Ich will noch einmal auf einen Punkt aufmerksam machen, der in dieser Debatte im Übrigen von hoher Relevanz ist: Es findet in Niedersachsen nahezu keine einzige Abschulung gegen den Willen der Eltern statt.
In der Regel erfordert eine solche Maßnahme immer vorausgehende Gespräche. In der Regel ist es auch so, dass die Eltern eine Abschulung für ihre Kinder beantragen, weil sie selber feststellen, dass ihre Kinder überfordert sind. Der Schulformwechsel nach Klasse 6 erfolgt in den allermeisten Fällen in Niedersachsen nicht gegen den Elternwillen, sondern mit deren Einvernehmen, vielfach sogar auf ihren entsprechenden Antrag.
Von daher kann ich letztlich feststellen: Es ist nicht vorgesehen, das Schulgesetz in den beiden betroffenen Paragrafen an irgendeiner Stelle zu verändern. Die bestehenden Regelungen haben sich bewährt. Ich habe Vertrauen in unsere Lehrkräfte und die Eltern. Das praktizierte Verfahren ist pädagogisch angemessen. Es ist praxisgerecht. Das Kindeswohl hat für uns höchste Priorität. Der Umgang mit den Schullaufbahnempfehlungen der Grundschulen und die damit verbundene intensive Information und Einbeziehung der Eltern sind langjährige Praxis seit dem 1. August 1980.
Herr Minister, ich muss Sie wieder unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage. - Frau Heiligenstadt verzichtet auf die Zwischenfrage, beantragt aber zusätzliche Redezeit.
Vielen Dank, Herr Minister. - Sie haben eben dargestellt, dass die bisherigen Steuerungsmöglichkeiten gut funktionieren, dass die Eltern in aller Regel gut eingebunden sind, dass sie aus Ihrer Sicht im Sinne des Kindeswohls agieren und dass es keine Notwendigkeit gibt, das Schulgesetz zu ändern. Sie haben zu Anfang Ihrer Ausführungen gesagt, Sie hätten den vorliegenden Antrag durchdrungen. Können Sie uns vielleicht erklären, was er eigentlich soll, wenn doch alles so gut ist?
Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage, die die Koalitionsfraktionen in dem Antrag aufwerfen, ob nämlich dieser sehr geringen Zahl von Schülerinnen und Schülern vielleicht geholfen werden kann, pädagogisch, wie ich finde - ich kann das ein wenig beurteilen -, völlig berechtigt ist. Diese Frage ist berechtigt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, liebe Frau Helmhold, dass nach der Praxis, so wie wir sie in Niedersachsen seit 1. August 1980 kennen, auch die Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz verfahren. In allen anderen Bundesländern gibt es ein viel schärferes Verfahren. Dort müssen sich die Kinder nach Jahrgang 4 in der Regel einer entsprechenden Prüfung unterziehen, bestimmte andere Testverfahren durchlaufen oder bestimmte Notendurchschnitte erreichen. Dies haben wir bei uns nicht.
Wir haben in Niedersachsen im Prinzip ein dreistufiges Verfahren: Nach § 6 Abs. 5 gibt die Grundschule am Ende des 4. Schuljahrgangs die Empfehlung. Die Erziehungsberechtigten entscheiden dann in eigener Verantwortung über die Schullaufbahn des Kindes. Am Ende des 6. Schuljahrgangs wird gegebenenfalls der Besuch einer anderen Schulform veranlasst, und zwar durch Beschluss der Zeugniskonferenz mit Zweidrittelmehrheit, wenn man beispielsweise die Schullaufbahnempfehlung nicht hatte. Das ist ein sehr präventives und zielgerichtetes Verfahren. Dieses Verfahren führt zu einer hohen Prognosesicherheit.
Insofern glaube ich, dass unser Verfahren ausgesprochen gut, praxisgerecht und pädagogisch vertretbar ist. Insofern glaube ich auch, dass wir das Gesetz nicht ändern müssen. Das entlässt uns allerdings nicht aus der Pflicht, die pädagogisch notwendige Frage zu stellen: Wie können wir früher Kindern und Eltern bei der Orientierung helfen, ob sich die Kinder gegebenenfalls in einer Schulform befinden, die sie überfordert? - Das ist pädagogisch eine exzellente und genau richtige Frage. Sie stellt den freien Elternwillen in keiner Weise in Frage.
Ich bin am Ende meiner Redezeit, nehme mir aber gern noch die Zeit für die Beantwortung Ihrer Frage, Frau Seeler.
Herr Althusmann, nach Ihren Ausführungen gehe ich davon aus, dass Sie dem Antrag der SPDFraktion zustimmen würden, dass am Schulgesetz nichts geändert wird.
Frau Abgeordnete Seeler, ich bin kein Abgeordneter des Niedersächsischen Landtages. Das sage ich aber nur scherzhaft am Rande. Selbstverständlich werde ich mich immer einem Votum des Landtages beugen, das hier mehrheitlich zustande kommt. Das gehört sich für eine Landesregierung so. Sie folgt dem Parlament. Der Respekt vor dem Parlament gebietet dieses. Aber wie ich die Mehrheiten hier einschätze, haben Sie diese nicht.
Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erhält Frau Kollegin Heiligenstadt für zwei Minuten das Wort. Die Redezeitüberschreitung des Ministers war minimal. Deshalb auch die geringe Redezeit für Sie.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir bemerken seit einigen Monaten, dass der Kultusminister bemüht ist, sämtliche Baustellen einigermaßen abzuräumen, die sich in den letzten Jahren hier in der desaströsen Bildungspolitik dieser Landesregierung aufgebaut haben. Allerdings ist es ein Novum und ein bemerkenswerter Vorgang, dass der Kultusminister jetzt auch noch die Baustellen abräumen muss, die die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion gewissermaßen verbockt haben.
Ich finde ebenso bemerkenswert, dass der Antrag der CDU und der FDP heute hier überhaupt auf der Tagesordnung steht, insbesondere wenn das, was der Herr Minister eben gesagt hat, von der CDU geteilt wird, nämlich der freie Elternwille im Gesetz nicht verändert wird. Die Originalfassung des SPD-Antrages lautet:
„Der freie Elternwille beim Übergang in die weiterführenden Schulen wird nicht zur Disposition gestellt, die hierzu geltenden schulgesetzlichen Regelungen (§ 6 … und § 59 …) haben auch künftig Bestand.“
Warum die CDU und die FDP diesen zwei Sätzen - mehr enthält unser Antrag nicht - bisher in allen Ausschussberatungen nicht zugestimmt haben, mag sich nach dieser Debatte jeder selbst fragen.
Ebenfalls nach § 71 Abs. 3 hat nun Frau Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE für eine Minute das Wort. Bitte schön!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kultusminister Dr. Althusmann, das, was Sie gerade gesagt haben, hörte sich wirklich gut an. Ich habe es mit Interesse gehört. Ich habe mich auch darüber gefreut.
Mir drängt sich jetzt aber die direkte Frage an die Kollegen von der CDU und von der FDP auf - Herr Thümler, Sie haben den Antrag auch unterschrieben -: Warum dann dieser Antrag? - Ziehen Sie ihn bitte zurück! Es gibt wirklich keinen Anlass für einen solchen Antrag.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Antrag soll an den Kultusausschuss überwiesen werden. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen gibt es ebenfalls nicht. Dann ist das so beschlossen.
Erste Beratung: Priorität für Erdverkabelung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2704
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Die SPD steht zu dem von ihr in der Bundesregierung eingeleiteten schnellen Ausbau regenerativer Energien, weil nur so der vollständige Ausstieg aus der Atomenergie und der Verzicht auf weitere Kohlekraftwerke umsetzbar sind.
Die SPD unterstützt allerdings uneingeschränkt den breiten Bürgerprotest, wenn bei neuen Fernleitungen kurzsichtige wirtschaftliche Interessen der Energieversorger und Netzleitungsbetreiber über die berechtigten Einwände betroffener Kommunen und deren Bürgerinnen und Bürger entlang geplanter Trassenführungen gestellt werden.
Genau das ist aktuell bei der 190 km langen Trasse von Wahle nach Mecklar in Hessen der Fall. In Niedersachsen soll diese Stromtrasse durch die Landkreise Peine, Wolfenbüttel, Hildesheim, Goslar, Northeim und Göttingen geführt werden.
Bereits 2007 hatte uns dieses Thema im Landtag erheblich beschäftigt. Die SPD-Landtagsfraktion hatte bereits im April 2007 einen Antrag und im Oktober 2007 einen Gesetzentwurf eingebracht. In unserem Gesetzentwurf hatten wir uns für den Vorrang der Erdverkabelung und die Option einer vollständigen Erdverkabelung ausgesprochen. Dabei wurde seinerzeit aus guten Gründen auf die Vorgabe von Mindestabständen zu Bebauungsbereichen verzichtet.
Nach zögerlichem Beginn hatte sich dann - sicherlich nicht zuletzt auch wegen des nahenden Landtagswahltermins - der damalige Ministerpräsident des Themas angenommen. Entstanden ist in Kooperation mit dem damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel - das will ich nicht verhehlen - das Niedersächsische Erdkabelgesetz, welches wir hier im Dezember 2007 verabschiedet haben, und im August 2009 das Energieleitungsausbaugesetz, kurz EnLAG. Beide Gesetze sehen lediglich die
Möglichkeit einer Teilerdverkabelung vor, wenn Mindestabstände zu Bebauungsbereichen unterschritten werden, das EnLAG sogar nur bei vier Pilotstrecken, wobei drei davon bei uns in Niedersachsen liegen. Die Strecke Wahle–Mecklar gehört bekanntlich dazu.
Der heutige Ministerpräsident hatte bei der Verabschiedung des niedersächsischen Gesetzes im Oktober 2007 ausgeführt: Wer im Land unterwegs ist, weiß auch, wie groß das Interesse der Menschen in den betroffenen Regionen an dieser Frage ist. Die ersten längeren Erdverkabelungsstrecken werden in unserem Bundesland gebaut. Die Teilverkabelung wird in vielen Bereichen Bestandteil der Trassenplanung sein. - Soweit David McAllister.
Meine Damen und Herren, leider erleben wir aktuell in Niedersachsen etwas ganz anderes, um nicht zu sagen, genau das Gegenteil.
Die vorgelegten fünf Trassenvarianten der Firma Transpower GmbH bzw. seit 1. Januar dieses Jahres TenneT bestätigen - und nach meiner Auffassung übertreffen sie - alle damaligen Befürchtungen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Das auf Konsens angelegte EnLAG sowie das Niedersächsische Erdkabelgesetz werden durch Transpower bewusst ignoriert.