Protocol of the Session on October 7, 2010

- Das weiß ich. Aber die Frage haben Sie erst jetzt gestellt. Sie haben suggeriert, ich würde hier falsche Zahlen darstellen. Wenn die Frage gestellt worden ist - - -

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das war nicht die Frage!)

- Frau Polat, Sie müssen schon zuhören!

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ich habe gefragt, ob das richtig ist!)

- Sie haben dargelegt, ich würde mit Zahlen nicht vernünftig umgehen. Ich habe bisher nur diese Zahlen vorgetragen. Deshalb werde ich sie Ihnen jetzt noch einmal vortragen: 2007 1; 2008 4; bis 30. Juni 2009 3 und bis 30. Juni 2010 22. Es ist richtig, dass mehrere Abschiebungen - ich glaube, vor wenigen Wochen - stattfinden sollten. Sie sind kurzfristig nicht durchgeführt worden, und zwar zum einen aus gesundheitlichen Gründen, zum anderen durch Untertauchen, Kirchenasyl und anderes. Es ist aber nicht richtig, dass jetzt 100 Flüchtlinge darauf warten, abgeschoben zu werden. Diese Zahl kann ich nicht bestätigen. - Es sind vier, höre ich gerade. Zwischen 100 und 4 gibt es einen kleinen Unterschied. Sie versuchen zu suggerieren, dass vielleicht doch in irgendeiner Weise Massenabschiebungen geplant sind. Dies ist aber mitnichten der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Tagesordnungspunkt 27 b liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist diese Frage beantwortet.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 27 c auf:

Doppelter Abiturjahrgang 2011 als Chance - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 16/2906

Bevor ich jetzt Herrn Klare das Wort erteile, möchte ich nachträglich die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Herr Klare, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verlese folgende Dringliche Anfrage: Doppelter Abiturjahrgang 2011 als Chance.

Im Jahr 2011 werden mehr als 100 000 Schüler die niedersächsischen allgemeinbildenden Schulen verlassen. Das ist rund ein Fünftel mehr als in den Jahren zuvor. Grund dafür ist der sogenannte doppelte Abiturjahrgang: Wie alle Bundesländer verkürzt auch Niedersachsen die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre. Deshalb schließen im Sommer 2011 zwei Schülerjahrgänge gleichzeitig die Schule mit der Abiturprüfung ab: der erste Schülerjahrgang, der nach zwölf Jahren, und der landesweit letzte, der nach dreizehn Schuljahren das Abitur macht.

Etwa die Hälfte der insgesamt mehr als 100 000 Jugendlichen werden dann die allgemeine Hochschulreife erworben haben. Neben diesen Abiturienten müssen sich aber auch alle Absolventen der Haupt-, Real- und Förderschulen sowie Gesamtschulen für einen weiteren Weg in Schule, Ausbildung oder Hochschule entscheiden. Dieser Umstand bedeutet eine einmalige Herausforderung für die nächsten Jahre auch für die Hochschulen.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um in den Jahren 2011 und 2012 für Schulabsolventen unabhängig von der Schulform genügend Studien- und Ausbildungsplätze anbieten zu können?

2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um die Hochschulen auf den doppelten Abiturjahrgang vorzubereiten, die Qualität der Lehre zu sichern sowie regionale und arbeitsmarktbezogene Erfordernisse zu berücksichtigen?

3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob die eventuelle Aussetzung der Wehrpflicht bzw.

des Zivildienstes Auswirkungen auf das Studien- und Ausbildungsplatzangebot für die Absolventen des doppelten Abiturientenjahrgangs haben wird?

Frau Ministerin Wanka, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Jahren gab es in Sachsen die Situation, dass sich die Zahl der Abiturienten, also die Zahl derer, die ein Studium aufnehmen können, von einem Jahr zum anderen halbiert hat. Wir haben 2011 diese Situation in Brandenburg. Wir hatten Anfang 2000 z. B. in Sachen-Anhalt 10 000 Abiturienten, die studieren können. Es werden dort im nächsten Jahr noch 5 000 sein. Das ist also eine ziemlich dramatische Situation, was die Auslastung von Studienangeboten in den neuen Bundesländern anbetrifft.

