Protocol of the Session on October 5, 2010

Das, meine Damen und Herren, reicht aber bei Weitem nicht aus. Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung reichen nicht mehr. 10 Millionen Puten gibt es in Deutschland, gut 5 Millionen Puten in Niedersachsen, und dennoch existieren bisher keine nationalen und auch keine niedersächsischen rechtsverbindlichen und konkreten Vorgaben. Bisher gibt es nur Eckwerte, die im Rahmen der Selbstverpflichtung umgesetzt werden sollen. Die heutigen Auswüchse zeigen, dass das nicht funktioniert.

1999 wurde bundesweit der Versuch der freiwilligen Vereinbarungen gestartet. Aber wo stehen wir heute? Wo sind die Vorschläge des Ministeriums? Wo sind die Handlungsaufforderungen? Wo ist eine klare Positionierung der ständigen Arbeits

gruppe, die eingerichtet worden ist? - Nichts, überall Fehlanzeige! Es gibt nur eine Bitte an die Geflügelhalter, im Herbst doch einmal etwas vorzulegen. Das reicht nicht. Die Zeit der Bitten ist vorbei. Jetzt ist Handeln angesagt!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die Uni Leipzig hat über zwei Jahre ein bundesweites Forschungsprojekt zum Thema der tiergerechten Mastputenhaltung durchgeführt. Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen haben über zwei Jahre bundesweit Haltungs- und Zuchtfragen untersucht, waren bei Züchtern, Brütern, Mästern und auf Schlachthöfen. Das Ergebnis: Die freiwillig vereinbarten Regelungen werden oft nicht eingehalten: zu viele Tiere im Stall, wenig Auslauf, keine Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Folgen wurden bereits genannt. Die Wissenschaftler stellen infrage, dass diese schweren Puten überhaupt noch tierschutzgerecht gemästet werden können. Allein aufgrund ihrer Erbanlagen haben mittlerweile fast alle Puten Krankheiten, wenn sie geschlachtet werden. Das ist das Ergebnis der bundesweiten Untersuchung.

Frau Ministerin, zeigen Sie endlich, dass es Ihnen mit Tierschutz ernst ist! Sorgen Sie dafür, dass sich die Haltungsbedingungen verbessern! Sorgen Sie dafür, dass die Kontrollen verschärft und auch unangemeldet durchgeführt werden! Sorgen Sie dafür, dass Tiere ausgebrütet und gemästet werden, die auch gesund das Schlachtalter erreichen können, Tiere, die sich nicht quälen müssen!

Meine Damen und Herren, es gibt viel zu tun im Interesse der Tiere, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Schröder-Ehlers. - Nun hat für die Fraktion DIE LINKE Frau König das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die intensive Putenhaltung ist in Niedersachsen ein Wachstumsbereich, und damit kommen die Haltungsbedingungen auch immer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Das ist gut so; denn die Entfremdung, dass die Menschen gar nicht mehr wissen, wie ihr Essen produziert wird, muss

verringert werden. Ganz schnell zeigt sich auch in der öffentlichen Debatte: Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen kein Fleisch aus Betrieben mit tierquälerischen Haltungsbedingungen essen und lehnen aus ethischen Gründen Tierquälerei ab. Darin sind sich alle schnell einig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist auch ganz klar im Tierschutzgesetz geregelt. So heißt es beispielsweise in § 2 Abs. 2 ganz klar:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, … darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden...“

Trotzdem haben wir es in den Ställen mit Zuständen zu tun, die weit von dem entfernt sind, was im Tierschutzgesetz steht. Selbst die Ministerin hat hier im Haus klargestellt, was von solchen Zuständen in den Ställen zu halten ist. Aber sie hat auch deutlich gemacht, dass es ohne Schnäbelkürzen nicht möglich ist, Puten in den üblichen Ställen ohne die Gefahr des Ausbruchs von Kannibalismus zu halten, und das hat einen ganz einfachen Grund: Die Tiere leiden unter fehlendem Platz. Sie haben keinen Auslauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Zustände zeigen, dass die Haltungsbedingungen verbessert werden müssen, wenn dem Tierschutzgesetz Genüge getan werden soll. Dazu braucht es aber verlässlicher Verordnungen und Vereinbarungen. In diesem Punkt zeigt sich: Der Antrag der Grünen geht in die richtige Richtung, die sieben Punkte sind zu unterstützen, aber letztlich werden die Konsequenzen nicht deutlich eingefordert. Wir brauchen eine verlässliche neue Putenvereinbarung. Die alte Vereinbarung von 1999 ist längst überholt und veraltet.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Initiative auf Bundesebene zur Verbesserung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung; denn abgesehen davon, dass die vorliegende Verordnung insgesamt nicht zielführend ist, fehlen darin die Puten komplett. Wir brauchen eine Überarbeitung des Agrarinvestitionsprogramms mit dem Ziel, dass nur noch tier- und artgerechte Tierställe beantragt und gefördert werden können. Diese ganz konkreten Handlungsaufträge werden wir im Ausschuss in die Beratungen einfließen

lassen und gegebenenfalls dazu Änderungsanträge einbringen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin König. - Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Oetjen zu Wort gemeldet. Herr Oetjen, Sie haben das Wort.

Ganz herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon erstaunlich, dass die Kollegin Schröder-Ehlers hier zu keinem der inhaltlichen Vorschläge der GrünenFraktion Stellung genommen hat.

(Hans-Heinrich Sander [FDP]: Das können die auch nicht! Die haben doch keine Ahnung!)

