Protocol of the Session on October 6, 2010

Danke schön, Herr Adler. - Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Konrath zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 159 Antworten auf insgesamt 18 Fragenkomplexe, die eines deutlich zeigen: Der Strafvollzug ist in Niedersachsen seit 2003 eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Er ist sicherer, qualitativ besser, wirtschaftlicher und zukunftsfähiger geworden und orientiert sich am Leitgedanken für eine menschenwürdige, rechtmäßige und sichere Vollzugsgestaltung.

(Zustimmung bei der CDU)

Die ausführlichen Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geben uns wirklich einen umfassenden und detailreichen Einblick in nahezu alle Bereiche des Justizvollzuges. Sie haben auch mir noch einmal deutlich gemacht, welchen Anforderungen und Herausforderungen die Bediensteten des Justizvollzuges täglich gegenüberstehen und was sie täglich leisten. Dafür sage ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des niedersächsischen Justizvollzuges herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Ich fasse das Ergebnis der umfangreichen Bestandsaufnahme zusammen: eine landesweit ausgeglichene Belegungssituation, mehr als 80 % Haftraumeinzelunterbringung, nahezu Vollbeschäftigung der Gefangenen, bedarfsgerechte Bildungsangebote, eine vielfältig behandlungsorientierte Vollzugsgestaltung, genügend Haftplätze im offenen Vollzug, ein hohes Maß an Sicherheit. Das ist in erster Linie ein Erfolg der Menschen, die mit großem Engagement täglich mit den Gefangenen arbeiten.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Voraussetzungen für die beachtlichen Fortschritte wurden mit dem im Januar 2008 in Kraft getretenen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz geschaffen, dessen zentrale Aspekte in den letzten beiden Jahren mit Leben gefüllt wurden. Auf fünf Themen werde ich näher eingehen.

Sicherheit und Resozialisierung sind in Niedersachsen gleichrangige Vollzugsziele. Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz betont den Aspekt der Sicherheit keineswegs stärker als die Resozialisierung der Gefangenen, wie Sie in Ihrer Großen Anfrage behaupten.

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

- Daran können Sie nichts ändern, auch wenn Sie hier dazwischenrufen.

Zwischen der sozialen Integration der Gefangenen und der Aufgabe, die Bevölkerung vor weiteren Straftaten zu schützen, besteht überhaupt kein Widerspruch - ganz im Gegenteil -; denn ein Straf

täter, der seine Haft verbüßt hat, der erfolgreich in die Gesellschaft integriert ist und der im Übrigen nicht nur weggesperrt worden ist, sondern viele Angebote erhalten hat, um seine Situation zu verbessern, bedeutet nach seiner Entlassung für die Bevölkerung selbstverständlich mehr Sicherheit. Diese Auffassung vertreten übrigens auch die Landesregierung und das Bundesverfassungsgericht.

Nun zur Vollzugspraxis im Bereich Sicherheit. Die Zahl der Entweichungen aus dem geschlossenen Vollzug - ich rufe noch einmal in Erinnerung: 2000 bis 2003 waren es 54 - ist in den vergangenen sieben Jahren auf acht gesunken. Die Zahl der Entweichungen aus dem offenen Vollzug ist sogar um 80 % zurückgegangen. Diese erfreuliche Entwicklung ist dem standardisierten Aufnahmeverfahren zu verdanken, das in Niedersachsen im Jahr 2005 eingeführt wurde. Das Verfahren hat sich eindeutig bewährt, bedeutet aber nicht, dass sich der offene Vollzug zum Ausnahmevollzug entwickelt hat, wie Sie behaupten.

Ich bin davon überzeugt: Die kompetenten, erfahrenen und hervorragend ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten entscheiden in jedem Einzelfall sehr sorgfältig. Die durchgängige Betreuung der Gefangenen und ihre Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung sind Vollzugsstandards in Niedersachsen. Deshalb setzen die Resozialisierungsbemühungen in Niedersachsen gleich zu Beginn der Haft ein. Dem Ziel, jede JVA in Niedersachsen mit Plätzen für Untersuchungshaft, Strafhaft, geschlossenem und offenem Vollzug, Sozialtherapie und durchgehender Betreuung auszustatten, ist die Landesregierung in den letzten Jahren ein großes Stück näher gekommen, und sie beabsichtigt, dieses gerade auch mit der JVA Bremervörde weiter auszugestalten.