Auf der anderen Seite war seit einiger Zeit klar, dass wir jetzt in den alten Bundesländern steigende Zahlen haben. Auf so etwas muss sich die Politik einrichten. Deswegen haben die Länderminister und die Bundesministerin schon vor Jahren, nämlich 2005, darüber verhandelt: Wie geht man damit um? Was macht man? - Es gab eine ähnliche Situation in den 70er-Jahren, in der man von einer Untertunnelung sprach. Hier war die ganz klar Aussage - das war das Ergebnis der Verhandlungen -: Wir wollen, dass von den Ländern und vom Bund zusätzliches Geld gegeben wird, um die größere Zahl von Studenten versorgen zu können, und dass aber auch zusätzliches Geld für die neuen Bundesländer gegeben wird, damit die Finanzminister dort nicht sagen können: Es gibt nur noch die Hälfte der Studenten. Wir reduzieren. Wir schließen neu aufgebaute Hochschulen.

Das alles ist in den Hochschulpakt 2020 eingeflossen. Es ist auch darüber verhandelt worden, wie viel Geld jedes Land für einen Studierenden bekommt. In diese Berechnungen der Kultusministerkonferenz sind sämtliche Überlegungen eingegangen, also: Wann hat man einen doppelten Abiturjahrgang? Wie sind die Wanderungsbewegungen zwischen den Ländern?

Ich denke, die steigenden Studentenzahlen, die wir in Niedersachsen erwarten können, und die Tatsache, dass wir im nächsten Jahr einen doppelten Abiturjahrgang haben werden, stellen gerade vor

dem Hintergrund dessen, was in Sachsen, Thüringen und an anderer Stelle passiert, eine große Chance dar; denn in den neuen Bundesländern suchen Betriebe händeringend nach Auszubildenden, und es ist auch nicht einfach, Studenten aus den alten Bundesländern dazu zu bewegen, unter Umständen an neu aufgebauten Fakultäten im Osten zu studieren.

Wir haben also im Jahre 2005 mit dem Bund den Hochschulpakt 2020 geschlossen. Das wurde dann auf die Länder heruntergebrochen. Damit kam das erste Mal - neben der Exzellenzinitiative - in Größenordnungen zusätzliches Geld ins System. Insgesamt sind für den Pakt ungefähr 7 Milliarden Euro geplant. Davon gehen rund 1 Milliarde Euro nach Niedersachsen.

Für die erste Phase, die sich auf die Jahre 2007 bis 2010 bezog, hat jedes Land angemeldet, wie viele Studenten es mehr ausbilden will bzw., was die ostdeutschen Bundesländer angeht, halten will. Niedersachsen hat das, was es angemeldet hat, im vollen Umfang realisiert. Auch die Kofinanzierung - das ist immer eine Fifty-fifty-Finanzierung - ist vonseiten des Landes im vollen Umfang sichergestellt worden. Niedersachsen hat in dieser Zeit auch die Betreuungsrelation verbessert; darüber haben wir gestern geredet. Es hat aufgrund des Angebots, etwas neu aufzubauen, NCs zum Teil lockern können. Es wurden also in Studiengängen, die stark nachgefragt waren, Kapazitäten dafür geschaffen, dass mehr Menschen studieren können.

Niedersachsen hat aber auch ganz neue Studiengänge kreieren lassen und eingerichtet, so z. B. - das geht in Richtung der Grünen - in Göttingen den Studiengang Ökosystemmanagement oder an der Fachhochschule Osnabrück die Studiengänge Hebammenwesen oder Pferdemanagement; ich nenne auch den Studiengang Fahrzeugentwicklung im Zusammenhang mit der VW AG und anderes. Das heißt, es gibt eine Ausweitung von bestehenden Studiengängen und eine Etablierung von neuen Studiengängen mit einer ganz klaren Handschrift des Landes bzw. mit der ganz klaren Zielsetzung, den Fachhochschulbereich zu stärken und auch bei den Studiengängen nach Möglichkeit die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, also die MINT-Fächer, zu stärken.

