Protocol of the Session on August 18, 2010

Herr Kollege Klare möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön, Herr Klare!

(Unruhe)

- Herr Klare, warten Sie einen Augenblick! Bei Kurzinterventionen sind es wirklich anderthalb Minuten - da kennen Sie mich -, es sei denn, es ist eine so große Störung, dass ich die Zeit verdoppele. - Herr Klare!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Korter, ich nehme es Ihnen ab, dass Sie sich Mühe geben, wenn es um die Entwicklung unserer Kinder geht. Tun Sie mir einen Gefallen - wir kennen uns schon länger -: Glauben Sie mir, dass wir von unserem Ansatz her als Schulpolitiker immer das Wohl der Kinder im Auge haben! Ich finde, das ist hier auch gar nicht zynisch darzustellen. Das ist mein Anliegen. Das mache ich hier seit 24 Jahren. Ich glaube, das kommt auch ganz gut rüber.

(Beifall bei der CDU)

Ich will zu der Frage nach dem Begriff „grundsätzlich“ kurz Folgendes sagen, Herr Sohn: Ich habe vorhin versucht, darauf hinzuweisen, dass sich diese Frage im Grunde genommen auch grundsätzlich gestellt hat und wir grundsätzlich davon ausgehen, dass sich der freie Elternwille so, wie er jetzt im Schulgesetz steht, bewährt hat.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Grund- sätzlich!)

Werner Remmers hat das 1976/77 eingeführt. Es ist bis dahin immer ein Markenzeichen der CDUSchulpolitik gewesen, den freien Elternwillen zu bewahren und zu stärken. Aber wenn man Pädagogik ernst nimmt - ich sage es noch einmal -, dann muss man von „grundsätzlich“ sprechen; denn im Einzelfall muss man andere Entscheidungen treffen.

Das beantwortet auch Ihre zweite Frage. Eine Entscheidung, ob ein Kind an eine andere Schule geht - ich spreche nie von „Abschulen“ -, in der es besser gefördert werden kann,

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Aber das ist es doch!)

trifft immer die Schule gemeinsam mit den Eltern. Das ist in Klassenkonferenzen so - da sind Eltern beteiligt -, und das ist bei anderen Absprachen - freiwilliges Zurücktreten usw. - genauso.

Frau Korter, wie war die Frage?

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Es waren drei Fragen!)

Das Problem besteht darin, dass die anderthalb Minuten jetzt vorbei sind und Sie das im Zwiegespräch klären müssen. Herzlichen Dank, Herr Klare.

Herr Minister Althusmann hat sich zu Wort gemeldet. Ich habe zuvor noch eine Wortmeldung von Frau Seeler. Herr Minister Althusmann, Sie dürfen natürlich jederzeit sprechen. - Frau Seeler, er lässt Ihnen den Vorzug. Sie haben noch eine Redezeit von 1:35 Minuten. Bitte schön!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP! Wenn Sie den freien Elternwillen erhalten wollen, dann stimmen Sie einfach unserem Antrag zu! Außerdem hätten Sie das dann nicht unter der Überschrift gemacht, dass Sie den freien Elternwillen gestalten wollen. Sie hätten einfach einen Antrag mit der Aussage stellen können: Wir wollen Fördermöglichkeiten für Kinder, die Schwierigkeiten in der Schule haben. - Das wäre es dann gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Althusmann, Sie haben jetzt das Wort. Die Landesregierung hat 3:30 Minuten. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin, für diesen Hinweis auf 3:30 Minuten. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rate in bildungspolitischen Fragen grundsätzlich immer ein wenig zu Gelassenheit und Besonnenheit in diesem Punkt. Ich habe den

Antrag der Koalitionsfraktionen durchdrungen und auch verstanden.

(Lachen bei der SPD und bei der GRÜNEN - Gerd Ludwig Will [SPD]: Für wen war das jetzt ein Lob?)

Ich meine - Frau Heiligenstadt, ich bin nicht dafür bekannt, dass ich hier mit der „politischen Keule“ um mich schlage -,

(Lachen bei der SPD und bei der GRÜNEN)

dass die Koalitionsfraktionen eines eindeutig zum Ausdruck gebracht haben: Weder mit CDU noch mit FDP, aber auch nicht mit Ihnen gibt es in Niedersachsen irgendeine Form der Veränderung des freien Elternwillens. Ich sage deutlich: Das wäre auch mein Wille. Dabei bleibt es dann auch.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Niedersachsen wird am freien Elternwillen festgehalten. Ich will sehr deutlich sagen: Frau Korter, ich habe manchmal ein bisschen den Eindruck, dass wir uns immer wieder darüber streiten, wer in dieser Frage die wahren Retter des freien Elternwillens sind.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Eindeutig Sie!)

- Diesen Hinweis finde ich sehr spannend, Herr Hagenah. Eigentlich müssten Sie eines Besseren belehrt worden sein.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir loben Sie doch gerade!)