Die Zahl der Therapieplätze für Gewalt- und Sexualstraftäter hat sich seit 2002 von 136 auf 268 fast verdoppelt.

(Beifall bei der CDU)

Noch in diesem Jahr folgen 10 Plätze in Celle und 20 in Wolfenbüttel. Für nächstes Jahr sind Plätze in der Jugendanstalt in Hameln und im Frauenvollzug in Vechta vorgesehen.

Die behandlungsorientierte Vollzugsgestaltung ist und bleibt ein wichtiges Anliegen dieser Landesregierung. Die Einrichtung des ambulanten Justizsozialdienstes beim Oberlandesgericht Oldenburg im

Februar 2009 und die Benennung von Entlassungskoordinatoren im Herbst 2009 markieren ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einem besseren Übergangsmanagement in Niedersachsen.

Arbeit und Ausbildung haben Vorrang im niedersächsischen Vollzug. Das ist wichtig für die soziale Integration nach der Haft. Mit rund 74 % ist die Vollbeschäftigung in den Anstalten erreicht. Ich rufe an dieser Stelle das Jahr 2000 in Erinnerung. Seinerzeit waren es lediglich 50 %. Die Vorteile liegen auf der Hand: Arbeit strukturiert den Tagesablauf, verschafft den Betroffenen eine sinnvolle Beschäftigung, gewöhnt sie an eine berufliche Tätigkeit und bedeutet eigene Einnahmen. - Gute Startbedingungen für die Zeit nach der Haft.

Auch die Bilanz der schulischen und der beruflichen Ausbildungsmaßnahmen kann sich sehen lassen. In Hameln z. B. hat sich die Zahl der Ausbildungsabschlüsse von 272 im Jahr 2003 auf 472 im letzten Jahr fast verdoppelt.

Wir wollen in Niedersachsen einen menschenwürdigen Vollzug. Dazu gehören vor allem die heimatnahe Unterbringung und Einzelhafträume, die eine Größe von 8,5 m

2 plus Sanitärbereich haben sollen.

Wir haben schon darüber gesprochen: Die Einzelraumhaftbelegung ist ein großer Erfolg, auf die man zu Recht stolz sein kann. Die positiven Auswirkungen sind deutlich spürbar. Es kommt zu weniger Gewalt und Subkultur unter den Gefangenen. Auch für die Bediensteten stellt sie eine Erleichterung ihrer Arbeit dar.

Ich möchte einen Ausblick auf einen Teilbereich lenken, an dem sich der Erfolg des Justizvollzuges deutlich darstellen lässt, nämlich auf den Frauenvollzug. Frauen machen in Niedersachsen und bundesweit nur etwa 5 % aller Gefangenen aus. Wegen ihrer geringen Zahl - in Niedersachsen sind es aktuell 262 Mädchen und Frauen - können sie nicht flächendeckend heimatnah untergebracht werden. Sie sind zentral in der Frauenanstalt in Vechta mit ihrer Außenstelle Hildesheim inhaftiert. Daher ist es schon eine Herausforderung, den wenigen weiblichen Gefangenen vergleichbare Chancen wie den männlichen Gefangenen zu eröffnen, und zwar im Bereich der Aus- und Fortbildung, der Arbeit, der Behandlungs- und Betreuungsangebote und auch der Freizeitgestaltung.

Wenn Sie sich die Antworten auf die Fragen 114 bis 132 ansehen, werden Sie ebenso wie ich feststellen, dass der niedersächsische Justizvollzug

hier Vorbildliches leistet. Besonders beeindruckt hat mich das breit gefächerte Behandlungsangebot, das von der Sozialtherapie über das soziale Training, Theater- und Kunstworkshops bis hin zum Kommunikationstraining und zur Förderung der sozialen Kompetenzen - u. a. der Eigen- und Fremdwahrnehmung - reicht. Herr Limburg, Sie waren in Hildesheim ebenso wie ich voll des Lobes.

