Protocol of the Session on September 7, 2010

Meine Damen und Herren, meiner Meinung nach ist die Sache damit ausgeräumt.

Ich rufe jetzt in der Haushaltsdebatte den nächsten Redner auf. Es spricht der Kollege Klein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommen wir wieder zu Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Sehr gut!)

Die Landesregierung selbst hat uns in der Begründung für das Haushaltsgesetz 2011 eine sehr treffende Zusammenfassung ihrer gesamten Vorlage geliefert. Ich möchte das einmal zitieren. Dort steht nämlich:

„Substanzielle Einnahmeverbesserungen sind nach Überzeugung der Landesregierung für Niedersachsen derzeit nicht erreichbar. Auch auf der Ausgabeseite werden - über die vorgenommenen Kürzungen hinaus - keine Möglichkeiten gesehen, die Überschreitung der verfassungsrechtlichen Verschuldensgrenze zu vermeiden oder weiter zu begrenzen.“

Meine Damen und Herren, das ist doch nichts anderes als ein geistiger Offenbarungseid.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Das ist eine Kapitulation vor der Aufgabe, sich ernsthaft mit diesem Haushalt zu beschäftigen, ihn zukunftsfähig zu machen und ihn vor allem mittelfristig auf die Schuldenbremse hin gerichtet zu bearbeiten und ihn hier entsprechend vorzulegen. Ich kann nur feststellen: Der neue Ministerpräsident hat offensichtlich aufgegeben, bevor er überhaupt begonnen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Minister- präsident David McAllister verlässt den Plenarsaal - Christian Meyer [GRÜNE]: Er geht auch schon! - Wei- tere Zurufe)

- Frau Kollegin Klopp, offensichtlich wendet er sich lieber den schöneren Dingen des Lebens zu, insbesondere z. B. Sonnenblumenköniginnen.

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben vor einer guten Stunde mit Ihrer Mehrheitsentscheidung auf rund 58 Millionen Euro verzichtet.

(Zuruf von der CDU: Unsinn!)

Wenn ich jetzt einmal in Ihrem Gebrauchsmuster bleibe, müsste ich Sie jetzt fragen: Wo ist denn Ihr Deckungsvorschlag für den Ausgleich dieses Verzichts? - Wahrscheinlich aber haben Sie keinen. Oder Sie halten es so wie die Landesregierung: Warum soll man sich anstrengen und Unpopuläres tun? - Vielmehr handeln Sie nach dem Motto: Niedersachsen ist reich. Niedersachsen hat doch Vermögen. Also leben wir bis auf Weiteres von der Substanz.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

Womit wir, Herr Kollege, bei den Haushaltsvorschlägen der Landesregierung wären: Ein Dreiklang sollte es sein - ein Dreiklang aus Ausgabenkürzungen, aus Einnahmeverbesserungen und aus Veräußerungen, so der Ministerpräsident. Ich denke, es ist jetzt aber mindestens ein schräger Vierklang, mit dem Sie die ursprüngliche Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben in Höhe von - ich betone - 3,8 Milliarden Euro stopfen wollen. Irgendjemand hat vorhin etwas von unverantwortlichen 3 Milliarden erzählt. Ich weise darauf hin: Auch hier reden wir über solch eine Größenordnung.

(Christian Dürr [FDP]: Sie verwech- seln ja schon die Zahlen miteinander!)

Die 1,95 Milliarden Euro an Neuverschuldung finden aber bei Ihnen, wenn überhaupt, nur beiläufig Erwähnung. Sie erwecken damit den Eindruck, als gebe es eigentlich nur den verbleibenden Handlungsbedarf von 1,9 Milliarden Euro. Das ist schon wichtig, meine Damen und Herren von der FDP, wenn wir von der Schuldenbremse und vom Erreichen der Nullverschuldung reden.

(Christian Dürr [FDP]: Was heißt denn hier „nur“? Aber auch bei diesen 1,9 Milliarden Euro sind Ihre Lösungsvorschläge natürlich alles andere als ein ausgeglichener und harmonischer Dreiklang. Konsolidierung à la CDU/FDP heißt vor allem, „Vermögen verwerten“, also das Land schröpfen. Um fast 1 Milliarde Euro wird das Land Ende 2011 zusätzlich zu den schon geplanten Veräußerungen ärmer sein. Eigentlich müsste man sogar von 2,9 Milliarden Euro reden, wenn wir die Nettoneuver- schuldung hinzurechneten, was eigentlich logisch wäre, jedenfalls dann, wenn es nach den Konsoli- dierungsvorschlägen der Landesregierung läuft, eben Auflösung von Rücklagen und Sondervermö- gen und Verkauf von Tafelsilber. Besonders pikant ist dann natürlich die 300 Millionen Euro starke Vermögensaktivierung mit der VW-Option, die weder inhaltlich noch zeit- lich sichergestellt ist. Damit würden wir, wenn es eine entsprechende Haushaltsermächtigung gäbe, eine Blankovollmacht ausstellen. Und für die gibt es - von uns jedenfalls - keine Zustimmung, zumal in den Folgejahren weitere 450 Millionen Euro angesetzt sind, ohne dass es dazu auch nur eine konkrete Vorstellung gibt. Und das, meine Damen und Herren, grenzt an Plünderung des Landesvermögens. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir wollen, meine Damen und Herren, das Vermögen des Landes in einem Fonds bündeln und sichern, der langfristig für eine gute Bildungspolitik zur Verfügung steht. Insgesamt wollen wir über 500 Millionen Euro in die Bildung stecken, von der frühkindlichen Bildung bis zur Erwachsenenbildung und zur Fortbildung älterer Arbeitnehmer.

