Drittens. Die Ämtervereinigung steigert die Intensität der Verantwortlichkeit gegenüber den Mehrheitsfraktionen. Sie stärkt den Kontakt zwischen den Regierungsmitgliedern und den sie tragenden Mehrheitsfraktionen.
Nun komme ich zum zweiten Punkt Ihres Gesetzesvorhabens. Weiter schlagen Sie die Einführung des ruhenden Mandats durch die Änderung des Landeswahlgesetzes vor. Das sehe ich verfassungsrechtlich als durchaus problematisch an. De facto bedeutet Ihr Vorschlag, dass ein Regierungsmitglied bei Ausscheiden aus der Regierung unter Verdrängung des inzwischen nachgerückten Listenbewerbers wieder in sein Landtagsmandat eintreten kann. Meines Erachtens kann man auf sein Landtagsmandat nur ganz, aber nicht zeitweilig verzichten.
Stellen Sie sich das Ruhen eines Mandats in der Praxis vor. Das Mandat ruht, ein Listenbewerber rückt nach, der sein Mandat allerdings sofort wieder verliert, sobald derjenige, für den er nachgerückt ist, sein Mandat wieder aufleben lässt. Nach unserer Verfassung ist sein Status geschützt,
Für die Dauer der Wahlperiode kann er sein Mandat ausüben und hat die ihn von der Wählerschaft übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Begrenzt wird diese Aufgabenwahrnehmung nur durch den Ablauf der Wahlperiode, die Selbstauflösung des Parlaments oder durch die Mandatsfreiheit.
Sie aber, liebe Kollegen von den Grünen, wollen das Landeswahlgesetz ändern und dadurch den möglichen Verlust des Abgeordnetenmandats des Nachrückers im Prinzip in die Beliebigkeit der Erklärung des Ausgeschiedenen stellen; denn es ist nach seinem Ausscheiden aus dem Regierungsamt in seine Entscheidung gelegt, wieder in das Parlament einzutreten. Sie selbst schreiben nichts dazu, aber derjenige, der aus einem Ministeramt ausgeschieden ist, müsste ja erklären, ob er das ruhende Mandat wieder aufleben lassen möchte.
Überspitzt formuliert - bei allem Respekt vor Ihrer Position -: Wollen wir ernsthaft unser Wahlrecht so vergewaltigen, dass es nicht mehr den Wählern, sondern den Gewählten überlassen bleibt, wie sich das Parlament künftig zusammensetzt? - Diese Regelung könnte sowohl gegen die Unmittelbarkeit als auch gegen die Gleichheit der Wahl als auch gegen die Freiheit des Mandats des Abgeordneten verstoßen. Der Hessische Staatsgerichtshof hat bereits die Verfassungswidrigkeit einer ähnlichen Regelung in Hessen festgestellt.
Wir sollten aber auch die menschliche Seite nicht vergessen. Für den Nachgerückten ist diese Situation, diese Form des Nachrückens doch ein untragbarer Zustand. Anders als in Hamburg oder zukünftig in Bremen üben wir unser Mandat hauptberuflich aus. Sie erwarten von dem Nachrücker, der das Mandat angenommen hat, im Prinzip die Einnahme einer Platzhalterposition.
Ich bin der Meinung, dass wir mit Verfassungsänderungen sehr behutsam umgehen müssen. Nach meinem Kenntnisstand gibt es in allen Flächenländern aus gutem Grund keine Unvereinbarkeit von Mandat und Regierungsamt. Wir sollten die Verfassung möglichst nur dann ändern, wenn auch Veranlassung hierzu besteht.
Sich aufdrängenden Handlungsbedarf bei einer Frage von so grundsätzlicher Bedeutung kann ich - ohne der Debatte in den Ausschüssen vorgreifen zu wollen - gegenwärtig aber nicht erkennen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten hat die Fraktion der Grünen, deren intellektuelle Qualität ich durchaus ab und zu goutiere, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der so überflüssig und nur teildurchdacht war wie dieser, Stichwort Schleudersitz. Wenn nicht in den Ausschussberatungen noch ein Wunder geschieht, dann werden wir diesen Gesetzentwurf wohl ablehnen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass es zwei Stadtstaaten sind, auf deren Vorbild die Grünen sich beziehen. Diese Stadtstaaten pflegen immer noch in gewisser Weise das Leitbild - manche sagen: die Fiktion - des Teilzeitparlamentariers, der Abgeordneter nur im Nebenberuf ist. Das passt auch zum Grünennostalgiebild des Turnschuhabgeordneten.