Die Zahl der Frauen im offenen Vollzug ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Seit 2005 können Frauen erstmals auch über den Weg des Vollstreckungsplans direkt in den offenen Vollzug eingewiesen werden. Ein richtiges Highlight ist die Beschäftigungsquote im Frauenvollzug, die von 47 % im Jahr 2004 auf 83 % im letzten Jahr gesteigert wurde. Die Zahl der Frauen, die erfolgreich eine Aus- und Weiterbildungsmaßnahme abgeschlossen haben, hat sich von 2003 auf 2009 um mehr als 50 % erhöht.

Meine Damen und Herren, der Frauenvollzug in Niedersachsen ist vorbildlich und bekanntermaßen bundesweit wegweisend. In diesem Teilbereich spiegeln sich die Leistungen wider, die den gesamten niedersächsischen Vollzug auszeichnen. Nochmals Dank an die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen wir diesen Vollzug ganz wesentlich zu verdanken haben!

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Prof. Dr. Zielke zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort. - Er ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt. Vielleicht gelingt es ja, hier im Plenarsaal ein wenig mehr Ruhe herzustellen. - Danke schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit mehr als sieben Jahren ist diese Landesregierung aus FDP und CDU in Niedersachsen im Amt und hat Niedersachsen vorangebracht. Eine der großen Leistungen dieser Landesregierung ist die konkrete Weiterentwicklung und Verbesserung des Justizvollzugs. Deshalb möchte ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dafür danken, dass sie durch ihre Große Anfrage Gelegenheit gegeben hat, diese Leistungen noch einmal ausführlich zu dokumentieren.

(Beifall bei der CDU)

Ein noch größerer Dank geht an das Justizministerium und die Justizvollzugsanstalten dafür, dass sie die 159 Einzelfragen mit so großer Sorgfalt und Ausführlichkeit beantwortet haben.

Nun ist es einfacher, Fragen zu stellen, als sie zu beantworten. Da ist es kein Wunder, dass einige Fragen - darunter auch durchaus interessante - nicht wirklich beantwortet werden können, einfach weil die entsprechenden statistischen Daten fehlen.

Der größte Dank gebührt allerdings den einzelnen Mitarbeitern im Justizvollzug, die die Fragen neben ihrem schweren Job akribisch bearbeitet haben. Ich kann hier nur beispielhaft auf wenige Dinge eingehen.

Mittlerweile sind rund 99 % der Gefangenen in Einzelhafträumen oder - mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung - in gemeinschaftlichen Hafträumen untergebracht. Das war vor 2003 ganz anders.

Für weibliche Gefangene werden ausreichend Mutter-Kind-Haftplätze vorgehalten. Die meisten sind belegt.

Herr Professor Dr. Zielke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Haase von der SPD-Fraktion?

Nein, ich möchte am Stück vortragen.

Bei jährlich weit über 20 000 Ausführungen oder Vorführungen von Gefangenen ist die Zahl der Entweichungen auf zwei bzw. eins in den letzten beiden Jahren zurückgegangen.

Von Urlaub, Ausgang oder Freigang sind immer weniger Gefangene nicht freiwillig zurückgekehrt. Waren es im Jahre 2003 noch 210 Fälle, so sank diese Zahl auf 54 im Jahre 2009.

(Glocke der Präsidentin)

Minister Busemann hat erwähnt: immerhin weit über 4 000 Disziplinarmaßnahmen pro Jahr. Aber bei der Durchsetzung dieser Maßnahmen ist es von 2003 bis 2009 nie zu einer Verletzung von Gefangenen oder Bediensteten gekommen.

Zur Vorbereitung auf den offenen Vollzug wird ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgehalten, von schrittweisen Vollzugsreformen über Unterstützung bei der Beschaffung von Ausweispapieren bis zu

Therapievorbereitungskursen, um nur einige zu nennen.

Zur Vorbereitung der Entlassung dienen ebenfalls sehr detaillierte, sorgfältig individuell zugeschnittene Angebote.

(Glocke der Präsidentin)