Ich komme zum Sparen. Genau das Fragezeichen, das wir beim Ausplündern des Landes sehen, kann man natürlich auch reichlich beim Ausgabenkürzungsteil der Landesregierung setzen, etwa in Bezug auf die Erwartung, dass Tarifsteigerungen künftig auf 1 % jährlich begrenzt werden könnten. Und noch viel weniger liegt die künftige Zinsentwicklung in der Gestaltungsmacht der Landesregierung.

Meine Damen und Herren, ob zweifelhafte Luftbuchungen oder bedenkenloser Vermögensverzehr - nichts davon ist geeignet, die strukturelle Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben dauerhaft zu schließen. Das alles bringt uns der grundgesetzlich geforderten Schuldenbremse keinen Schritt näher. In dem Zusammenhang möchte ich kurz auf meine Zwischenfrage eingehen, Herr Minister Möllring. Ich hatte Sie ja gefragt, wie Sie das Ganze erreichen wollen. Sie haben mir nur geantwortet, dass Sie es erreichen wollen. Das haben Ihre Parteifreunde nicht gemerkt, deswegen waren die von Ihrer Antwort etwas begeisterter, als ich es eigentlich war. Ich denke, wenn Sie tatsächlich ehrlich geantwortet hätten, wie Sie es erreichen, dann hätte Ihnen niemand Beifall gespendet, sondern die meisten Ihrer Kolleginnen und Kollegen wären wahrscheinlich in Schockstarre gefallen, weil sie sich überlegt hätten, wie sie das in ihren Wahlkreisen erklären sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es besteht natürlich die Chance, der Schuldenbremse durch die zweiprozentigen Kürzungen näher zu kommen, die Sie in den Ressorts vorsehen. Doch diese Rasenmähermethode und ihre Gestaltung quasi als zusätzliche globale Minderausgabe öffnet Manipulationen, aber auch Falschentscheidungen Tür und Tor. Da ist keine Linie und kein Konzept, sondern da wird gesagt: Macht mal! - Und natürlich machen sie auch - mit der Folge, dass dann mal wieder mit zu

niedrigen Einnahmeansätzen oder zu hohen Ausgabeansätzen getrickst wird. Gekürzt wird darüber hinaus da, wo der geringste Widerstand erwartet wird.

Wir haben Ihnen vor dem Sommer - etwa bei der Beihilfe, bei den Personalkosten und bei den Sach- und Planungskosten - konkrete Vorschläge gemacht. Und wie sehen die Beispiele bei Ihnen aus? - Sie werden uns hinsichtlich des sozialen Bereichs erklären müssen, wie Sie mit einer Kürzung von 30,5 Millionen Euro bei der Behindertenhilfe und von 39 Millionen Euro bei der Krankenhausfinanzierung dem Umstand entgegenwirken wollen, dass Niedersachsen seit Schwarz-Gelb zu einem Land sozialer Kälte geworden ist. Sie werden uns erklären müssen, warum Sie mit Kürzungen im Instandhaltungs- und Unterhaltungsbereich bestehende Straßen buchstäblich kaputt sparen, aber völlig unsinnige Neubauprojekte weiter forcieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen hier genau umgekehrt vorgehen. Typisch FDP-Klientelpolitik ist es sicherlich auch, dass für die Wirtschaftsförderung der Unternehmer ein paar Euro mehr zur Verfügung stehen, die dann aber auf der anderen Seite bei den Arbeitnehmern im Bereich Arbeitsförderung und Integration in den Arbeitsmarkt gegenfinanziert werden. Die müssen dafür bluten.

(Christian Dürr [FDP]: Das passt nicht mit Ihren anderen Reden zusammen!)

In Bezug auf den Innenbereich reden wir über den Skandal, dass der Verfassungsschutz immer weiter mit Stellen gemästet wird, während Sie angeblich in anderen Bereichen kräftig einsparen wollen. Dass Sie kein Konzept haben, wie Sie die Verwaltungsstruktur in diesem Land in den Griff kriegen wollen und dass sich dazu nichts in Ihrem Haushalt findet, will ich nicht auch noch erwähnen. Und wie man Bildung zum Schwerpunkt erklären, gleichzeitig Kürzungen im Kultushaushalt vornehmen und 1,9 Millionen Euro aus der Erwachsenenbildung herausschneiden kann, das werden Sie uns ebenfalls erklären müssen.

