Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer
Erste Beratung: Mehr Tierschutz in der Putenhaltung - eine Herausforderung für die Landesregierung des geflügelreichsten Bundeslandes Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2875
Der Antrag soll von dem Kollegen Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebracht werden. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Meyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 24. September 2010 hat die Tierschutzorganisation PETA erneut grausame Bilder aus der Haltung von Puten gezeigt, diesmal aus Ställen bei Cloppenburg. Erstmals haben die Landesregierung und die CDU nicht reflexartig die Echtheit der Bilder und die Zuordnung zu den Ställen angezweifelt. Denn es bleibt Tatsache: Solche unerträglichen Bilder könnte man in fast jedem Putenmaststall drehen. Tierqual ist nämlich in der industriellen Putenmast nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sie ist Teil des Systems.
Das zeigt auch eine Kleine Anfrage unserer Fraktion zum grausamen Kürzen der Putenschnäbel. Laut Tierschutzgesetz ist das Entfernen der Schnabelspitze verboten. Es gilt als schmerzende Amputation. Die Behörden können aber Ausnahmen erteilen. In Niedersachsen werden jährlich 63 825 000 Ausnahmegenehmigungen für sechs niedersächsische Brütereien erteilt. Eine Einzelfallprüfung ist das sicherlich nicht.
Grausames Kieferentfernen ist vielmehr die Regel. Dabei ist die Schnabelspitze ein empfindliches Organ. Die Tiere erleiden unerträgliche Schmerzen. Eine Brüterei, in der jährlich Millionen von Küken die Schnabelspitzen entfernt werden, ist auch das Unternehmen Grotelüschen in Ahlhorn.
Aber das Schnabelamputieren ist nicht alles. Eine Studie im Auftrag der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass es durch die hochgezüchteten Rassen und die Haltungsbedingungen bei fast 100 % der Tiere zu schweren Fußballenerkrankungen kommt. Auch das gegenseitige Picken sowie Kannibalismus sind in den engen Ställen leider grausame Regel. Professor Hartung von der TiHo Hannover erklärte dazu in der Neuen Presse vom 4. September 2010 anlässlich der Putenmastskandale von Frau Grotelüschen:
„Wir sind an einer Grenze angelangt, wo wir darüber nachdenken müssen, wie wir diese Hochleistungstiere artgemäß und tierschutzgerecht halten können.“
„Zuchtfortschritt sollte nicht nur auf Leistungssteigerung ausgelegt sein, sondern besonders auch auf eine Verbesserung der Tiergesundheit, eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Erkrankungen und auf die Erhaltung des Wohlbefindens der Tiere.“
„Wenn die Tiere sehr schnell an Gewicht zulegen und die Knochen nicht rasch genug mitwachsen, kann es leicht zu Skelettdeformationen kommen.“
Meine Damen und Herren, in der Putenmassentierhaltung gibt es keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben wie in anderen Bereichen, sondern es gilt nur das allgemeine Tierschutzgesetz und eine freiwillige Vereinbarung im Sinne der Putenindustrie, wonach die Haltung von drei ausgewachsenen Puten pro Quadratmeter erlaubt ist. Doch selbst diese grausame Enge in den Ställen wird in der Realität oft noch übertroffen, wie die Bilder und auch die Studie der Bundesregierung zeigen. Maximales Gewinnstreben mit billigstem Fleisch findet auf dem Rücken der Tiere statt.
„Nur Bioanbieter engagieren sich für den Tierschutz“, so heißt es dagegen in der Oktoberausgabe der von der Bundesregierung geförderten Zeitschrift der Stiftung Warentest. Laut test hat die
Die Muskeln der hochgezüchteten Tiere wüchsen in riesigen Ställen so schnell, dass die Tiere Schmerzen litten. - So weit das Magazin test.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen viele weitere Beispiele und Probleme der jetzigen Putenhaltung vom Medikamenteneinsatz über Brustblasen bis hin zu Beleuchtung, Einstreu und Ablenkungsmöglichkeiten nennen.
Wir Grüne wollen mehr Tierschutz in der Putenhaltung. Wir wollen, dass endlich Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz gefördert werden und nicht 6,5 Millionen Euro für einen Megaschlachthof in Wietze verschwendet werden.
CDU und FDP setzen einseitig auf den Schutz der tierquälerischen Massentierhaltung. Das werden Ihnen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr durchgehen lassen. Die Menschen wollen eine artgerechte Tierhaltung und keine Qualzuchten.
Ministerpräsident McAllister hat angesichts der Lobbytätigkeit der Ministerin Grotelüschen für diese Qualhaltungsformen im letzten Plenum zu einer generellen Grundsatzdebatte über die Art und Weise der Landwirtschaft aufgerufen. Wir wollen diese Debatte über Tierschutz, Verbraucherschutz, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz gerne führen!