Spätestens in Hamburg, wo es insbesondere die Grünen waren, die die Eltern zur Primarschule zwingen wollten, hätten doch gerade die Grünen in Niedersachsen erkennen müssen, dass man nicht gegen den Elternwillen irgendwelche Schulformen einführen kann.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Aber die CDU war auch dabei! Wie hieß der doch? - Ole Dingsbums!)

Ich habe großes Vertrauen in das verantwortungsvolle Handeln von Eltern und Lehrkräften in Niedersachsen. Dieses Vertrauen ist im Übrigen nicht blind. Deswegen darf sehr wohl immer mal wieder die Frage gestellt werden, wie man bei der in Niedersachsen sehr geringen Zahl von Kindern, die das tatsächlich betrifft - die z. B. den Jahrgang 5

zweimal absolvieren und im Jahrgang 6 nicht nach Klasse 7 versetzt werden -, gegebenenfalls dazu beitragen kann, ihnen zu helfen. Diese Frage ist berechtigt. Deshalb meine ich, dass es richtig ist, nicht infrage zu stellen, dass man das erzwingen muss. Ich meine, dass der Antrag von CDU und FDP so in keiner Weise gemeint ist. Es geht nicht um eine schulgesetzliche Änderung des § 59, sondern es geht im Kern darum, wie wir mit gezielten Fördermöglichkeiten in der Klasse 5 den Kindern, die in der Gefahr stehen, von dieser Schulform überfordert zu sein, tatsächlich helfen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Diese Frage ist berechtigt. Ich halte es für zwingend notwendig, dass wir diese Fördermöglichkeiten auch im Jahrgang 5 und im Jahrgang 6 entsprechend prüfen, um diesen Kindern zielgerichtet zu helfen.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Ich bin selbst Vater von schulpflichtigen Kindern und gebe gerne zu, dass auch wir in der Vergangenheit schon mit Schullaufbahnempfehlungen konfrontiert waren und uns zu Hause ebenfalls überlegt haben, ob das eigentlich die geeignete Schulform ist.

Ich stelle fest, dass in Niedersachsen die Eltern von den Lehrerinnen und Lehrern in höchstem Maße professionell beraten werden. Sie werden über die Möglichkeiten der Schullaufbahnen intensiv informiert. Dann wird eine Schullaufbahnempfehlung ausgesprochen, die in der Regel dazu führt, dass die meisten Kinder in Niedersachsen, nämlich über 88,7 %, mit der entsprechenden Schullaufbahnempfehlung, die sie angenommen haben, tatsächlich in den Jahrgang 7 versetzt werden.

Das heißt, über 88 % der Kinder, die eine Schullaufbahnempfehlung für das Gymnasium, die Hauptschule oder die Realschule bekommen haben und dann auch auf diese Schulform gehen, erreichen tatsächlich die Klasse 7, ohne dass sie wiederholen müssen.

Das heißt, wir haben erstens professionelle Grundschullehrerinnen und -lehrer, und zweitens ist die Prognosewahrscheinlichkeit der Grundschulempfehlung sehr hoch.

Das heißt, wir reden am Ende nur noch über einen anderen prozentualen Anteil von Schülerinnen und Schülern, um die wir uns gezielter kümmern müssen.

Ich sage dazu deutlich völlig unabhängig von der Gesamtschule oder vom dreigliedrigen Schulsystem: Es kommt nicht auf die Schulstruktur an, das Kind entsprechend zu fördern. Es kommt vielmehr auf die Unterrichtsqualität an. Es kommt auf den Inhalt in der Schule an. Es kommt auf die Motivation der Eltern an. Es kommt auf die Motivation der Lehrkräfte an.

Davon hängt ab, wie gute Schule gelingen kann. Das ist völlig unabhängig von der Frage „Gesamtschule - Ja oder Nein?“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister Althusmann, Frau Korter möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?

Ja, bitte.

Frau Korter!

Vielen Dank, Herr Minister. - Sie haben jetzt mehrfach von Steuerungsmöglichkeiten gesprochen. Können Sie uns, da Sie die Abschulung ausschließen, vielleicht sagen, welche Möglichkeiten Sie meinen, z. B. ein Abschulungsverbot?

Herr Minister!

Ich habe, wenn ich mich richtig erinnere, nicht von Steuerungsmöglichkeiten gesprochen, sondern ich habe ausdrücklich gesagt, dass wir statt eines erzwungenen Schulformwechsels nach Klasse 5 gezieltere Fördermöglichkeiten überprüfen werden. Wir werden überprüfen, wie wir insbesondere mit Blick auf den Jahrgang 5 diesen Kindern gegebenenfalls helfen können. Das Gespräch mit den Eltern ist in diesem Zusammenhang auch wichtig.

Ich will noch einmal auf einen Punkt aufmerksam machen, der in dieser Debatte im Übrigen von hoher Relevanz ist: Es findet in Niedersachsen nahezu keine einzige Abschulung gegen den Willen der Eltern statt.