Aber man kann Flächenländer und Stadtstaaten nicht ohne Weiteres in einen Topf werfen, was Repräsentanz im Parlament betrifft. Darauf will ich heute nicht näher eingehen, ebenso wenig wie auf die sinnvolle Interpretation von Gewaltenteilung in einer repräsentativen Demokratie. Stattdessen möchte ich heute einige Merkwürdigkeiten des Entwurfs thematisieren.
Es wundert mich schon, wie Sie in der Begründung die zusätzlichen Kosten so locker wegdrücken. Ich zitiere: „Das Gesetz wird nur geringfügige Mehrkosten zur Folge haben.“ Und das gerade von Ihnen, den selbsternannten Sparfüchsen! Was haben Sie seinerzeit über die Verkleinerung dieses Landtages aus finanziellen Erwägungen rhapsodiert!
Jetzt schert es Sie nicht, das Gegenteil zu fordern. Immerhin würde Ihr Vorschlag auf eine dauerhafte Vergrößerung des Landtages um bis zu zehn Abgeordnete hinauslaufen.
Ein anderer Punkt. In Ihrer Begründung schreiben Sie - offensichtlich zufrieden -, der Landtag habe sich - ich zitiere - „strenge Regeln in Bezug auf Nebentätigkeiten von Abgeordneten gegeben.“
Nun werden wir in etwa 95 Minuten Ihren Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Landtages beraten. Da heißt es in der Begründung - ich zitiere ebenfalls wörtlich -:
„Angesichts tatsächlicher und vermuteter Verfehlungen im Umgang mit Nebeneinkünften von Abgeordneten des Bundestages und der Landtage müssen die Regelungen deutlich verschärft werden.“
Kann ich also davon ausgehen, dass sich der ältere Antrag, der zur Geschäftsordnung, mittlerweile erledigt hat und Sie ihn zurückziehen? Das würde uns Zeit sparen.
Zur Begründung Ihres Entwurfs schwingen Sie nur eine einzige Keule, die der strikten Gewaltenteilung. Nur kann dies ja wohl kein spezifisches Kriterium von Demokratie in den einzelnen Bundesländern sein, sondern sollte gleichermaßen im Bund gelten. Dann schlägt die Keule auch direkt auf die Köpfe von Joschka Fischer und Jürgen Trittin;
denn die hätten seinerzeit als Bundesminister durch Verzicht auf ihr Abgeordnetenmandat mit gutem Beispiel vorangehen können, haben dies aber wohlweislich nicht getan.
Letzte Bemerkung. Ein Satz aus der Begründung des Gesetzentwurfs verdient wegen seiner sprachlichen Schönheit, unvergessen zu bleiben. Ich zitiere:
„So erhält eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, die Ministerin oder der Minister wird, ihr oder sein Abgeordnetenmandat zurück, wenn sie oder er ihr oder sein Ministeramt aufgibt.“
(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Geschlechtergerechte Sprache!)
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es sollen sich federführend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und mitberatend der Ausschuss für Inneres, Sport und Integration sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Wer das so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2705
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des berufsbildenden Schulwesens in Niedersachsen ein. Den meisten ist das unter der Bezeichnung „ProReKo“ bekannt. Hier geht es um die Weiterentwicklung des ProReKoKonzeptes, das wir gemeinsam im Landtag beschlossen haben.
Lassen Sie mich einige allgemeine Dinge vorwegschicken, die ich für wichtig halte. Wenn wir über berufsbildende Schulen sprechen, dann müssen wir davon ausgehen - das muss man ins Bewusstsein bringen -, dass über 80 % eines Jahrgangs in die berufsbildenden Schulen gehen. Mit anderen Worten: Die berufsbildende Schule ist die zentrale Schulform. Das kann man zumindest im Hinblick darauf sagen, dass 80 % eines Jahrgangs die berufsbildenden Schulen durchlaufen.
