichtspunkte in der Beratung der Härtefallkommission zu kurz kommen. Da in der Härtefallkommission ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied auf Vorschlag der evangelischen Kirche mitwirken, ist gewährleistet, dass die Anliegen der evangelischen Kirche in der Kommission unmittelbar vorgebracht werden können. Die Kommission ist aber bewusst mit Personen aus verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen zusammengesetzt, sodass die Frage, ob in einem Fall hinreichende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, um von der im Regelfall gesetzlich gebotenen Ausreiseverpflichtung abzusehen, durchaus unterschiedlich bewertet werden kann.
Zu Frage 3: Wie in den Vorbemerkungen bereits ausgeführt, hat die Landesregierung in der Vergangenheit an einer Reihe von humanitären Regelungen mitgewirkt und beteiligt sich auch an der Weiterentwicklung der gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Verbesserungen für die in Deutschland aufgewachsenen und gut integrierten ausländischen Jugendlichen, die wegen des Verhaltens ihrer Eltern bisher keine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Deutschland erreichen konnten. Es ist deshalb nicht richtig, wenn der Eindruck erweckt wird, als ob nur über die Anerkennung in der Härtefallkommission ein Aufenthalt aus humanitären Gründen erreicht werden kann.
Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage stellt Frau Polat, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung: Ist es richtig, dass die Landesregierung die anerkannten Härtefälle mit zusätzlichen
Auflagen belegt, um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörden im Nachhinein zu verhindern? - Vor dem Hintergrund, dass Sie gesagt haben, Sie hätten 17 Härtefälle anerkannt, stellt sich die Frage, ob die betreffenden Personen letztendlich auch eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben. Wir haben Kenntnis davon, dass die Zahlen täuschen, weil die Personen wegen der Auflagen letztendlich gar keine Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist falsch, wenn Sie hier darstellen, es gäbe Ergänzungen, die das Aufenthaltsrecht verhindern sollen. Das ist nicht richtig. Bei der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen sind allerdings durchaus auch Maßgaben zu erfüllen. Insbesondere sind Nachweise z. B. der Integration und auch im Bereich der Dokumentation von Pässen zu erbringen. Das ist natürlich notwendig, um ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.
Herr Präsident! Herr Schünemann, Sie müssen schon etwas konkreter werden. Wie viele der anerkannten Härtefälle haben durch die Ausländerbehörden eine Aufenthaltserlaubnis bekommen? - Wir würden hier gerne Zahlen hören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann nur von den 17 Fällen in diesem Jahr sprechen. Die Ergebnisse der Beratungen in der Härtefallkommission und die Entscheidung des Innenministers teilen wir der Ausländerbehörde mit. Wir geben dann auch die Maßgaben bekannt und ge
hen insofern von einer anschließenden Umsetzung durch die Ausländerbehörden aus. Wir haben keine Statistik über die Umsetzung.
(Filiz Polat [GRÜNE]: Sie wissen also gar nicht, ob die eine Aufenthaltser- laubnis bekommen! Das ist ja interes- sant! Demnach gibt es gar keine Här- tefälle in Niedersachsen! - Klaus- Peter Bachmann [SPD] unterhält sich mit Minister Uwe Schünemann)
Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Lesemann, SPD-Fraktion. - Herr Kollege Bachmann, Sie können sich nachher mit dem Minister treffen und das besprechen, aber nicht im Plenum. - Frau Lesemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, in welchen Fällen und wie oft stehen bei der Letztentscheidung des Herrn Minister Schünemann wirtschaftliche Gründe vor humanitären? Das würde mich interessieren.