Das ist die Ausgangssituation. Das heißt, wir sind nicht überrascht. Es ist kalkuliert und vor Jahren geplant worden, wie man mit diesem doppelten Abiturjahrgang umgeht.

Ich werde jetzt einmal ein bisschen konkreter. Im nächsten Jahr wird es in Niedersachsen rund 25 000 Abiturienten mehr geben. Nach den Erfahrungen der letzten 30 Jahre verhält es sich mit der Quote so, dass von denen, die in Niedersachsen Abitur machen, ungefähr 55 % studieren. Damit sind wir bei rund 12 500. Die Abiturienten studieren aber nicht alle sofort, wenn sie das Abitur gemacht haben; vielmehr nehmen im ersten Jahr nur 45 % ein Studium auf. Im darauf folgenden Jahr sind es 35 %. Das heißt, bei denjenigen, die nach dem Abitur ein Studium aufnehmen, gibt es eine Spitze, die in den darauf folgenden Jahren abflacht. Für diese errechneten 5 000 Abiturienten, die im nächsten Jahr ein Studium neu aufnehmen werden, ist Vorsorge getroffen. Das ist also rechnerisch ganz klar. Wir können nachweisen, an welchem Ort wie viele Studienplätze zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

(Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

- Ich bin mit meiner Antwort noch nicht zu Ende; vielleicht warten Sie einen Moment.

Wir können auch deutlich machen, was dort investiert wurde bzw. was für die nächste Zeit an Geld zur Verfügung steht. Wir haben also überhaupt keine schwierige Situation, sondern eher die Hoffnung, dass es gerade in Fächern wie Physik oder Ähnliches im nächsten Jahr eine bessere Auslastung gibt, dass die Kapazitäten, die wir in Niedersachsen haben, exzellent genutzt werden.

Nun befinden wir uns in der Situation, dass der Wehrdienst eventuell ausgesetzt wird. Im Moment ist noch nicht klar, was genau mit den Ersatzdiensten geschehen wird. Es wurde eben die Frage gestellt, ob das Auswirkungen auf die Zahl der Studienanfänger hat. Na klar, das hat Auswirkungen auf die Situation der Studienanfänger. Aber bei denjenigen, die Wehrdienst oder Ersatzdienst leisten würden, ist noch nicht klar, was sie machen werden. Es gibt diesbezüglich auch noch keine Erfahrungen. Es wird in diesem Jahr besonders schwierig, den Bedarf für das nächste Jahr zu kalkulieren. Klar ist, dass es nicht nur Niedersachsen betrifft, sondern Auswirkungen auf alle Länder hat und auch in Korrespondenz zu dem Hochschulpakt steht. Niedersachsen hat diesen Punkt für die Kultusministerkonferenz in der nächsten Woche angemeldet, um zu belastbaren Zahlen zu kommen. Man kann sich natürlich anschauen, wie viele in jedem Jahr zum Bund gehen. Aber damit hat man noch nicht ermittelt, was die Abiturienten in dieser neuen Situation machen.

Klar ist, dass wir handeln müssen. Wir können also nicht sagen, wir haben den Hochschulpakt, und es ist alles gut geplant. Da ist zwar Luft drin; es gibt mehr Plätze, als wir unbedingt brauchen. Aber das kann nicht dazu führen, dass wir sagen, wir müssen nicht handeln; vielmehr müssen wir überlegen, welche Maßnahmen an welcher Stelle wir ergreifen. Das kann man aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zu dem noch so viele Punkte unklar sind - so ist noch nicht klar, was mit den Ersatzdiensten wird -, noch nicht im Einzelnen sagen. Ich kann Ihnen aber zusagen, dass wir Sie bald und gerne darüber informieren, wenn mehr Klarheit besteht. Wir haben auch nicht viel Zeit; denn es müssen zu Beginn des nächsten Frühjahrs entsprechende Signale an diejenigen, die Abitur machen, ausgesendet werden.