Die berufsbildenden Schulen sind, was die Ausbildung von jungen Leuten betrifft, nicht nur ein Standortfaktor in der Region, sondern sie sind - zusammen mit den Wirtschaftsunternehmen, den Ausbildungsbetrieben - sogar ein Wirtschaftsstandort. Die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen haben ein Know-how für eine breite Aus
bildung, für eine breite Vermittlung von Wissen. Das gilt nicht nur für die High-Tech-Berufe, sondern auch für die sozialen Berufe, wenn man an das BVJ denkt. Das heißt, das, was wir an Potenzial in den berufsbildenden Schulen haben - Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiter; darüber muss man sich einmal im Klaren sein - ist etwas ganz Besonderes. Wir können stolz auf die Arbeit an den berufsbildenden Schulen sein.
Meine Damen und Herren, wenn man einmal durch die Schulen geht, dann sieht man welch großartige Ausstattung dort in den Werkstätten usw. vorherrscht; dessen sind sich auch unsere Schulträger bewusst. Wir beteiligen uns als Land, was die Personalmaßnahmen angeht, natürlich auch daran.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Weiterentwicklung zur vollen Eigenverantwortlichkeit. Ich sage einmal - mit Blick auf die Jahre, die wir uns hier gemeinsam mit der beruflichen Bildung befasst haben, empfinde ich es auch so -: Es handelt sich hierbei um einen Meilenstein in der schulpolitischen Geschichte des Landes Niedersachsen. Ohne zu übertreiben könnte man sogar sagen: um einen Quantensprung in der schulpolitischen Entwicklung.
Grundlage ist der Versuch ProReKo. Ich erinnere mich noch genau daran, dass wir hier alle gemeinsam diskutiert haben. Ich nenne einige bekannte Namen: Voigtländer, Vockert - Frau Vockert ist noch da; Herr Voigtländer nicht -, Ursula Körtner; ich kann sie nicht alle aufzählen.
Wir haben damals alle gemeinsam gesagt: Wir müssen im Bereich der beruflichen Bildung etwas Neues auf den Weg bringen und den Herausforderungen Rechnung tragen, die sich an einer berufsbildenden Schule ja viel unmittelbarer stellen als an einer allgemeinbildenden Schule. Man muss sozusagen immer mit der Entwicklung in den Berufen mithalten, die immer schnelllebiger geworden ist. Deswegen haben wir ProReKo auf den Weg gebracht. 19 Schulen im Lande haben sich daran beteiligt. Mit einem großen Aufwand ist dort die volle Eigenverantwortlichkeit umgesetzt worden. Volle Eigenverantwortlichkeit bedeutet eine ganz breite Zuständigkeit mit einem Budget, das Mittel für Personalmaßnahmen sowie für Sach- und Bauausstattung beinhaltet.
Dies ist - ich glaube, das kann man jetzt nach der Bestandsaufnahme, die wissenschaftlich begleitet wurde, sagen - in vollem Umfang positiv gelaufen. Da es in vollem Umfang positiv gelaufen ist, können wir jetzt davon ausgehen, dass alle, also insgesamt 135 berufsbildende Schulen jetzt dieses Projekt umsetzen können. Wir wissen, dass unsere berufsbildenden Schulen darauf vorbereitet sind. Deswegen machen wir das, weil wir uns davon versprechen, dass sich unsere berufsbildenden Schulen der modernen, der neuen Entwicklung in der Berufsausbildung, aber auch als wirtschaftlicher Standort in der Region besser anpassen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte einige Eckpunkte nennen, die mir in dieser Frage wichtig sind. Sie sind auch in unserem Gesetzentwurf dargestellt.
Erstens. Wir bekommen jetzt für alle Schulen einen Schulvorstand. In dem Schulvorstand sind alle beteiligt: die Schulleitungen, die Lehrkräfte, Schüler, zum Teil auch Eltern und außerschulische Partner, die aus der Wirtschaft kommen. Dieser Schulvorstand wird viel zu sagen haben. Er wird die entscheidenden Dinge in einer berufsbildenden Schule in Gang bringen. Wir haben beste Erfahrungen gerade mit den Schulvorständen in den ProReKo-Schulen gemacht. Wir müssen hier nur eine andere Zusammensetzung als in den allgemeinbildenden Schulen wählen, weil wir natürlich die ausbildende Wirtschaft mit in den Schulvorstand hineinbringen wollen.