Meine Damen und Herren, bei den letzten Tierschutzskandalen hat sich Ministerin Grotelüschen immer einseitig auf die Seite der Mäster gestellt und hier im Plenum - das ist unvergessen - Tierschützer und die Opposition beschimpft. Nachher wird sie sicherlich wieder eine Märchenrede über die angeblich hohen Tierschutzstandards halten, die der Realität in den Ställen überhaupt nicht entsprechen.
Stattdessen regieren bei Ihnen die Agrarindustrie und das Profitinteresse der Branche. Mit dieser Ministerin hat Wulff den Fraktionen von CDU und
Meine Damen und Herren, zurzeit sind in der Putenmast neben der Hühnermast die Tierschutzprobleme am größten. Niedersachsen ist größter Massentierhalter der Republik. Über die Hälfte der Puten kommt aus diesem Land. Eine Vorgabe und Regelung in Niedersachsen hätte Vorbildcharakter für ganz Deutschland und sicherlich auch für die EU. Die jetzigen Zustände schreien nach einer Lösung. Wir hoffen daher auf eine ausführliche Debatte im Ausschuss über die Standards der Putenhaltung und auch, dass Sie die Ablehnung einer öffentlichen Anhörung zur Putenhaltung, die die SPD bereits beantragt hatte, noch einmal überdenken. Wir sollten das unbestreitbare Tierschutzproblem in der Putenmast gemeinsam angehen und nicht wegleugnen.
Danke schön, Herr Kollege Meyer. - Für die SPDFraktion hat sich Frau Kollegin Schröder-Ehlers zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist allerhöchste Zeit, eine Debatte zum Tierschutz und insbesondere zum Tierschutz in der Putenhaltung zu führen. Wir haben damit in der vergangenen Ausschusssitzung begonnen und werden diese Debatte gemeinsam mit den anderen weiterführen. Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, da helfen Ihnen keine Ausflüchte und keine taktischen Spielchen mehr: Frau Ministerin und meine Damen und Herren, jetzt sind Sie dran, und jetzt müssen Sie handeln!
Denn eines ist klar: Die Bilder von toten und verletzten Tieren, die wir alle in den letzten Wochen gesehen haben, von leidenden und mit Entzündungen und Hautkrankheiten bedeckten Tieren, von Tieren mit massiven Verhaltensstörungen bis hin zum Kannibalismus, mit verkrüppelten Beinen und ausgerissenen Federn zeigen leider keine Ausnahmen. Das sind Zustände, die zum Ende der Mastzeit mittlerweile in allen Putenmastställen
Zurzeit werden bei den Grotelüschens rund 5 Millionen Tiere pro Jahr ausgebrütet, wenn man den veröffentlichten Zahlen Glauben schenken darf. 5 Millionen sind ungefähr die Hälfte aller Puten, die in Deutschland gemästet werden. Aber es wird nicht irgendeine Pute ausgebrütet und gemästet, sondern es handelt sich um eine bestimmte Rasse: Big 6. Das sind Puten, die schnell wachsen. 5 kg wiegt ein wilder Truthahn nach ungefähr 5 Monaten. 22 kg wiegt ein Big-6-Putenhahn heute, und es wird darüber diskutiert, diese Rasse auf 28 kg hochzuzüchten.
Die Pute von heute wächst schnell, und sie hat vor allem eines: sehr viel Brustfleisch. Zukünftig sollen, wie gesagt, noch 6 kg dazukommen. Das aber darf nicht sein. Wir wollen nicht, dass Tiere mit solch großen Qualen leben müssen.
Die Probleme sind den Fachleuten schon sehr lange bekannt. Die Tierschützer haben immer auf diese Zustände aufmerksam gemacht. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen. Was ist bisher passiert? - Nichts! Wir müssen die Vorschläge zur Verbesserung endlich ernst nehmen und aufgreifen.
Was macht die Ministerin? - Als Druck kam, hat die Ministerin die niedersächsischen Putenhalter um Erarbeitung von Leitlinien zur Ergänzung der Putenvereinbarung von 1999 gebeten.
Das, meine Damen und Herren, reicht aber bei Weitem nicht aus. Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung reichen nicht mehr. 10 Millionen Puten gibt es in Deutschland, gut 5 Millionen Puten in Niedersachsen, und dennoch existieren bisher keine nationalen und auch keine niedersächsischen rechtsverbindlichen und konkreten Vorgaben. Bisher gibt es nur Eckwerte, die im Rahmen der Selbstverpflichtung umgesetzt werden sollen. Die heutigen Auswüchse zeigen, dass das nicht funktioniert.