Nichts erklären muss Herr Sander. Wir hatten ernsthaft nichts anderes erwartet, als dass der Minister beim Klimaschutz sowie bei den Ansätzen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz streicht.

Ich komme noch einmal zu den Einnahmeverbesserungen. Positiv ist natürlich, dass Sie unseren

Vorschlag zur Grunderwerbsteuer aufgenommen haben. Aber da ist auch schon das Ende der Fahnenstange. Dort, wo in Ihrem Dreiklang eigentlich die Hauptmusik spielen müsste, wenn ernsthaft ein Ende der Neuverschuldung angestrebt werden würde, ist nur ein leises Tönchen zu hören.

Wir haben eine Reihe von Vorschlägen gemacht, auf deren Grundlage Sie sich auf Bundesebene für einen höheren Steuerbeitrag der einkommensstarken Haushalte und Unternehmen einsetzen können. Höherer Steuersatz, Erbschaftsteuer und Vermögensabgabe - all das ist hier schon angesprochen worden. Es gibt reichlich Gründe, die Fehlentwicklungen bzw. die Umverteilung von unten nach oben in den letzten Jahren zu korrigieren. Es war der Bund, der die Einnahmekürzungen zu vertreten hat und der damit auch die Pflicht hat, etwas dagegen zu tun.

Wir haben es mal ausgerechnet: Seit dem Unternehmensteuergesetz vom August 2007 sind durch gesetzliche Änderungen 1,24 Milliarden Euro weniger in die niedersächsischen Kassen geflossen. Und auch die Wissenschaftler der Böckler-Stiftung weisen anhand der Bundeszahlen nach, dass der größte Teil der Staatsdefizite nicht der Finanzkrise geschuldet, sondern hausgemacht ist.

Wir haben schon vor der Sommerpause, meine Damen und Herren, unsere wesentlichen Vorschläge und Eckpunkte für den Haushalt 2011 vorgelegt. Das setzt uns in die Lage, frühzeitig in die inhaltliche Diskussion einzusteigen. Statt eines letztlich nur formalen Änderungsantrages kurz vor der Dezembersitzung werden wir unsere Änderungsvorschläge deshalb bereits in die Einzelplanberatungen des Haushaltsausschusses einbringen, damit Sie sich dazu verhalten können.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist mal was Neues!)

Vielleicht haben Sie ja auch als Koalitionsfraktionen, Herr Kollege, das Interesse, Ihre Spielwiese „politische Liste“ so ein wenig zu vergrößern.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Glaube ich nicht!)

Ein letztes Wort zu unserer Klage beim Staatsgerichtshof: Das ist nämlich in der Tat alles andere als rückwärts gewandt, Herr Kollege Thümler. Hier geht es darum, für die Zukunft sicherzustellen, dass mehr Haushaltswahrheit und mehr Haushaltsklarheit in diese Haushaltsberatungen und in den entsprechenden Entwurf einziehen. Es geht dabei nicht nur - das wissen auch Sie - um den

Titel, wer der größte Schuldenmacher ist, sondern schlicht und einfach darum, dass man mit solchen Tricks auch die Stabilitätsratskriterien manipulieren kann, um eben weiter ungeschoren eine solche Haushaltspolitik zu machen, wie Sie es tun.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Herr Klein!)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Dürr. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schostok! „Niedersachsen bewahrt sich politische Handlungsfähigkeit” - Weser-Kurier, 3. August 2010. - „Grundsätzlich verdient es Respekt, dass Niedersachsen nicht wie die neue Regierung in NRW in eine zusätzliche Verschuldung flüchtet.“ - Neue Osnabrücker Zeitung, 3. August 2010.

(Beifall bei der CDU)

„Im Vergleich mit Nachbarländern wie Bremen und Schleswig-Holstein steht Niedersachsen wie ein Musterknabe da.“ - Hamburger Abendblatt, 3. August 2010. - Meine Damen und Herren, der 3. August 2010 war der Tag nach der Klausur dieser Landesregierung. Es gibt einen breiten Konsens, dass Sparen das Gebot der Stunde ist, meine Damen und Herren. Und genau das tun wir, und die Öffentlichkeit erkennt das auch an.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese Landesregierung leistet beim Sparen tatsächlich Enormes. Bei einem Haushalt von 25 Milliarden Euro und einer Finanzierungslücke von knapp 1,9 Milliarden Euro - davon könnte man beispielsweise alle niedersächsischen Lehrerinnen und Lehrer ein halbes Jahr lang bezahlen - hat es die Landesregierung bei gleichzeitiger Reduzierung der Neuverschuldung geschafft, den Haushalt zum Ausgleich zu bringen.

Meine Damen und Herren, jahrzehntelang wurde kein einziger Euro in Deutschland zur Tilgung von Schulden verwendet. Mit der von uns forcierten Schuldenbremse haben wir den Weg dahin eingeschlagen und halten auch weiterhin daran fest - jetzt erst recht, meine lieben Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will die Zahl noch einmal deutlich machen: Allein dieses Jahr zahlt das Land Niedersachsen