Man kann also sagen: Wir haben uns langfristig gut eingerichtet. Wir werden genauso sorgfältig mit der veränderten Situation umgehen und zusätzliche Angebote machen; denn es werden im nächsten Jahr auf jeden Fall mehr sein, die in die Universitäten und die Fachhochschulen strömen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die erste Zusatzfrage kommt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Hagenah hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da sich die Anfrage ausdrücklich auch auf Ausbildungsplätze bezieht, aber dazu in der Antwort bisher gar nichts von Ihnen zu hören war, frage ich die Landesregierung: Wie viele von den rund 25 000 Abiturientinnen und Abiturienten, die es pro Jahr in Niedersachsen gibt, haben in den vergangenen Jahren im Schnitt ein Studium aufgenommen - dazu haben wir schon etwas gehört -, wie viele sind in eine Ausbildung gegangen, und wie viele von ihnen haben Wehr- oder Zivildienst geleistet? - Ich bitte die Landesregierung um Auskunft über diese Zahlen, damit wir uns ein Bild davon machen können, wie groß das Problem ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es antwortet der Herr Wirtschaftsminister. Herr Bode, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Hagenah, Frau Ministerin Wanka hat ja schon ausgeführt, dass es momentan relativ schwer ist, eine belastbare Prognose für die Zukunft abzugeben; denn unklar ist derzeit, wie es sich mit dem Ersatzdienst weiterentwickelt und wie bezüglich der Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes verfahren wird. Die Truppenstärke ist noch nicht abschließend festgelegt worden. Man weiß auch nicht, wie stark die Nachfrage nach dem Angebot eines freiwilligen Wehrdienstes ist und in welchen Regionen Deutschlands dieses stärker oder schwächer nachgefragt wird. Es heißt, wir sind in einer Situation, in der man keine wirklich verlässliche Zahl nennen kann.

Natürlich haben wir gesehen, dass dieses Problem, auch was den Ausbildungsmarkt angeht, auf alle Länder zukommt; das ist kein Einzelfall. Unter Zugrundelegung der Zahlen des Jahres 2010/2011 gehen wir davon aus, dass wir 2011/2012 ungefähr 5 000 zusätzliche Ausbildungsplätze brauchen werden. Das ist eine sehr fehlerbehaftete Prognose, aber wir schätzen, dass es 5 000 zusätzlich sind.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber sehr fehlerbehaftet! Das war auch nicht meine Frage!)

Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Dr. Andretta für die SPD-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Auch für uns ist der Hochschulpakt eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, wie viel man erreichen kann, wenn Bund und Länder gemeinsam die Verantwortung übernehmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie sei gestattet.

Ich danke Ihnen. - Zu meiner Frage: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Ausweitung der Zahl der Studienplätze in der Human- und Zahnmedizin im Hochschulpakt ausdrücklich nicht aufgenommen ist und die Kultusministerkonferenz da

her - um die Abiturienten der doppelten Abiturjahrgänge in ihren Chancen auf einen Medizinstudienplatz nicht schlechter zu stellen - den Beschluss gefasst hat, ein Sonderprogramm aufzulegen, das den Ausbau der Medizinstudienplätze um 10 % vorsieht, es aber den Ländern freistellt, sich an diesem Programm zu beteiligen, frage ich die Landesregierung: Wird sich Niedersachsen an diesem Programm beteiligen, um dafür Sorge zu tragen, dass unsere Abiturientinnen und Abiturienten des doppelten Abiturjahrgangs die gleichen Zugangschancen zu einem Medizinstudienplatz haben werden?

(Zustimmung bei der SPD)