Wir haben von Frau Schröder-Ehlers hier gerade nur eine ganz allgemeine Stellungnahme gehört, wonach alles ganz schlimm ist und es ganz viele Fragen gibt. Sie hat aber keine inhaltlichen Vorschläge gemacht, mit denen man sich auseinandersetzen könnte, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Wiard Siebels [SPD]: Machen Sie doch mal Vorschläge! - Zu- ruf von Hans-Henning Adler [LINKE])

Ich möchte hier deutlich machen, Herr Kollege Adler, dass es in der Putenhaltung natürlich Probleme gibt, die auch niemand verschweigt und die auch nicht wegdiskutiert werden sollen.

Das Gegenteil ist der Fall. Frau Ministerin Grotelüschen hat schon in der Debatte zur Aktuellen Stunde Vorschläge für Weiterentwicklungen in verschiedenen Bereichen der Putenhaltung gemacht. Explizit wurde beispielsweise sowohl von verschiedenen Rednern der Koalitionsfraktionen als auch von der Ministerin die Fußballenproblematik genannt. Wir verschließen also die Augen nicht vor den Problemen.

Aber die Wahrheit ist auch nicht so einfach, wie der Kollege Meyer uns das glauben machen möchte. Sie sprechen hier zu Recht die schwierige Situation beispielsweise beim Federpicken an und die Tatsache, dass sich Tiere gegenseitig verletzen,

wenn sie aggressiv werden. Dieses Problem wird aber durch ein Verbot des Schnabelkürzens nicht besser, sondern noch dramatischer.

Deswegen können wir es nicht von einem Tag auf den anderen lösen, sondern wir brauchen eine Strategie, wie wir mit dieser Problematik umgehen und wie wir dieses Problem lösen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wir brau- chen eine andere Besatzdichte!)

Die Besatzdichte allein ist es eben nicht, Herr Kollege Meyer. Sie wissen ganz genau - das zeigen auch die Bilder, die mit Kameras in den Ställen aufgenommen wurden -, dass die Puten von sich dazu neigen, alle auf einem Haufen zu sitzen. Deshalb sitzen manchmal alle in einer Ecke des Stalles, während die andere Hälfte des Stalles leer ist. Das können Sie nicht wegdiskutieren, und deshalb ist dieses Problem nicht allein durch eine geringere Besatzdichte zu lösen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte auch noch einmal auf die Bilder aus den Krankenbuchten eingehen, die wir gesehen haben. Krankenbuchten in den Putenställen sind durch das Tierschutzrecht nicht vorgeschrieben, sondern sie sind eine freiwillige Einrichtung. Sie werden von den Haltern vorgehalten, um kranke Tiere, die angegriffen wurden, von gesunden Tieren zu separieren, damit sie überhaupt noch eine Chance haben, wieder gesund zu werden, und nicht gleich gekeult und getötet werden müssen.

(Glocke der Präsidentin)

Eigentlich ist die Einrichtung solcher Krankenabteile eine tierschutzrechtliche Frage. Dass man beim Filmen eines Krankenabteils kranke und verwundete Tiere sieht, ist nur natürlich. Aber selbstverständlich müssen wir uns darüber Gedanken machen,

Ein letzter Satz, Herr Oetjen!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Wir müssen uns natürlich auch darüber Gedanken machen, ob möglicherweise aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht ein früheres Ausmerzen solcher kranken Tiere notwendig wäre.

Ich sage Ihnen zu, inhaltlich ganz offen darüber zu diskutieren. Da Sie, anders als die SPD-Fraktion,

die eine Anhörung wollte, nun etwas vorgelegt haben, können wir über alles gerne diskutieren.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Aber nichts ändern! Ich sage Ihnen allerdings auch: Sie bauen einen Popanz auf, wenn Sie sagen, die Ministerin tue überhaupt nichts. Das ist an den Haaren herbeige- zogen und großer Quatsch. Hier wird sachgerecht über diese Fragen diskutiert. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Große Macke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Landwirte setzen sich mit den unterschiedlichsten Erwartungen und Anforderungen des Tierschutzes seit Jahrhunderten auseinander. Das gehört zu ihrem Alltag. So hat sich der Tierschutz in den vergangenen Jahren weiterentwickeln können. Freiwillige Vereinbarungen wurden etwa in der Masthähnchenhaltung oder auch in der Putenhaltung geschlossen.

Nun haben natürlich viele selbsternannte Agrarexperten nicht das Glück, Landwirte sein zu dürfen. Von ihrer kleinen Insel der Glückseligkeit betrachten sie die Welt. Viele scheinen ein völlig romantisiertes Bild vom Leben auf dem Lande zu haben, kennen nicht die Sorgen und Nöte der Betriebe. Geschweige denn wären sie gar bereit, ihre 38Stunden-Woche mit Urlaub und Freizeit bei gesichertem Einkommen gegen die harte Arbeit im Stall und auf dem Feld zu tauschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie schreiben Anträge wie diesen. Ich bin froh, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gegensatz zur SPD einen Antrag vorgelegt hat, der nicht nur eine pauschale Verunglimpfung eines Berufsstandes beinhaltet. Ich bin froh darüber, dass einige konkrete Forderungen enthalten sind, die hier, aber auch im Ausschuss zu diskutieren sein werden.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, lieber Kollege Meyer, hier und heute einige Fragen zu formulieren, die meine Fraktion in den Beratungen gerne beantwortet haben möchte.

Sie fordern, die Besatzdichte auf maximal 21 kg/m2 zu beschränken. Wir fragen: Ist diese Besatzdichte, diese Zahl wissenschaftlich abgesichert, oder haben Sie sie genommen, weil es dem BiolandStandard entspricht?